Es gibt schon eklatante kulturelle Unterschiede beim Feiern, wie wir herausgefunden haben. Blumen für die Gastgeberin sind zum Beispiel ein typisch deutscher Brauch – hier bringen viele Leute nichts oder Essen mit. Man bedankt sich schriftlich für die Geschenke mit sogenannten „Thank you“-Notes, die es überall zu kaufen gibt. Da sind wir bei unserer Einweihungsparty wohl schon ins erste Fettnäpfchen getreten, denn wir haben keine Thank you-Notes an unsere Nachbarsfamilien geschrieben … Amerikaner/innen halten sich sehr genau an den zeitlich festgesetzten Rahmen einer Party und haben weniger „Sitzfleisch“ als viele Deutsche, die sich ja auch gerne mal festquatschen (beides hier ohne Wertung gegenübergestellt). Fazit: Man sollte es also nicht persönlich nehmen, wenn Amerikaner/innen sich mehr oder weniger mitten im Gespräch höflich verabschieden. Geschenke werden oft nicht eingepackt, sondern in Geschenktüten gesteckt, die mit buntem Seidenpapier ausgekleidet sind. Luftballons fliegen, weil sie mit Gas gefüllt werden – man bekommt sie fast überall, z. B. in Blumenläden, normalen Lebensmittelshops, 1-Dollar-Shops usw. Unsere deutschen Luftballons müssen den Amerikaner/innen doch sehr „traurig“ vorkommen, wenn sie so schlaff am Boden liegen 🙂 . Amerikaner/innen sind auch praktisch veranlagt: Wenn sie etwas verschenken und sich nicht sicher sind, dass es gefällt, dann bekommt man gleichzeitig ein „gift receipt“, einen Kassenbeleg, aber ohne direkte Nennung des Betrages. Im Falle eines Umtauschs kann der/die Verkäufer/in anhand des „gift receipt“ erkennen, um welchen Betrag es sich handelt. Wenn man zufrieden ist, erfährt man aber eben nicht, wie teuer es war. Ach ja, und schließlich die Geburtstagstorten: je süßer und bunter, desto besser. „Thementorten“ mit Zuckeraufschrift und Bild sind total normal, viele Glasuren bestehen aus Puderzucker, Frischkäse und Butter und die Farbe Blau kommt hier in essbarem Zustand daher. Ich konnte auch nicht widerstehen und habe sie mehrfach gekauft. Nach drei Festen steige ich aber jetzt wohl doch wieder um auf selbstgemachten deutschen Schokokuchen. Schmeckt einfach besser …
Neuigkeiten von P3
Marc erzählt: Bei mir wird es leider noch nicht besser – ich fliege nach Ost und nach West und hänge zwischen den Zeitzonen. Meine neue Assistentin ist nach nur wenigen Wochen komplett abgetaucht (im wahrsten Sinne des Wortes, denn niemand weiß, wo sie steckt!), daher muss ich mein Backoffice auch wieder selbst organisieren – Zeitfresser! Seit einer Woche gibt es den ersten Messwagen: Bisher haben wir alle Projekte immer mit Leihwagen abgewickelt, aber jetzt haben wir ein Projekt, bei dem eine riesige Antenne auf das Fahrzeug montiert werden muss. Also haben wir für nur 18.000 USD einen Ford E350 mit 5-Liter-Motor gekauft. In den 12-Sitzer passt alle Elektronik und die Antenne lässt sich einfach montieren. Es macht tierisch Spaß, das Teil zu fahren, aber der Wagen schluckt auch Sprit ohne Ende. 15-Stunden-Tage Bei P3 communicaions Inc. durften wir in den letzten beiden Monaten viele Erfolge feiern. Wir haben zahlreiche neue Aufträge bekommen, die hohe Arbeitslast der Akquise ist inzwischen ersetzt worden durch die noch höhere Last des Personalaufbaus und der Lieferung all dieser Projekte an die Kunden. Wir stellen ein wie verrückt, und alle arbeiten 12-15 Stunden pro Tag, oft länger. Ich fürchte, dass das auch noch eine Weile anhält, bis unser Personal hinreichend gewachsen ist. Aber genau dafür sind wir ja angetreten und das ist der Preis für den Erfolg. Auch die nächsten Monate werden daher sehr, sehr arbeitsreich! Kreatives Chaos Ich mag dieses kreative Chaos: Es gibt super viel zu tun, aber man kann die Veränderungen sofort sehen. An einem Freitag hatte ich die Idee, wie man die Mobilfunkfrequenzen in einer Stadt wie New York besser nutzen könnte. Ich habe überlegt, wie ich daraus eine Dienstleistung machen könnte, die man verkaufen könnte und habe eine E-Mail an einen Kontakt bei AT&T geschrieben, der im Nachbargebäude sitzt und für New York zuständig ist. Ich habe genau den richtigen Nerv getoffen, denn am Montag hatten wir ein erstes Meeting bei ihm und kurze Zeit später haben wir diese Leistungen für AT&T und andere Betreiber quer durch die USA erbracht. Das Problem: Nach dem ersten „Proof of Concept“ benötigt man Mitarbeiterinnen …
Ausblick auf den Juli 2010
Ein Geburtstag und zwei absolute Highlights für mich Ole wird fünf. Wir feiern den amerikanischen Unabhängigkeitstag. Wir fliegen anschließend nach Deutschland in den Sommerurlaub!!!
Gute Laune hilft
Die Amis haben es echt raus: Freundlich grüßen, anlächeln, Tür aufhalten (oder auch mal zurück zum Lift springen, um die sich schließende Türe aufzuhalten), sich nett verabschieden und auch mal interessiert nachfragen (an der Fleischtheke): „Oh, where does your lovely accent come from?“ – flüchtige Begegnungen im Alltag fühlen sich hier anders an, das hatte ich ja schon erzählt. Viele, viele Menschen sind hier aber auch einfach hilfsbereiter als das in Deutschland der Fall ist (zwar nicht alle, aber eben doch signifikant mehr!) und packen richtig mit an – und ich rede hier nicht von Freunden und Bekannten, sondern von Leuten, die man noch nie vorher gesehen hat und wahrscheinlich so schnell auch nicht wieder sieht, von „Fremden“ auf der Straße. Ein Beispiel: Vor zwei Wochen war ich auf dem Weg zum Strand, als sich mitten auf der Autobahn plötzlich ein Mann mit seinem Auto auf die Spur neben mich setzte, wild auf meinen Wagen zeigte und mir etwas zuschrie – bei Tempo 70 Meilen/Stunde (über 100 km/h)! Ich hatte keinen Schimmer, was los war und fuhr einfach weiter, aber er ließ nicht locker, gestikulierte heftig, und als ich die Scheibe runterließ, schrie er mir zu: „You gonna have a flat tire in no time.“ Als ich dann zur nächsten Tankstelle fuhr, hatte ich direkt zwei gut gelaunte Männer, die sich den fast platten Reifen genauer anschauten und mit nach einer Lösung suchten: der Tankwart, der nebenbei auch noch die anderen Autos betankte und ein Postbote, der zufällig gerade selbst Sprit für sein Auto brauchte. Nach einer halben Stunde war alles wieder okay – der Nagel war rausgezogen und der Reifen prall. Gut gelaunt ging’s dann endlich weiter in Richtung New Jersey Shore. Manchmal geht einfach einiges leichter, wenn man in gut gelaunte Gesichter schaut und die Leute nicht weggucken, sondern mit anpacken! Probiert es doch einfach mal in Deutschland aus: Fahrt zum Parkplatz des IKEA-Lagers, wo die Leute versuchen, die gekauften Möbel in ihre (zu kleinen) Autos zu hieven, und packt mit an. Ich garantiere euch, dass ihr sehr viele Menschen ziemlich glücklich macht und dann auch selbst gut …
Von schönen Händen und Füßen
Es gibt im Moment zwei Highlights hier: Das ist zum einen die gute Laune der Menschen, die freundlich grüßen, einen anlächeln, die Türe aufhalten und auch mal interessiert beim Smalltalk nachfragen, wo man denn herkommt. Zum anderen ist das die für mich neue Welt der „Nail Shoppes“ – Pediküre und Maniküre stehen hier für viele Frauen genauso auf dem Wochenplan wie Arbeiten gehen, Einkaufen, Kinder abholen … Ich kenne bisher nur wenige amerikanische Frauen persönlich, aber ich kann sie ziemlich treffsicher von Frauen anderer „Herkunft“ unterscheiden: Ihre Haare sind immer in Form, sie tragen eine große Sonnenbrille, haben weiße, absolut gerade Zähne und makellose Finger- und Fußnägel – zumindest die der weißen Mittelschicht, mit denen wir in New Jersey im Alltag am meisten zu tun haben. Wenn diese Komponenten stimmen, gibt es bei dem Rest, das heißt der Kleidung, relativ große Freiheiten: Viele Frauen laufen entweder in sweatpants und Fleecejacken oder aber in femininen Kleider herum. Jeans-Trägerinnen sehe ich dagegen kaum. Stimmt eins dieser Merkmale nicht, ist man (meist) eindeutig als Nicht-Inländerin identifiziert. Das bestätigte mir auch eine Finnin, die seit neun Jahren hier lebt und arbeitet. Ihrer 12-jährigen Tochter war langweilig auf unserem BBQ und sie wollte mit ihrer Freundin zur Maniküre und Pediküre gehen. Da sind meine Mutter und ich dann einfach spontan mitgegangen – ohne Termin rein in eins der unzähligen Studios, in denen sich sehr viele weiblichen Wesen (vom Teenager bis zur alten Frau) regelmäßig die Füße und Hände „machen“ lassen – auch ein sozialer Treffpunkt also. Nach einer Stunde mit Fußbädern, diversen Massagen und dem Lackieren waren wir fertig – eine durchaus entspannende Aktion zu erschwinglichem Preis (30 Dollar). Nagellack an den Fingern ist zwar nichts für mich, aber was die Füße angeht, könnte ich mich dran gewöhnen …
Deutschland, wir kommen!
Zurzeit freuen wir uns alle darauf, ein paar Wochen in Deutschland Luft holen zu können. Wir sind von Anfang Juli bis Mitte August in der Heimat und freuen uns sehr, viele unserer Freunde und die restliche Familie wiederzusehen – und endlich mal wieder mit ziemlicher Gewissheit in den nächsten Tag zu leben, ohne vor „Wände“ zu laufen. Wir freuen uns auf müde Kinder nach dem Schwimmen, Picknick-Pipi auf den Spielplätzen für die Kids nach Herzenslust und darauf, endlich mal wieder zu Fuß unterwegs zu sein. Unsere Kinder sind auch schon ganz aufgeregt und rasen seit zwei Tagen mit ihrem rollenden Handgepäck durch die Gegend …
Schon ganz gut paddelnd unterwegs
Warum ich das Haus nicht ohne mein TomTom verlasse und mich nur schwer an die „staying-at-home mom“ gewöhnen kann. Warum aber zum Glück die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der amerikanischen Leute einfach nur gute Laune machen. Bilanz nach sechs Monaten USA Vieles ist jetzt – im Juni/Juli 2010 – toll, vieles nicht. Ich ziehe den Hut vor allen Leuten, die ihre Heimat verlassen und sich woanders niederlassen – vor allem vor denen, die nicht Zugriff auf die Dinge hatten, die mir/uns hier das Leben am Anfang erleichterten und jetzt fester Bestandteil sind: Gleichgesinnte In unserer Gegend sind viele deutsche und europäische Firmen angesiedelt (z. B. BASF, Novartis …). Daher gibt es selbst bei uns in Morristown eine Menge deutsche Familien. Das Verrückte ist, dass man nur eine/einen Deutsche/Deutschen treffen muss, um – im Zeitalter von Mailing-Listen – auf einmal mit ganz vielen Leuten vernetzt zu sein, die alle in derselben Situation stecken. Ich war direkt im Januar bei einer „wine tasting“-Party eingeladen, und schwupps, schon hatte ich Gleichgesinnte gefunden und sofort ein soziales Netz. Von den Expats bekommt man Antworten auf die vielen größeren und kleinen Fragen, wie z. B. „Wie war das bei euch am Anfang?“, „Wie habt ihr eure Kinder beim Englischlernen unterstützt?“, Wo gibt es hier Leberwurst/gutes Brot/Quark/Würstchen?“, „Welcher Kinderarzt/Friseur/Kindergarten ist empfehlenswert?“, „Wie viel Geld muss ich für ein Geschenk bei einem Kindergeburtstag ausgeben?“ … Außerdem lernt man, dass man nicht die einzige ist, die manchmal gegen die unsichtbaren Wände knallt. Und dann kann man sich auch mal schön gemeinsam wundern. 🙂 Ich treffe übrigens immer wieder zufällig auf Deutsche, einfach weil sie sich an denselben Orten aufhalten wie ich mit unseren Kindern – zum Beispiel auf dem einzigen Spielplatz mit Sandkasten im Nachbarort Madison. Hier scharen sich die deutschen Frauen mit ihren Kleinkindern. Wer nur mit locals zu tun haben möchte, muss die Orte meiden, die die eigenen Kinder lieben.
Mein heißgeliebtes TomTom
Im Ausland Autofahren ist einfach anders. Auch wenn die Leute hier i. d. R. viel gelassener und wohlwollender fahren als deutsche Autofahrer/innen (Ausnahme: Trucks – komplett Irre), ist das schon öfter eine Herausforderung. Dazu kommt, dass mein „sense of direction“ miserabel ist und ich auf dem Rückweg von der Toilette im Restaurant schon mal verloren gehe 🙂 . Schlechte Voraussetzungen für einen kompletten Neustart in fremder Umgebung! Ohne Navi wäre das alles noch viel stressiger, und die Kids und ich kämen wohl oft hoffnungslos zu spät (wenn wir denn überhaupt ankämen). Daher bekenne ich offen: Nie wieder ohne mein TomTom! Internet: Kindergärten, Restaurants, Geschäfte, Sportmöglichkeiten … welch ein Segen, im Internet nachschauen zu können und einen Überblick zu bekommen. Wie viel mühsamer muss ein Quereinstieg mit einer Familie noch vor 20 Jahren gewesen sein! E-Mails: Ich telefoniere kaum mit Deutschland (Zeitverschiebung), dafür kann ich bequem abends E-Mails schreiben und dann am nächsten Morgen die Antworten lesen.
Negativ (nach 6 Monaten)
Aber trotz alldem: Es ist ein echter Kraftakt, eine Familie mit vier Kindern an einen anderen Ort in einem anderen Land zu „verpflanzen“, wo es ja schon zuhause ganz schön anstrengend war. Es ist nicht das eine „Problem“, das einen zum Wanken bringt, sondern es sind die Intensität und die Dichte der Dinge, die uns immer wieder an unsere Grenzen bringen: kulturelle Unterschiede (z. B. Konzept der preschool, überall Fernsehen in „Kinderbereichen“, „freizügiger“ Umgang mit Pestiziden), strukturelle Besonderheiten (lange Schule mit Hausaufgaben, lange Sommerferien), die Bedürfnisse und unterschiedlichen Reaktionen der Kinder (Theo (8) und Tim (6) schwimmen schon recht wacker, Ole (5) geht gerade unter …), meine Situation als „staying-at-home mom“ (ich war nie „ausschließlich“ nur Hausfrau und Mutter, ich vermisse meine Arbeit in der Schule, meine Schulkinder und muss mich dauernd umstellen) und Marcs Herausforderungen im privaten wie beruflichen Bereich. Dazu kommen dann noch die „Extra“-Dinge, die man wirklich nicht brauchen kann: Oles Unfall, Duaas Weggang, eine super nervige Waschmaschine (die weder sauber wäscht noch ordentlich schleudern kann 🙁 ) … Da kommt einem vor lauter Kämpfen manchmal die positive Einstellung abhanden (ganz zu schweigen von der Kraft) und wir haben mehr als einmal darüber gesprochen, das „Experiment“ abzubrechen und wieder nach Deutschland zu ziehen – aber dann müsste Marc wieder pendeln.
Positiv (nach 6 Monaten)
Aber nach einem „good night’s sleep“ sieht die Welt meist schon wieder anders aus und wir rappeln uns wieder hoch: Wir bleiben fürs Erste hier, denn wahrscheinlich liegt die härteste Zeit hinter uns und es gibt noch so viel zu entdecken, wozu uns bisher einfach die Zeit oder Kraft fehlte. Ich habe zum Beispiel bisher weniger von New York City gesehen als alle Wochenendtourist/innen, und es gibt noch so viele tolle Naturparks mit vielen Abenteuern für die Kids … Und schließlich sind wirklich viele positive Dinge passiert: Wir haben eine Menge sehr nette Leute getroffen, die Kids haben neue Freunde gefunden und plappern Englisch, die Sonne scheint hier fast jeden Tag 🙂 , die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit vieler Menschen machen einfach gute Laune – und meine schriftliche Arbeitsgenehmigung ist tatsächlich genau heute angekommen! Ich habe mich bei der Deutschen Schule von Morris County beworben und darf nun ganz offiziell ab September jeden Samstag Deutsch unterrichten – besser als nichts! Und „last but not least“: Wir sind windelfrei! Paul (3) hat es nach monatelangem „potty-training“ endlich geschafft. Seine Antwort auf unsere Frage nach „Erledigung seines Geschäfts“ „Bist du jetzt stolz?“ – „JAAAA!!!“. Wir nehmen uns also die viel beschriebene positive Lebenseinstellung der Amerikaner/innen zum Vorbild und machen weiter.