Die Dämpfer

Dann kamen leider die schlechten Nachrichten: Wir hatten einen medizinischen Notfall bei den Großeltern, so dass Marc, der den Sommer in Morristown verbracht hat, extra wieder für einen Blitztrip nach Deutschland kam.

Und gleich darauf die Sache mit Oles (gerade 5) Handgelenk, das leider schief zusammengewachsen ist. Zunächst stand eine Korrekturoperation zur Diskussion. Dann haben die Ärzte aber doch entschieden, zunächst abzuwarten, ob der Knochen sich selber wieder richtet.

Außerdem hat der Kinderarzt bei Ole eine Wahrnehmungsstörung festgestellt. Damit hatten wir nicht gerechnet und so mussten wir uns erst mal schlaumachen: Bei einer sensorischen Wahrnehmungsstörung ist die „sensorische Integration“ gestört. Darunter versteht man das Ordnen von Sinneseindrücken durch das Nervensystem. Wenn dieser Prozess nicht richtig läuft, dann sind Bewegungs- und Verhaltensweisen oft nicht angemessen. Ole ist u. a. motorisch nicht altersgemäß entwickelt, packt oft zu fest an, läuft gegen Sachen, verschluckt sich häufig. Zusätzlich besteht der Verdacht, dass er eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung hat – ADHS, habt ihr doch bestimmt schon öfter gehört. Umgangssprachlich wird das als „Zappelphilipp-Syndrom“ bezeichnet – eine psychische Störung, die sich durch Auffälligkeiten bei der Aufmerksamkeit, durch Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet. Wir machen uns jetzt erst mal selbst schlau und lesen uns ins Thema ein.

Das „Gute“ an dieser Neuigkeit ist, dass es zumindest mit Blick auf die Wahrnehmungsstörung einen guten „Pack-an“ gibt, denn mit Ergotherapie kann man Ole in einigen Bereichen (z. B. in der Grob- und Feinmotorik) fördern. Damit haben wir dann auch sofort in Deutschland angefangen.

Im Nachhinein lässt sich seine „Schieflage“ in den USA jetzt auch mit diesen Einschränkungen erklären – er braucht im Moment genau die Sachen, die in New Jersey und vor allem in der preschool eben nicht ganz einfach zu bekommen sind: viel Bewegung, Erleben mit allen Sinnen (also z. B. Sand und Matsch), keinen Erfolgsdruck und Rückzugsmöglichkeiten, wenn es ihm zu „bunt“ wird.

Das war ehrlich gesagt ein ganz schöner Schock für uns. Wir haben überlegt, ob ich mit den Kindern nun doch in Deutschland bleibe. Marc ist allerdings für die nächsten Jahre in New Jersey eingebunden und wird weiter dort wohnen bleiben müssen – und eine Trennung der Familie für eine solch lange Zeit ist natürlich nicht ohne. Darum haben wir uns entschieden, es noch einmal in den USA zu versuchen, wenn wir es schaffen, einige Randbedingungen vorher zu verändern. Das sind meine Bedingungen:

Zurück in die USA? Ja, aber nur …

  1. … mit einer zuverlässigen Hilfe bei der Kinderbetreuung – mit Führerschein.
  2. … mit einer entsprechenden Kooperation der preschool, zum Beispiel Sonderbedingungen für Ole wie mehr Bewegungspausen.
  3. … mit Ergotherapie für Ole.
  4. … wenn es künftig einen Sandkasten im Garten gibt.
  5. … wenn wir eine neue Waschmaschine bekommen.

Marc hat sich in New Jersey um genau diese Liste gekümmert (mit Theo und Tim im Schlepptau). Ich bin mit Ole und Paul noch weitere vier Wochen in Deutschand geblieben, und wir haben mit verschiedenen Therapien angefangen, die schon etwas Besserung bringen.

 

Ole hatte in Deutschland in den letzten Wochen eine wichtige Pause. Es tat ihm sehr gut, endlich mal wieder alles zu verstehen. Er hatte playdates mit seinem Kumpel Tom, konnte Roller fahren und im Sand buddeln. Jetzt übt er jeden Tag wieder fleißig Englisch – mit einer Sesamstraßen-Version, die für ESL-Kinder (English as a second language) konzipiert ist – endlich mal ein Kinderfernsehprogramm, das nicht total überladen, nicht schecklich schrill und bunt ist, sondern verständlichen Sprachinput für Sprachanfänger/innen bietet – kann ich nur empfehlen.

Nun schildert Marc, wie er den Sommer erlebt hat. Er hatte ja leider keinen Urlaub und war daher fast den ganzen Sommer in New Jersey.