Warum der Oktober hier orange und zu Fuß zu laufen ein herrlicher Luxus ist. Von pumpkins und falschem Blut, schlecht schmeckenden Süßigkeiten und leeren „Bakterien“. Und warum Schilder und Beschwerden allgegenwärtig sind. Leuchtender Indian Summer im Oktober. Das Wetter und die Bäume sind im Moment einfach traumhaft schön – angenehme Temperaturen und wunderschön verfärbte Blätter in allen Gelb-Orange- und Rottönen.
Bunt. Bunter. Am buntesten.
Wir haben diesen Monat den Indian Summer in vollen Zügen genossen. Also, solltet ihr überlegen, eine Reise an die Ostküste zu machen, kann ich euch den September/Oktober nur empfehlen: Angenehme Temperaturen und einfach wunderschön verfärbte Bäume, die in Gelb, Orange und Rot leuchten. Wenn man nicht wüsste, dass sie echt sind, könnte man glatt glauben, dass da jemand nachgeholfen hat. Im Gegensatz zu Deutschland behalten hier die Bäume ihre farbigen Blätter noch für viele Wochen – ich konnte mich gar nicht satt dran sehen. Das Blättersammeln weckt Glücksgefühle wie beim Muschelnsammeln, denn eins ist schöner als das andere und hinterher hat man viele kleine Schätze. Mein Tipp: Kommt einfach selber gucken! Laub. Mehr Laub. Noch mehr Laub. Nicht so schön ist der Lärm von den Laubgebläsen, die jetzt allgegenwärtig das Laub auf dem Boden zusammenpusten. An den Straßenrändern liegen riesige Haufen mit braunen Blättern – bei mir kommen schon die Erinnerungen an den Schnee hoch, der ja ebenfalls bald wieder an den Straßenrändern aufgekippt wird und die Straßen enger macht. Manchmal muss man einfach durch die mannshohen Laubberge stapfen, um auf die andere Seite zu kommen – ähnlich wie beim Schnee. Stare und noch mal Stare. Immer wieder beobachten wir Stare, die in großen Schwärmen aufsteigen, um sich dann wieder alle gemeinsam über einen Rasen herzumachen und Würmer zu picken. Wenn ihre Schatten an den Bäumen vorbeihuschen, erinnert das eher an Fledermausschwärme: Sie tauchen völlig überraschend auf, dafür aber in wirklich unvorstellbar großen Mengen, und lassen sich dann unvorhersehbar alle gleichzeitig nieder – beeindruckend und auch ein bisschen beängstigend. Wenn man mit dem Auto in so einen Schwarm gerät, muss man schon auf die Bremse treten.
Erwarte das Unerwartete
Dieser Monat lief glatt – wir bekommen immer mehr Routine in unserem Alltagsleben. Da hilft wohl die Erkenntnis: Zu unserem Leben scheinen jetzt andere Probleme zu gehören als wir sie zuhause hatten, aber daran haben wir uns inzwischen gewöhnt. Gleiches gilt für die „cultural clashes“, die uns immer noch erstaunen, aber nicht mehr so weh tun. Die Einstellung „expect the unexpected“ ist sehr hilfreich und darin haben wir inzwischen Übung. Bevor wir von unsern Kürbiserlebnissen, Halloween und Marcs „sexual harassment“- Erfahrungen erzählen, zuerst ein kurzer Einblick, was bei uns in der Familie so los war: +++ FAMILY NEWSFLASH +++ Back to normal Nach so einem Umzug, zumal in ein anderes Land, müssen sich alle zuerst mal neu orientieren und wieder Tritt fassen. Da ist klar, dass man den Kindern, die auch so einiges „durchmachen“, einige Eingewöhnungs“zicken“ zugesteht und entsprechend rücksichtsvoll und nachsichtig bzw. recht großzügig mit Motivationsgeschenken ist. Das machen hier alle Expats durch. Bei uns ist diese „Schonfrist“ der Übergangszeit für die Kinder nun vorbei – es ist wieder Normalität eingekehrt – mit allem, was dazugehört: Küchendienst, genaue Aufgabenaufteilung, Konsequenzen bei Nichterfüllung. Und siehe da: Alle Kinder akzeptieren es und wir sind wieder einen Schritt näher an einem normalen Alltagsleben, wie wir es von Deutschland kennen.
Endlich wieder laufen
Was unseren Alltag angeht, gibt es noch eine Neuerung: Ich bin es soooo satt, soviel Zeit im Auto zu sitzen und ich möchte mit allen Mitteln verhindern, dass unsere Kinder sich die amerikanische Einstellung zum Thema Fortbewegung zueigen machen (z. B. mit dem Auto von Tür zu Tür, bloß keinen Schritt zuviel, siehe bus stop-Konflikt s. u. mit den Nachbarn). Daher dürfen jetzt alle vier Kinder nach der preschool bzw. nach der Schule ein Stück zu Fuß gehen. Da der Weg nach Hause viel zu weit ist, parke ich einfach ein Stück von den Schulen entfernt und gehe den Rest zu Fuß – hört sich vielleicht komisch an, aber mittlerweile haben wir damit auch schon Routine. Oles (5) und Pauls (3) preschool liegt direkt neben der Bahnlinie mit einem autofreien Erholungsweg daneben, der wunderbar geeignet ist für’s Laufrad, Roller und Fahrradfahren. Bei Theo (8) und Tim (6) führt der Weg eher durch die Stadt bzw. das Wohngebiet, aber auch dort tut es gut, endlich einmal Leute auf ihren Verandas (porches) zu sehen und zu erleben. Und auch wenn ich oft zunächst eine meuternde Horde hinter mir habe, kommt nach einigen Metern meist bessere Stimmung auf, wir kommen ins Plaudern und die Kinder entspannen sich. Für mich ist das Laufen wieder ein bisschen Heimat.
Man sieht viel mehr
Auf unseren Touren zu Fuß konnten wir dann auch schon einige nette Begegnungen erleben: Wir haben mit einer Señora geplaudert, die gerade Petersilie im Garten erntete (aha, es gibt also doch Biogemüse im Vorgarten hier), wir haben einen Zimmermann interviewt, der ein 120 Jahre altes Holzhaus reparierte (welches bedenklich schief war, aber der Handwerker erklärte uns, dass sie bei „Schrägstellungen“ die entsprechenden Löcher – bis zu fünf Zentimeter – einfach mit Holzkeilen unterstützen und so dem Haus wieder Stabilität geben), wir haben viele Kinder und Jugendliche gesehen, die auf den Spielplätzen Ball spielen – und last but not least, die sehr gute Pizzeria „El Suvio“ entdeckt, wo ich mit Theo und Tim jetzt jeden Freitag nach der Schule Pizza essen gehe. Und siehe da, ganz von selbst machen unsere Kinder wieder die Dinge, die sie auch in Deutschland gemacht haben: Stöcke, Steine und Blätter sammeln, im Dreck spielen, Tiere entdecken wie eine Katze mit Jungem im Maul, einen Adler, der eine Schlange schlägt, ein Kaninchen, das man sehr selten hier sieht (jetzt legen wir jeden Tag eine Möhre dort ab).
Gefahr beim Straßenüberqueren
Und es ist uns noch ein Licht aufgegangen: Im Stadtkern von Morristown ist das Überqueren von Ampeln kein Problem, auch für Kinder nicht. Die Autofahrer sind aufmerksam, es gibt meist nur eine Geradeausspur und alle fahren eh langsam. Anders sieht es außerhalb aus, in Richtung von Theos Schule. Dort ist das Überqueren von Ampeln als Fußgänger/in tatsächlich nicht ohne bzw. für Kinder ganz schön gefährlich. Zum einen fahren die Autos oft sehr zügig (also über den erlaubten 25 Meilen/Stunde), rechnen in diesem Teil der Stadt dann auch nicht mit Fußgänger/innen und passen daher weniger auf. Zweitens dürfen die Autos hier auch bei roter Ampel rechts abbiegen. Das führt dazu, dass der Weg, den man als Fußgänger/in an einer Ampel zurücklegt, von drei Seiten durchquert werden kann (rechts- und linksabbiegende Autos der parallel fahrenden Autos (wie in Deutschland), aber eben auch Wagen von der in Deutschland sicheren Seite (einmündende Straße). Und da bei Rot oft dicke Autos und Trucks an der Kreuzung warten (zum Geradeausfahren und Linksabbiegen), haben die Rot-Rechtsabbiegenden Leute in der Spur daneben dann eine sehr schlechte Sicht (nach links) und fahren einfach bis zur Sichtlinie vor – tja und da sind eben wir, die zu Fuß unterwegs sind. Also: Alleine dürfen Theo und Tim an ihrer Schule nicht über die Ampel gehen! Ich muss schon alle meine Sinne offenhalten und für die Autos mitdenken, dann ist es o.k. Das Laufen hat nur Vorteile für uns: Wir bewegen uns, sind draußen an der Luft, können einen Bogen um die gefährlichen Parkplätze machen und bekommen leichter Kontakt zu den Leuten hier. Ich hoffe, das Wetter bzw. der Schnee machen uns nicht zu schnell einen Strich durch diese schöne Rechnung.
Sand und Stress
Ole macht sich weiterhin gut. Sein Englisch wird immer besser und er fasst jeden Tag mehr Vertrauen in seine Umgebung. Die Routine hilft ihm sehr. Es gibt sogar endlich Sand auf dem Spielplatz in seiner preschool. Das hat zwar gar nichts mit einem deutschen Sandkastenerlebnis zu tun, aber immerhin bemühen sie sich. Eine Lehrerin ist jetzt immer abgeordnet, um bei den Sandschalen für Ordnung zu sorgen (viele Kids, wenig Sand = Stress). Unglaublich, wieviel Aufruhr zwei Eimer Sand in einem amerikanischen Kindergarten auslösen können. Am wirklich deutschen Sandkasten in unserem eigenen Garten (wo unsere vier Jungs mindestens zwei Stunden brauchen werden, um ihn ein Mal umzugraben) arbeiten wir weiter (schwierig, schwierig, jemanden zu finden, der uns eine große Ladung Sand in den Garten kippt).
Special-needs-Sport
Marc erzählt: Ich gehe jetzt alle zwei Wochen mit Ole zum Sport. Wir haben hier in Morristown eine offene, kostenlose Sportstunde gefunden, bei der Kinder mit Special Needs einen Buddy zugeteilt bekommen, mit dem sie dann eine Stunde lang Sport treiben. Die Buddys sind Teenager, die sich dort ehrenamtlich engagieren. Das ist eine tolle Sache, denn Ole liebt Bewegung. Er spielt Fußball oder läuft und genießt die exklusive Zeit. Danach ist er viel ausgeglichener und absolut happy. Manchmal lasse ich dann den Blackberry bewusst im Auto und schalte auch einfach mal eine Stunde am Rand des Spielfeldes ab 🙂 . SNAP Matt Certner hat mit 13 Jahren SNAP (Special Needs Athletics Programs) ins Leben gerufen, um seinem autistischen Nachbarn zu helfen, weiterhin Sport zu machen. Ich finde das wirklich imposant, denn bei den ganzen Gesetzen, die die hier haben, kann man sich vorstellen, wie viele Hürden da zu überwinden waren. Matt’s Tipp für Nachahmer/innen: „Dont’ take ‚No‘ for an answer.“ Hut ab – denn ein amerikanisches „No“ ist nach meinen bisherigen Erfahrungen noch viel stärker als ein deutsches „Nein“.
Pumpkins
Zur Einstimmung ein Gedicht, das Tim auswendig lernen musste: Pumpkin Pumpkin, pumpkin Big and round I’m glad you grow Upon the ground I’m glad you don’t Grow in a tree, For then you might Fall down on me. Was im September anfing, erreicht im Oktober seinen Höhepunkt: die pumpkin-Saison. Egal ob Schule, öffentliches Leben oder eigenes Haus – um Kürbisse kommt niemand herum. Man sieht sie überall zur Dekoration (in den Geschäften, in den Vorgärten), es gibt besonders viele Gerichte mit Kürbis, und in den Cafés gibt’s Kürbiskaffee zu trinken („Pumpkin Spice Latte“ oder “Pumpkin Chai “). Da ich keinen Kaffee trinke, kann ich leider nicht sagen, wie der schmeckt. Der Kürbiskäse mit Zimt schmeckt für mich jedenfalls eher gewöhnungsbedürftig. Und in der Schule gibt es den „pumpkin science day“, wo die Kinder Kürbisse messen, wiegen, aushöhlen usw.
Hilfe, Biss-Spuren!
Selbst wir zuhause besitzen jetzt eine stolze Sammlung von 16 Exemplaren, um die es schon ein kleines Drama gab. Die Kinder hatten den Kürbissen zunächst Gesichter gemalt, und ich hatte sie dann nach dem Vorbild vieler Nachbarsfamilien zur Dekoration vor die Haustür gestellt. Eines Morgens gab es fürchterliches Geschrei und Tränen, als die Kinder Biss-Spuren und geknabberte Löcher an ihren Kürbissen entdeckten. Das waren wohl die squirrels oder Streifenhörnchen, die sich da bedient hatten. Die anderen Familien haben mir dann ihre Tricks verraten: Haarspray draufsprühen oder den Kürbis in Bleichmittel oder einem Aufguss von roten Pfefferkörnern baden. Vicks VapoRub soll auch gut funktionieren. Die Kinder waren von all dem nicht überzeugt und so sitzen unsere Kürbisse jetzt wieder bei uns im Haus, sicher und mit Knetgummi und Pflaster repariert.