„War alles nur Spaß, Jungs! :-) ”

In den letzten zwei Jahren waren wir alle damit beschäftigt, die amerikanische preschool und Schule und die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen. Für Ole war der Übergang wirklich schwierig, und es ist für ihn immer noch sehr anstrengend. Auch Tim musste sich das Lesen- und Schreiben-Lernen ganz schön erkämpfen. Für das Deutsche war da kein Platz – das wäre die totale Überforderung für ihn gewesen. Daher haben wir die Kinder nicht auf die Deutsche Schule geschickt, bei der ich arbeite. Jetzt verschiebt sich überraschend krass der Fokus im schulischen Leben: Warum noch englische “spelling words” pauken – vielleicht doch lieber wieder das Deutschbuch rausholen? In sieben Monaten wird Tim, der weder Deutsch lesen noch schreiben kann – also wirklich überhaupt nicht! – direkt in die dritte Klasse gehen. Theo hat zumindest rudimentäre Deutsch-Kenntnisse vom 1. Schuljahr, er kann Deutsch ganz gut lesen und auch nach englischen Lautregeln schreiben – fragt nur nicht, wie. Uns bleiben noch sieben Monate Zeit, das Deutsch von Theo und Tim aufzupolieren. Daher legen wir seit zwei Wochen am Wochenende eine Deutscheinheit ein. Denn ich finde einen etwas kontrollierten „Angriff“ besser als ein “Abstürzen” in einem halben Jahr, wenn die restliche Umstellung auch noch dazukommt. Es kommen Erinnerungen an unsere erste Zeit hier in Morristown hoch, wo wir mit Theo auch schon sonntags mit den Hausaufgaben angefangen haben, weil es unter der Woche einfach nicht alles zu schaffen war. Mit Theo arbeite ich jetzt Themen aus dem Deutschbuch der 2. Klasse durch (obwohl er hier in der 4. Klasse ist), Tim muss sich erst mal mit der deutschen Schreibschrift anfreunden. Das sogenannte „cursive” ist hier ein absolutes Stiefkind, wenig beachtet und kaum geübt. Meine Schulkinder an der deutschen Schule haben sogar Schwierigkeiten, meine Tafelanschriebe in Schreibschrift zu lesen.   Ich staune, wie viele Fehler man in einem Wort machen kann (z. B. „lekeres flysh“ – leckeres Fleisch). Eine Mischung aus vereinfachter Ausgangsschrift und englischer Schreibweise. Der Trick bei „flysh“ ist, laut wie ein/e Amerikaner/in zu lesen – dann versteht man es. So trivial, wie ich gedacht habe, ist die deutsche Rechtschreibung eben auch nicht, wenn man …

Family Bits and Pieces Januar 2012

Vitoria hat immer noch keinen gültigen New-Jersey-Führerschein: Sie ist inzwischen so oft durch die theoretische Prüfung gefallen, dass sie jetzt sogar erst mal den sogenannten „Road Test“ machen muss, den praktischen Teil. Schon zweimal musste sie unverrichteter Dinge von dannen ziehen, weil a) jemand sie begleiten muss, der einen Führerschein hat und ein Auto für die Prüfung bereitstellt (also muss Marc wohl mit) und b) das ein Auto sein muss, das keine Mittelkonsole hat, damit der Prüfer/die Prüferin notfalls auf die Bremse treten kann (Fahrschulautos gibt es für diesen Test wohl nicht – schon komisch). . Ein bisschen Kultur gab‘s für Marc und mich: Wir sind zu den New Yorker Philharmonikern eingeladen – ein beeindruckendes Konzert. Wir kaufen ein Ferienhaus in einem Dorf in der Eifel – mitten im Nichts! Der Gedanke an das in vieler Hinsicht so viel engere und kleinere Deutschland ist für uns manchmal etwas bedrückend. Und da ist uns die Idee mit einem Haus mit viel Platz drumherum gekommen. Mal gucken, ob das aufgeht … Wir verabschieden eine befreundete deutsche Familie, die nach sieben Jahren zurück nach Deutschland geht – und damit ist auch einer von Theos besten Freunden weg. Dabei erleben wir schon mal live mit, wie sich „die letzten Wochen“ so anfühlen: Zahlenschloss an der Tür (für Makler/innen), Fremde, die durch das Haus latschen, Leihautos, Kartons im Haus, endlose Listen, Abschiede planen, die letzte Woche im Hotel (weil alle Sachen schon im Container sind). Auf dem Rückweg von der Farewell-Party bricht Theo in Tränen aus, weil er seine beiden besten Freunde verliert – seinen deutschen Freund, der jetzt nach Deutschland umzieht und in fünf Monaten dann seinen amerikanischen Freund, den er hier zurücklassen muss, wenn er selbst nach Hause geht. . Und dann macht auch noch unser Lieblingscafé in Morristown zu, das „Greenberrys“. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer: „Have you heard that …?“ Die schlechte Wirtschaftslage und der neu aufgemachte Starbucks gegenüber sind wohl mit dran schuld. Das hat niemand kommen sehen – wirklich schade, dass es unser gemütliches und familiäres Stammcafé jetzt nicht mehr gibt.   Aber wir wollen kein Trübsal …

Vom falschen Schubsen und Tannenkränzen, Tannenkränzen, Tannenkränzen. Warum Kinder in der Schule ihre Weihnachtsgeschenke einkaufen können und wie und warum wir „Pajama Partys“ lieben gelernt haben.

Das Jahr geht schon wieder zu Ende

Ich kann es nicht glauben, aber schon sind wir am Ende dieses Jahres angekommen und ein neues steht vor der Tür – wo ist nur die Zeit seit September geblieben? Geht es nächstes Jahr tatsächlich für uns bereits wieder zurück nach Deutschland? Ich will noch nicht darüber nachdenken, auch wenn uns unsere Freunde hier immer wieder darauf ansprechen. Aber – nur damit hier kein Missverständnis aufkommt: Das heißt nicht, dass ich nicht zurück will! Ich möchte nur die Zeit hier noch genießen, ohne ständig in Gedanken beim Organisieren für Deutschland zu sein.

Der Winter hält Einzug

Im Dezember sind die Bäume fast alle kahl, und die ohrenbetäubenden Laubgebläse, die im November hier oft von mehreren Seiten gleichzeitig röhrten, haben ihre Arbeit für dieses Jahr erledigt – es wird wieder ruhiger auf unserer Straße. Verrückterweise sind jetzt die Überreste vom Schneesturm im Oktober besonders gut zu sehen: Alle abgeknickten Äste, die noch nicht entfernt wurden – und das sind etliche! – tragen noch viele, viele welke Blätter. Ganz im Gegensatz zu den kahlen Bäumen, an denen sie baumeln. Ja, Blätterabwerfen ist tatsächlich ein aktiver Prozess, den der Baum selbst auslöst! Einige der Bäume stehen immer noch bedenklich schief und hängen halb über der Straße – da gebe ich dann einfach ein bisschen mehr Gas beim Drunterdurchfahren.   Während sich die squirrels wie letztes Jahr eifrig über die Reste der Kürbisse vor unserer Haustüre hermachen, sind die Streifenhörnchen und die Grillen, von denen einige bis November ausgehalten hatten, auf einmal komplett verschwunden. Über die Temperaturen können wir nicht klagen: zwischen knapp unter Null bis plus 20 Grad Celsius – alles noch sehr gemäßigt. Und bisher kein Schnee !!! 🙂 🙂 🙂

Brasilianischer contra amerikanischer Winter

Unser Au-pair Vitoria, das vom brasilianischen Winter in Sao Paulo Durchschnittstemperaturen von 16 Grad gewöhnt ist, hat aber jetzt schon zu kämpfen. Zum einen mit den Temperaturen (sie stöhnt schon bei plus zehn Grad!), zum anderen mit dem Widerspruch zwischen ihren ästhetisch-modischen Ansprüchen und funktionaler Winterkleidung. Diese Anpassungsphase haben wir Gottseidank schon hinter uns und holen unsere klobigen, gesteppten Daunenjacken (ihr erinnert euch? Steppdecken! 🙂 ) wieder raus. Und wenn es auf einmal wieder 15 Grad ist, dann lassen wir die eben einfach weg. Ich hoffe nur, dass Vitoria den Winter hier besser wegsteckt als unser letztes brasilianisches Au-pair – sie braucht jedenfalls mit ihren 19 Jahren morgens länger als unsere Kinder, um sich mit Mütze, Schal und Handschuhen für draußen zu wappnen (und die sind schon sehr lahm). Aber da muss man wohl Nachsicht und Geduld haben (oder einfach langsam in Ruhe bis 50 zählen und an was anderes denken). Der Dezember läuft für uns recht ruhig – unterm Strich. Während wir viele kulturelle Feste nun schon insgesamt zweimal erlebt haben, ist der Dezember für uns noch ein besonderer Monat: Letztes Jahr sind wir ja schon Mitte Dezember nach Deutschland in die Weihnachtsferien gestartet. Vor allem ich kann den Monat – wie erhofft – so richtig genießen, weil im Moment alles gut läuft: das Wetter, die Kinder, Vitoria – alles soweit im Lot. Da bleibt ausreichend Zeit, die fröhliche amerikanische Weihnachtszeit zu genießen. Aber dann gab es doch einige kleine bis mittelgroße Stressfaktoren, die uns zeitweise auch länger in Atem hielten und uns mal mehr, mal weniger aus unserer Weihnachtsstimmung rissen.

Stressmomente

Wir sitzen im Dezember zweimal auf gepackten Koffern, bereit zum Abflug. Das erste Mal wegen eines Notfalls bei den Großeltern, bei dem wir uns große Sorgen gemacht haben. Aber dann geht es zum Glück wieder bergauf, und wir fliegen doch nicht rüber nach Deutschland. Beim zweiten Spontanaufbruch erhalten wir Mitte Dezember unverhofft die fristlose Kündigung von unserer Expat-Krankenversicherung wegen fehlenden Eingangs unserer Beiträge – das Schreiben ist von Anfang November. Ja, das sind die Nachteile eines Nachsendeauftrags aus Deutschland – manches kommt einfach viel zu spät an. De facto haben wir also seit über einem Monat hier ohne Versicherungsschutz gelebt – da muss man dann doch mal kurz die Luft einziehen, denn das kann einen finanziell schnell ruinieren. Marc flippt komplett aus, telefoniert die halbe Nacht, um herauszufinden, was da mal wieder beim Überweisen schiefgegangen ist. Wir sitzen quasi schon im Flieger, denn ohne Versicherung bleiben wir keinen Tag länger. Aber dann taucht das Geld doch noch auf – es war überwiesen, aber die Versicherung konnte es nicht zuordnen, weil unsere Identifizierungsnummer gefehlt hatte. Puh, riesiger Schreck, der vor allem Marc einige Tage in den Knochen steckt, aber ist noch mal gutgegangen.

Falsches Schubsen

Anfang Dezember bin ich dann dran: Ich bekomme morgens einen Anruf von Theos (9) Schulleiterin. Von Oles (6) preschool bin ich solche Telefonate ja schon gewöhnt, aber von der Schule? Das ist neu. Mrs. Bell ist sehr höflich und klärt mich auf: Theo habe ein Mädchen im Schulbus geschubst. Sie habe den Fall schon ausführlich mit Theo besprochen, es täte ihm sehr leid und er hätte auch geweint (hm … kommt mir komisch vor). Ja, das Mädchen habe ihm wohl mit einem Spielkrokodil immer wieder in den Bauch geknufft und auch nach wiederholten Bitten von Theo nicht damit aufgehört. Von daher sei sein Verhalten (Schubsen) zwar verständlich, aber dennoch nicht akzeptabel (stimmt, ich bin derselben Meinung). Sie teilt mir weiterhin mit, dass sie schon mit Theos Lehrerin über sein Fehlverhalten gesprochen habe und er wohl schon öfter durch Schubsen aufgefallen sei (hm, das sieht Theo gar nicht ähnlich … aber gut). Weiterhin seien die Schulleiterin und die Klassenlehrerin des Mädchens bereits unterrichtet (Uauh! Alle sind unterrichtet – was Mrs. Bell macht, macht sie gründlich).   Ich höre die ganze Zeit zu und warte auf die Verkündigung der Konsequenzen: Nachsitzen, Verwarnung oder noch schlimmer? Komisch, ich hätte Theo gar nicht so eingeschätzt. Am meisten irritiert mich, dass sie die ganze Zeit den Namen von Theos alter Lehrerin verwendet (hier wechseln ja jedes Jahr die Lehrkräfte für die Klassen). Als ich am Ende der Predigt in dieser Sache vorsichtig nachhake, ist auf einmal Schweigen am anderen Ende der Leitung (einige lange Sekunden). Und dann kommt ein wiederholtes „Oh, I’m so sorry“. Auflösung: Ich war die „falsche Mutter“! Es ging tatsächlich um einen Theo aus Polen, der genau wie unser Theo letztes Jahr, jetzt im dritten Schuljahr bei Mrs. Ciorcalo Unterricht hat! So kann es gehen, zweimal „Theo“ aus dem Ausland bei gleicher Lehrerin. Für mich eine erfreuliche Antiklimax, aber auch eine klare Ansage, was hier passiert, wenn eine Schülerin oder ein Schüler körperlich wird (es ging wohlgemerkt „nur“ um Schubsen). Ich frage mich, was Mrs. Bell zu tun hätte, wenn sie einen Tag mit einer deutschen Schulleitung den Job tauschen würde – …

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Was Scheren anrichten können

Und wir nehmen diesen Monat noch einmal die Notfallambulanz mit. Ole (6) ist mit der Hand auf eine offene Schere gefallen und es ist klar, dass das genäht werden muss. Es geht also zum „Faster Urgent Care“. Die kennen uns mittlerweile schon ganz gut, und ich kenne den Weg dorthin auswendig – das will was heißen! Vitoria fährt, ich beruhige Ole und drücke die Wunde zu. Nach 45 langen Minuten sind wir endlich dran: Derselbe Raum wie damals, als Ole hier mit gebrochenem Handgelenk und Platzwunde am Kinn saß. Und dann wieder das gleiche Begrüßungsprozedere, um das hier noch nicht mal heftig blutende Kinder herumkommen: Blutdruckmessen, Pulsmessen, Temperaturmessen – alles muss seine Richtigkeit haben! Himmel, Herrgott: Alles, was Ole braucht, ist eine Naht!! Nach einer halben Stunde sind wir wieder draußen: War nicht schön, aber viel besser als beim letzten Mal. Oles Hand funktioniert noch, die Wunde ist genäht, er hat ein Lego-Set bei mir rausgehandelt (weswegen mir Theo für den Rest des Abends die Hölle heißmacht), und die anderen drei haben in der Zeit völlig schwachsinniges Kinderfernsehen im Wartezimmer gesehen. Als alle vier schließlich schlafen, stoße ich mit mir selber an (Marc ist in Europa). Darauf, dass es Ole gut geht und es wieder „nur“ seine rechte Hand erwischt hat (er ist Linkshänder). Und darauf, dass unser Holzhaus noch steht – beim überstürzten Aufbruch am Nachmittag hatten wir vergessen, den Adventskranz auszupusten und er brannte munter die zwei Stunden alleine vor sich hin … Na dann: Prost!

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Katastrophe über Morristown

Am 20. Dezember kommt ein wirklicher Dämpfer, der ganz Morristown lähmt. Beim Einkaufen erfahre ich von einer Kassiererin, dass auf der James Street ein Kleinflugzeug abgestürzt ist – 400 Meter neben unserem Haus! Wollte Marc nicht heute fliegen gehen? Ich erwische zunächst nur die Mailbox, aber bevor ich wirklich panisch werden kann, hebt er dann einige Minuten später doch ab. Schreck, lass nach! Und weil ich keine Gafferin sein will, nehme ich nicht die besagte Straße nach Hause, sondern entscheide mich dazu, über die Autobahn zu fahren. Großer Fehler, denn schon auf der Auffahrt sehe ich, dass da alles steht. Zu spät. Nichts bewegt sich. Von Marc erfahre ich am Telefon, dass das Flugzeug auf der Autobahn heruntergekommen ist (genau dort, wo ich mit dem Auto stehe!) und dann quer über beide Bahnen geschleudert ist. Den Flügel hat es noch in der Luft verloren, und der ist bis in die James Street geflogen (das ist dort, wo ich immer joggen gehe, wenn ich nach Morristown reinlaufe!). Helikopter und Autos überall. Es ist ausnahmsweise einmal eng auf dem Highway, und die großen Autos helfen auch nicht gerade dabei, eine Rettungsgasse zu formen. Zudem scheinen einige Fahrer/innen die Ausmaße ihrer eigenen Wagen nicht zu kennen und sind noch nicht mal in der Lage, nah an die Leitplanke zu fahren! Nach eineinhalb Stunden (für 300 Meter!) passiere ich endlich die Unfallstelle. Am Mittelstreifen ist alles verbrannt und auf der Fahrbahn liegen überall Flugzeugteile herum. Ich kann kaum glauben, wie wenig von dem Flugzeug übrig geblieben ist – es sieht gerade mal aus, als habe ein Müllauto seine Ladung verloren! Die Wrackteile liegen mit einem Radius von einem Kilometer um die Absturzstelle verteilt.   Morristown erleidet einen Verkehrskollaps, weil die Autobahn gesperrt wird. Und für den Rest des Tages kreisen Hubschrauber über unserem Haus. Traurige Bilanz: Die vierköpfige Familie des Piloten und ein Geschäftsfreund (Vater von drei Mädchen aus NYC) sind tot. Als Ursache wird Vereisung der Tragflächen vermutet. Wie durch ein Wunder wurde beim Aufprall auf der Autobahn kein Wagen getroffen (es war zehn Uhr morgens). Theo (9) und Tim (7) erzählen aufgeregt, …