Wie man sich auf Matsche freuen kann und vom Eis, das vom Himmel fiel. Warum der Postbote sein Lenkrad auf der falschen Seite hat und wie das Murmeltier sich irrte. Warum sich 111 Millionen Amerikaner/innen mit Begeisterung ansehen, wie erwachsene Männer in einem großen Haufen auf einem Football-Feld liegen und wie der berühmteste Übernachtungsgast Morristowns im Winter 1779 hieß.
GENUG von Schnee, Eis und Kälte!
Der Februar ist vorbei und der übereinstimmende Tenor bei uns allen ist: GENUG von Schnee, Eis und Kälte! Wir wollen Frühling mit Wärme! OHNE Schnee! Klar, das Gefühl kennen wir auch aus Deutschland, aber hier ist es eben noch ein bisschen stärker, weil die Einschränkungen des Winters deutlich größer sind. Die Kids werden langsam wirklich kirre (und ich deswegen eben auch), weil sie jetzt schon für so viele Wochen so viele Stunden drinnen verbringen müssen. Wir haben genug von Schneehosen, Mützen, Schals, Handschuhen, umständlichem Anziehen, Laufnasen, Erkältungen und diesem „den-ganzen-Tag-im-Haus-sein“. Wir waren oft genug diesen Monat beim Arzt – es reicht! Special: Ärztliche Behandlung in New Jersey Warum es lange dauert, bis man am Telefon einen Termin machen kann und wieso die Patient/innen hier „bitte obenrum freimachen“ nie zu hören bekommen. Und aus welchem Grund einem schließlich bei der Rechnung heftig die Ohren klingeln. Pillen und Putzmittel aus der Pharmacy Was man alles in einer amerikanischen Pharmacy kaufen kann, warum jedes Rezept 15 Minuten dauert und wieso Ohrenschmerzen richtig teuer werden können. Wir wollen Matsche! Vor allem für Ole (5) ist das eine wirklich lange Durststrecke ohne den sensorischen Input, den er eigentlich braucht – Linsenwanne, Knete und Kuchenteig kneten können eben keine richtige Erde oder den Sandkasten an der frischen Luft ersetzen. Wie dringend er das braucht, zeigte sich deutlich, als er eines Tages an einer Tankstelle plötzlich verschwunden war. Wir fanden ihn auf einem ziemlich ekligen (aber schneefreien!) Stück Erde, wo er selbstvergessen mit den Händen im Dreck wühlte und dabei alles um sich herum vergaß. Kurz: Es wird Zeit, dass der Frühling kommt und Erde, Matsche und Sand wieder überall frei verfügbar sind!
Fast alte Hasen statt Greenhorns
Die gute Nachricht ist, dass der Februar der erste Monat ist, den wir nun komplett zum zweiten Mal hier erleben – wir sind zwar noch keine „alten Hasen“, aber eben auch nicht mehr die totalen Greenhorns. Ab jetzt gibt es deutlich mehr Wiedererkennungswerte (so hoffe ich), die mir irgendwie ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit und Verwurzelung geben. Aber ich sollte mich vielleicht nicht zu sehr darauf verlassen, denn es gibt natürlich auch immer noch die üblichen Unwägbarkeiten des Alltags. Unser ursprünglicher Plan war, Paul (3) mal ein bisschen unter die Arme zu greifen, weil er in der preschool immer noch nicht redet. Doch dieser Plan wurde komplett vereitelt von den ganzen Überraschungen – guten wie schlechten, großen wie kleinen – die uns in diesem Monat überrollt haben und uns kaum eine Verschnaufpause ließen:
Eis, das vom Himmel fällt
Zunächst noch einmal zum Februar-Wetter (weniger überraschend, einfach nur nervig): Der Februar fängt so an, wie der Januar aufgehört hat: mit Schnee und – noch schlimmer – mit Eis. Direkt zu Beginn gibt es fiesen Eisregen – eine komplett neue Erfahrung für uns. Das ist kein Schnee und auch kein Hagel, sondern das sind winzig kleine Mini-Eiskristalle, die stundenlang vom Himmel regnen, wild vom Wind aufgepeitscht. Sie hören sich an wie Millionen von Stecknadeln, die auf den Boden fallen. Später wird der Eisregen zu Regen, aber bei eisigen Temperaturen. Bedeutet: Glatteis pur! So wird jeder Meter Fortbewegung zum Abenteuer, und es gibt natürlich wieder einen snow day für die Kids (den fünften dieses Jahr 🙁 ). Über Nacht hat sich alles draußen in eine Eis-Arena verwandelt: Die Kids können über den Schnee schliddern, weil eine mehrere Zentimeter dicke Eisschicht über der 40 Zentimeter dicken alten Schneeschicht liegt. Einen Schlitten brauchen sie nicht mehr – einfach auf den Popo setzen und los geht’s. Nach dem ersten Spaß aber ist dieses Eis einfach nur nervig. Es ist unvorstellbar hart, wie Beton, und man kann es nicht entfernen – selbst Spaten, Spitzhacke und eine Menge guter Willen und Kraft können da nichts ausrichten. Wem es schwerfällt, das zu glauben, der kann gerne nächstes Jahr vorbeikommen: Unser Gästezimmer ist zwar bis November fast komplett ausgebucht, aber die Wintermonate sind noch frei 🙂 . Schneebälle sind hart wie Stein, selbst kleine Eisbrocken auf der Straße sind so festgefroren, dass man sich eher den Zeh bricht, als das Ding auch nur einen Zentimeter zu bewegen. Das Schlimmste ist, dass die Kinder fast nirgendwo mehr draußen spielen können: Unser Trampolin biegt sich unter einer mehrere hundert Kilogramm schweren Schnee- und Eisschicht, der ganze Garten ist eine einzige Rutschbahn und die einzig eisfreien Orte – die Straßen – sind nun eben auch nicht gerade geeignet zum Spielen. Selbst ich, die die vier Kids sonst unnachgiebig bei jedem Wetter raussetzt, muss kapitulieren und bin schachmatt gesetzt – es gab genug Verletzte diesen Winter. Und außer Ausrutschen und sich-Wehtun ist nichts mehr drin. Die Folge dieses Extremwetters: Frust, bewegungsdurstige …
Hindernisparcour
Mit dem Auto muss man im Slalom um die unzähligen, teils mächtig tiefen Schlaglöcher fahren. Bei Nachtfahrten erlebt man hier jede Menge unschöne Überraschungen – es gibt jedes Mal einen lauten Rums, wenn die Karosserie auf den Boden aufsetzt und man durchgeschüttelt wird. Wer jetzt mit tiefliegenden Sportwagen fährt, ist selber schuld. Ab Mitte Februar gibt es dann zwar keinen neuen Schneefall mehr, aber das Eis liegt immer noch überall herum, obwohl seine Zeit eigentlich längst abgelaufen ist – das Gefühl teilen hier jedenfalls alle: Es ist überall nur noch schmutzig und hässlich. Das Eis ist wie Beton, blockiert Parkplätze, verhindert die Sicht an Kreuzungen und verengt Straßen und Bürgersteige. Aber die Leute gehen unbeirrbar praktisch damit um und wissen sich zu helfen: Mit gigantischen Eisfräsen brechen sie die Eisblöcke auf und transportieren sie mit Lastern ab. Tagelang arbeiten die Maschinen sich Stück für Stück durch die Straßen von Morristown und Madison, bis kein Eis mehr zu sehen ist. Vor unserer Einfahrt kommt leider keine Fräse vorbei und so droht uns unser Postbote, die Post nicht mehr auszuliefern. Er hat sein Lenkrad auf der „falschen“, der rechten Seite, fährt ganz nah an die Briefkästen heran und steckt die Post in die Mailboxen, ohne auszusteigen. Bei uns war dort allerdings noch eine 15 Zentimeter dicke Eisschicht, so dass er mit dem Auto nicht drankam. Wir hackten das Eis Stück für Stück weg – harte Arbeit und nur bei Tauwetter möglich. Selbst unser neuer Dauergast Martin (Marcs Cousin), „Fitnessstudio-gestählt“, kam dabei schnell an seine Grenzen.
Was vom Schnee übrig bleibt
Als der Schnee überall zu schmelzen beginnt, kommt vieles zum Vorschein, was von diversen Schneestürmen während der letzten zwei Monate zugedeckt wurde, bevor man es wegräumen konnte. Theo (8) kommentiert die große Schneeschmelze: „Boa, ist das hier aber alles dreckig!“ und er hat recht. Jede Menge Müll, verlorene Handschuhe, Spielzeug im Garten, Äste von den Winterstürmen, ausrangierte und vergilbte Weihnachtsbäume, Marcs Bluetooth Headset und sogar unser aufblasbarer Riesenweihnachtsmann, der Mitte Dezember zusammengesunken und dann am Boden festgefroren war, tauchen auf. Und siehe da: Ende Februar ist nach wochenlanger Schneeblockade endlich auch wieder der Weg zu unserer Haustür sichtbar und begehbar – lange Zeit ging es für alle ja nur durch die Garage rein und raus. Als die Rasenflächen endlich wieder zum Vorschein kommen, lassen sich unzählige, ziemlich abgemagerte squirrels auf ihnen nieder und futtern, futtern, futtern. Sie lassen sich von nichts erschrecken – perfekte Zeit, um Fotos zu machen! Endlich funktioniert auch ihre Tarnfarbe wieder – im Schnee waren sie ja doch sehr auffällig und die unzähligen Raubvögel hatten ein leichtes Spiel mit ihnen.
Schnee oder Sonne?
Wir sind übrigens nicht die einzigen, die die Nase voll vom Winter haben: Den Einheimischen geht es ähnlich. Das weiß ich von den Müttern, die ich jeden Tag beim Pick-up sehe: Alle stöhnen. Daher machen jetzt viele Leute Urlaub, auch wenn sie ihre Kinder für diese Zeit aus der Schule nehmen müssen. Es gibt zwei Destinationen, von denen man immer wieder hört: Entweder geht es nach Colorado zum Skifahren oder nach Florida zum Sonne tanken. Ich wüsste sofort, welches Ziel ICH auswählen würde 🙂 . Und wenn es für uns auch keinen Urlaub gibt, so dafür in der zweiten Hälfte vom Februar jede Menge „make-ups“. Keine Schminke fürs Gesicht, sondern viele, viele Nachholtermine für Veranstaltungen, die durch die diversen snow days ausgefallen sind – es knubbelt sich ziemlich und zieht sich bis in den März hinein.
Feiern, feiern, feiern.
Diese Feste im Februar durften wir nun schon zum zweiten Mal erleben. Und auf die konnten wir uns auch tatsächlich verlassen 🙂 : Am 2. Februar ist „Groundhog Day“: Der Tag, an dem ein Murmeltier – das sind ganz schön große Tiere übrigens, etwa wie eine Katze, nur viel dicker und plumper – in Pennsylvania bzw. Staten Island darüber Auskunft gibt, wann denn endlich der Frühling kommt. Dieses Brauchtum ist weiterhin aktuell, und Ole und Paul bringen in dieser Zeit diverse Versionen von Murmeltierbasteleien mit nach Hause. Die meisten haben eine „Pop-up-Funktion“ und zeigen den Moment, in dem das Murmeltier tatsächlich aus seiner Höhle kommt. Der Groundhog Day funktioniert so: Wenn das Murmeltier am 2. Februar aus seiner Höhle kommt, die Sonne scheint und es Angst vor seinem eigenen Schatten hat, zieht es sich wieder in die Höhle zurück. Das bedeutet, dass es noch mindestens sechs Wochen lang richtig kalt bleibt. Wenn das Murmeltier seinen Schatten aber nicht sieht, geht es nicht in seine Höhle zurück. Und demnach wird der Winter in den nächsten sechs Wochen spürbar milder. Dieses Jahr war am Groundhog-Tag super schlechtes Wetter. Murmeltier Chuck in Staten Island, begleitet vom NYC Bürgermeister Michael Bloomberg, hat also vorhergesagt, dass dieser harte Winter bald vorbei sein würde. Logischerweise hat es seinen Schatten nicht gesehen und ist nicht wieder nach drinnen geflohen. Auch Chucks Murmeltierrivale in Pennsylvania, Punxsutawney Phil hatte den baldigen Frühling vorhergesagt. Es war das erste Mal seit vielen Jahren, dass die Vorhersage so positiv war – aber als verlässlich erwies sie sich dennoch nicht: Bis auf einige wenige Lichtblicke gab es weiterhin kaltes Wetter und neue Schneeschauer.
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday
Am 6. Februar ist Super Bowl Sunday, der Tag des Meisterschaftsspiels der nationalen Footballliga. Für alle, die keine Ahnung von Football haben (wie ich bisher): Beim Football versucht man, einen elliptischen Ball hinter die Linie des Gegners zu bekommen. Alle Spieler tragen gigantische Schulterpolster und Helme – also nicht zu verwechseln mit Rugby. Ich hatte wirklich gar keine Ahnung, aber unser Gast Martin hat mir vor dem Fernseher im Schnellkurs die wichtigsten Dinge erklärt. Ich war überrascht: Ist doch gar nicht so langweilig, wie ich dachte. Im Gegenteil: Wenn man versteht, was passiert, sogar recht kurzweilig. Wirklich gewöhnungsbedürftig fand ich nur die Spielsituationen, wenn nicht klar ist, wer im Ballbesitz ist (weil sich zwei Spieler gerade darum streiten) und sich dann alle übrigen Spieler konzentrisch auf diese beiden draufstürzen und am Ende ein großer Haufen von übereinander gestapelten Männern auf dem Spielfeld liegt. Die Schiedsrichter wühlen sich dann auch noch da rein, um zu gucken, wer von den armen unten Liegenden den Ball nun tatsächlich hat – diese Szenen fand ich schon merkwürdig. Das Spiel wird immer unterbrochen, sobald der Spieler, der im Ballbesitz ist, zu Fall gebracht wird – von daher gibt es super viele Unterbrechungen (nicht wie im Fußball, wo der Ball auch schon mal einige Minuten im Spiel ist). Football passt richtig gut zu den Amis, wie ich finde: Von Null auf Hundert in einer Sekunde, dann mit voller Energie weiter und das Gleiche auch wieder rückwärts (von Hundert auf Null in einer Sekunde). Dieses Verhalten zeigen sie auch oft im Alltagsleben, was für Europäer/innen bzw. Deutsche oft gewöhnungsbedürftig ist. Wir sind eben eher die, die langsam anlaufen, aber dann mit großer Ausdauer „am Ball bleiben“ (ob beim Sport, bei Freundschaften oder beim Applaudieren nach Theater/Ballett). Aber das ist nur so mein ganz persönlicher Eindruck 😉 . Der Super Bowl Sunday ist ein fester Bestandteil der amerikanischen Kultur, ein Riesenfest hier für die Leute – an diesem Tag machen alle Party und die ganze Nation hängt vor dem Fernseher. Dieses Jahr waren es 111 Millionen – die größte Zuschauerquote, die je registriert wurde! Es gibt super …
Am 14. Februar ist Valentine’s Day
Am 14. Februar ist Valentine’s Day: Seit Wochen hängen überall rote Herzen herum und schon Ende Januar fand ich in den Rucksäcken und Lunchboxen aller vier Kinder „our Valentine´s Class List“. Das funktioniert hier nach dem Prinzip: Alle geben allen in ihrer Gruppe einen Valentinsgruß oder eine Karte, niemand darf außen vor bleiben. Da kommt dann natürlich eine ganze Menge zusammen. Dazu gibt es öfter kleine Geschenke wie Bleistifte, Tattoos, Radiergummis oder Ähnliches. Nur keine Schokolade – die ist strengstens verboten (entsprechend der „Lebensmittelrichtlinien“ in der Schule). Also, Theo (8), Tim (6), Ole (5) und Paul (3) schreiben jeweils 20 Karten für ihre Klassenkamerad/innen. Gottseidank gibt es die kleinen Valentine’s Faltkarten direkt in Klassenstärke zu kaufen, und pro Karte sind dann nur ein Name und eine Unterschrift fällig, wie praktisch. Mitte Februar bringt jedes der Kinder am Valentinstag eine dicke rote Tüte mit vielen kleinen Valentinskarten von der Schule bzw. preschool mit nach Hause. Schon gewusst? Was ist denn eigentlich der Valentinstag? Ich selbst habe mit dem Valentinstag nicht viel am Hut, aber die Kids hatten eine Menge Spaß mit den kleinen Kärtchen – von daher okay. Viele Leute hier regen sich aber ziemlich darüber auf, dass sie den Kids keine Süßigkeiten mehr mitgeben dürfen – guckt mal in die Lebensmittelrichtlinien des Schulbezirks unter Nr. 5 (Lebensmittelrichtlinien im Schulbezirk) Eine Mutter meinte zu mir: „It doesn’t make sense that you cannot give any sweets. Valentine’s Day is all about chocolate.“ Aber alles Jammern hilft nichts – die school nurse an der Schule wacht mit Argusauge, dass keine Süßigkeit ins Schulgebäude kommt. Wie auch immer, unsere Kids waren auch mit ihren „foodless“ Valentinskarten sehr happy und hatten Spaß beim Durchstöbern ihrer roten Herztüten. Schon gewusst? Was steht denn alles in den Lebensmittelrichtlinien (Nutrition Guidelines)? Special: Die school nurse Warum die school nurse hier fast ein Mädchen für alles ist und weshalb sie mir Gummibärchen weggenommen hat. Und: Warum wir ihr trotzdem dankbar sind, weil sie unsere Jungs für den Heimaturlaub vom Unterricht beurlaubt hat.