Schon bald laufen wir wieder mit

Endlich, endlich, nach der ersten Woche sind die meisten meiner „moms im Kopf“ wieder heimgeflogen (mit klarer Ansage an ihre Männer: „Hier ziehen wir nicht hin!!!“), und bald lassen sie mich ganz in Ruhe – gut so. Jetzt kann ich wieder ohne Stress laufen gehen – über alle Hundehaufen und Nacktschnecken hinweg. Wie schön flach es hier bei uns ist 🙂 . Ich betreibe fleißig Fundraising-Aktionen für meinen Marathon in der Umgebung (Kita, Schulfeste, private Feste) – darüber an anderer Stelle mehr. Theo und Tim gehen morgens noch für eine Woche alleine zur Schule, unsere Kinder sind jeden Tag zu Fuß unterwegs und stromern danach noch durch den Garten (ganz wie früher). Vor unserer Haustür werden die Stöckeberge mit jedem Streifzug der Kinder von Tag zu Tag größer, und Theo ist auch eigenständig zu seinen Freunden unterwegs. Man merkt ihm an, dass es ihm gut tut und er dadurch wächst, aber es ist auch ungewohnt, ihm so viele Freiheiten zu lassen. Ich bin selbst über meine Sorgen überrascht – vor eineinhalb Jahren war ich definitiv cooler, aber nach so langer „Totalüberwachung“ muss man sich da wohl erst langsam wieder herantasten. Wie das wohl erst in einem Jahr sein wird? Aber wir lassen uns den Spaß nicht verderben. Wir genießen die guten Kartoffeln, die leckere Wurst, den scharfen Senf, die „Süddeutsche“ und den Reistopf mit Fleischbällchen.   Vitoria tourt in ihrer freien Zeit durch Europa (Paris, London, Berlin etc.). Sie fragt sich, wie wohl der deutsche Winter so ist (wenn schon der Sommer so verregnet und kalt ist). Aber sie lässt sich weder vom Wetter noch von den unfreundlichen Busfahrern noch von den Deutschen (die ihr leider oft auf Englisch keine Auskunft geben können) aus der Fassung bringen und gehört ab jetzt endgültig fest mit zur Familie. Ich will nach Hause! Und nach fünf Wochen fragt Tim zum ersten Mal, wann wir wieder nach Amerika fahren. „Warum, willst du wieder zurück?“ Ja, Tim will – wegen der Spielzeuge, wie er sagt. Also kosten die Kids noch mal ausgiebig ihre Freunde aus, haben viele sleepovers und playdates, bevor es für sie dann …

Von hungrigen Bären, verrückten squirrels und Schildkröten mit Bolzenschnabel. Alles über supersichere Poolpartys mit und ohne Donner und das Phänomen Baseball. Und warum die Kids von Marcs neuem „Auto ohne Dach“ begeistert sind.   Endlich, endlich stehen hier alle Zeichen auf Sommer: Die Laubpuster röhren an allen sieben Wochentagen in den Vorgärten, morgens um neun Uhr sind es oft schon über 30 Grad, in den Fernsehern der Sportsbars und Restaurants laufen rund um die Uhr Baseballspiele (Live-Übertragungen!) und in den Geschäften bricht wie in jedem Jahr die Eiszeit aus. Und wieder mal wird eine neue Generation Amerikaner/innen mit entblößten Speckärmchen und -beinchen ganz nebenbei beim Einkauf abgehärtet 🙂 . Es ist so feucht, dass der frischgekaufte Kaugummi in meiner Tasche nach wenigen Tagen komplett mit dem Papier verklebt. Wie sagen die Leute hier immer so passend? „NJ summer – hazy, hot and humid“. Anfang Juni gibt es sogar einmal hitzefrei für die Jungs: „Early dismissal – HEAT – 6/9/11. Due to extreme weather conditions all schools will operate on a shortened day schedule tomorrow, Thursday, June 9.“

Alles mellow

Die Stimmung ist gut – mir macht die Hitze viel weniger aus als letztes Jahr, und unsere Spaziergänge nach der Schule sind ein absolutes Highlight. Das Leben vieler Familien findet jetzt auf den „porches“ statt, den etwas höher gelegenen Veranden vor der Haustür, ausgestattet mit Korbmöbeln und Pflanzen. Man grüßt sich – es gibt ja nur selten Zäune um die Gärten – man sieht viele Kinder auf den Spielplätzen, die Leute sind noch besser gelaunt als sonst, und hier und da gibt es eine spontane Einladung zum Eis im Garten der anderen Kinder, die zu Fuß gehen – alles sehr „mellow“, alle in Vorfreude – tut gut!

Man lernt nie aus

In der letzten Zeit gab es wieder einige Premieren: Wir wissen jetzt mehr über die Unterschiede zwischen amerikanischen und deutschen Freibädern („Poolparty für Drittklässler“), haben uns eine eigene Meinung zum Thema „Ist Baseball wirklich so schrecklich langweilig?“ gebildet („Baseballspiel bei den Yankees“) und sind ziemlich wilden Tieren begegnet, von denen einige auf den ersten Blick harmloser aussehen als sie sind, und einige wilder aussehen als gedacht. Außerdem weiß ich jetzt, wieso man in unserem Städtchen niemals in Hundekot von Blindenhunden treten wird („Seeing Eye Dog Tour“) und habe wieder mal dazugelernt, was die Amerikaner/innen unter „FUN“ verstehen.

Eiszeit!

Und um in der Hitze einen kühlen Kopf zu bewahren, geht es jetzt öfter zu „Friendlys“ (eine Restaurantkette hier an der Ostküste, wo es u. a. auch 22 verschiedene Eiscremesorten gibt in Form von Eisbechern, Milkshakes, Softeis und auch als Kugeleis) – da bekommt man für 1,20 Dollar zwei große Kugeln Eis – unser diesjähriger Sommerhit! Nach preschool und camp schreien die Kids oft laut im Auto danach – und klar, wir fahren dort vorbei und ich komme auch noch gut dabei weg, denn mit Automatik im Auto kann man selbst am Steuer das Eis-Essen genießen!

Urkunden und Abschlussfeiern

Die Schule geht Anfang Juni mit großen Schritten auf die Sommerferien zu: Erst gibt es noch den „Art and Science Fair“ an Theos (9) und Tims (7) Schule, und dann bringen die Kinder Unmengen diverser Wimpel in vielen Farben und Größen, Aufnäh-Abzeichen, „awards“ and „certificates“ mit nach Hause – hier gibt es einfach für jede Aktivität eine offizielle Urkunde. Theos „national physical fitness award“ ist sogar vom Präsidenten persönlich unterschrieben! Eins steht fest: So viele Urkunden, wie sie hier in eineinhalb Jahren gesammelt haben, werden die vier in Deutschland für den Rest ihrer Schulzeit nicht mehr zusammenbekommen. Für die Abschlussklassen an der Highschool finden in diesen Wochen die Prom Nights statt (die Abschlussfeiern, kennt man ja aus den Highschool-Filmen). Bei der Pediküre sind die „Graduations“ und die „Pre-Prom Nights“ bei den Moms jedenfalls großes Thema („Oh, I’m freaking out“ – O-Ton einer Mutter), und beim Frisör liegen Blättchen für „Prom Night Specials“ aus (Frisur und Schminken). Bei uns ist aber alles entspannt – wir schliddern langsam in den Sommer rein.

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Drittklässler-Poolparty

Theo hat „Poolparty“. Mit anderen Worten: Tagesausflug aller dritten Schuljahre seiner Schule zum Freibad. Die anderen Mütter und ich helfen beim Aufbau des Buffets. Ein amerikanischer Pool ist wie ein deutsches Freibad – aber nur auf den ersten Blick. Klarer Unterschied: Die große Anzahl von „Bademeistern“, hier „lifeguards“ genannt. Das sind meist Highschool-Kids, die wie Schiedsrichter/innen beim Tennis auf erhöhten Sitzen hocken und ihre Köpfe wie beim Ballwechsel rhythmisch hin und her bewegen, die rote Schwimmhilfe unter den Arm geklemmt und allzeit bereit, Leben zu retten. Hier geht niemand unbemerkt unter – im mittelgroßen Pool beobachten einen direkt 6 (ja, SECHS) lifeguards!!!   Probeschwimmen mit und ohne Donner Während die freiwilligen Mütter das Essen und die Getränke (Capri-Sonne, Wasser, Popcorn, Cracker, Melonen, Kuchen) organisieren, müssen die Kinder zunächst alle zum Vorschwimmen. Also: Ab in die lange, lange Schlange, und dann schwimmt ein Kind nach dem anderen eine Bahn vor. Die meisten schwimmen von astreinem Kraul bis hin zu wildem Freistil, jeder irgendwie anders. Theos Brustschwimmen kommt schon wieder nicht gut an, der Highschool-lifeguard stoppt ihn („no doggy style!“ – was soll das denn heißen?) und auch er muss nochmal zurück, bekommt noch eine Chance: Theo krault wild los, Wasser spritzt überall – na bitte, zufriedenes Nicken beim lifeguard – er hat bestanden. Ich bin platt: Was soll der Quatsch? Theo ist gut geschwommen beim ersten Mal und hat eindeutig gezeigt, dass er sich koordiniert über Wasser halten konnte – warum soll er dann in diesen doch ziemlich unkoordinierten Kraulstil wie die anderen verfallen? Nach bestandenem Test gibt es ein farbiges Bändchen ums Handgelenk – damit darf er ins tiefe Becken und auch von den Türmen springen. Übrigens gibt es sowohl im Pool als auch bei Fußballspielen draußen die Regel: Wenn es donnert, müssen alle für 30 Minuten aus dem Wasser raus. Die halbe-Stunden-Regel beginnt mit jedem Donnergrollen wieder von neuem und wird absolut pedantisch eingehalten. Nach dem Schwimmtest machen die Kids in den anschließenden Stunden wohl das, was auch deutsche Kids im Freibad machen: Sie quatschen, sitzen auf ihren Badehandtüchern, essen und spielen Ballspiele.

Elf Wochen – unendlich Zeit

Mitte Juni ist dann die Schule vorbei und es gibt Zeugnisse (report cards – alles im grünen Bereich bei uns). Ich muss meinen Alltag jetzt wieder für die nächsten elf Wochen umstellen, aber diesmal fällt es mir leichter. Unmut und Schock sind nicht so groß wie im vergangenen Jahr, und es ist schließlich auch schon wieder der letzte Sommer, den wir hier erleben. Da ist man dann schon milder gestimmt und genießt mehr als dass man schimpft. Zeugnis Theo Zeugnis Tim   Das öffentliche Leben „slows down“, die Cafés sind leerer, einige Geschäfte bleiben sonntags geschlossen. Und für viele geht es jetzt in die Sommerhäuser an der Küste, wo es nicht ganz so schwül ist. Die meisten Kinder werden von ihren Eltern wie immer in Sommercamps verfrachtet. Für Ole (5) und Paul (4) bezahlen wir für zwei Wochen Sportcamp à drei Stunden pro Tag beim YMCA knapp 1.000 Dollar – und das ist schon der reduzierte Preis für Mitglieder! Aber davon lassen wir uns die Laune nicht vermiesen …

Das Ferien-Leiden der amerikanischen Moms

Offensichtlich geht es mir diesmal besser als einigen amerikanischen Moms. Eine von ihnen, Samantha Bee, beschreibt sich in einem Artikel im WSJ als „Weary Tiger“ Mom, die schon nach zwei Wochen Ferien am Ende ihrer Kräfte ist: „We are 1,713 minutes in, and so far, I have never worked harder in my life. When is this vacation going to be over?“ Sie fragt sich, wieso im Sommer der Fokus inzwischen auf „enrichment activities and exercises“ liegt, und sie sagt ehrlich: „I just don´t have the energy to dig in and renovate my children into super-intelligent reading cyborgs for the first day of school. I can´t do any more rainy day activities with dry oatmeal in a cardboard box. (…) I simply can’t help but look forward to the fall.“ Ja, genau, immer schön Lesen üben und „fun-filled“ activities across the kitchen table (z. B. Buchstaben aus Nudeln formen) – das sind so die Ansprüche und Vorstellungen von einem gut gelungenen Sommer, zumindest bei (weißen) Mittelklassefamilien. Ohne mich!

Schreck am ersten Ferientag!

Am allerersten Ferientag von Ole und Paul bekommen wir direkt zwei Schrecken hintereinander! Schreck 1: Wir probieren einen neuen Spielplatz aus und treffen auf Morena. (Zur Erinnerung: Das ist unser verflossenes Au-pair und die hatte ich komplett verdrängt. Ihre neue Gastfamilie wohnt wohl in der Nähe des Spielplatzes. Sie hatte uns ja ziemlich in die Pfanne gehauen. Die Untersuchung der Au-pair-Agentur gegen uns ist inzwischen zwar eingestellt, weil einer unserer Gäste unserer Entlastungszeuge war – trotzdem, ich traue ihr keinen Meter über den Weg). Wie auch immer: Ole und Paul sind total aus dem Häuschen, freuen sich und kleben an ihr wie die Kletten. Sie sind etwas verwirrt, als Morena ihren neuen Schützling zu sich flötet: „Debbie, come here, sweetie.“ (Puh!) Ole und Paul weichen ihr jedoch nicht von der Seite. Hilflosigkeit auf meiner Seite. Die beiden Jungs nennen sie die ganze Zeit völlig arglos „Vitoria“! Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei: „It was so good to see you!“ (Morena), „same here“ (mehr bekomme ich nicht über die Lippen). Aufatmen, als wir endlich losfahren, und Dankbarkeit, dass wir jetzt Vitoria als Hilfe haben, straight und manchmal bockig, aber nie wieder high-maintenance Diva-Gebaren mit Zickenalarm. Diesen Spielplatz werden wir ab jetzt weiträumig umfahren! Schreck 2: Und als würde das nicht reichen, kommt uns auf dem Heimweg auf einmal ein Schwarzbär am Straßenrand entgegen „galoppiert“ (das kennt man ja aus dem Zoo, wenn das Fell so wackelt 🙂 ), und bevor wir den ersten Schreck überwunden haben und richtig gucken können, ist er dann auch schnell wieder im Dickicht verschwunden. Das war der Beweis! Es gibt sie hier wirklich! Paul ist begeistert: „Das war kein Mama-Bär, das war ein kleiner Bär!“ und macht danach Bärengeräusche. Ole hat Angst. Auf den doppelten Schreck (Morena und Bär) steuern wir den nächsten Eisladen an. Ole weigert sich, aus dem Auto auszusteigen, aber Paul beruhigt ihn: „Aber Ole, der Bär lief doch in die andere Richtung.“ Er hat ja recht, aber es ist trotzdem komisch. Mit einem „Blizzard of the Month: Brownie Butter“ und „Oreo Brownie Earthquake“ beruhigen Ole und ich unsere Nerven und sind …