Über die magische Elf, Sommercamps und Hitze. Von Oles Unfall und unseren ersten Erfahrungen im Emergency Room. Wie uns hilfsbereite Amerikaner/innen in schwierigen Situationen aus der Patsche helfen, und warum ein amerikanischer Kindergeburtstag kein fröhlicher, improvisierter Nachmittag ist, sondern ein zweistündiges, streng durchgetaktetes und etwas fantasieloses Event.
Die magische Elf
Bei uns hat eine neue Ära angefangen: Alle fragen einen jetzt: „What are you guys doing over the summer?“ Das heißt dann soviel wie: „Was tut ihr in den nächsten drei Monaten?“ Der amerikanische Sommer fängt am Memorial Day (Ende Mai) an und geht bis Labor Day (Anfang September). Es gibt ab Mai sogar extra „Sommer-Kalender“, die von Juni 2010 bis August 2011 gehen. In dieser Zeit gelten andere Gesetze, denn die Schule ist vorbei und die Kids haben 11 – in Worten „ELF!“ – Wochen frei. Schulbusse haben ebenso lange Ferien. Ole (4) und Paul (3) haben sogar noch zwei Wochen länger preschool-frei. Das alles stellt nicht nur unser Leben auf den Kopf, sondern ist auch eine Herausforderung für viele andere amerikanische Familien hier. Die Zauberworte in diesem Zusammenhang sind „Pool“ oder „summercamp“. Fast alle Familien werden also Mitglied in einem der örtlichen Freibäder (für mehrere hundert Dollar). Heißt: Die Kinder springen morgens in ihre Badesachen und verbringen den Tag am Pool, sprich Freibad. Das macht hier (fast) jeder – ich könnte mir das allerdings mit unseren Vieren nicht so gut vorstellen. Je nachdem, wie weit man vom Pool wegwohnt, zahlt man zwischen 350 und 500 Dollar für die Familienmitgliedschaft.
Fourth of July
Am 4. Juli feiert ganz Amerika den Unabhängigkeitstag – daher schießen hier im Moment auch überall die amerikanischen Flaggen aus dem Boden wie Blumen. Wenn man nicht mehr sicher ist, was hier so alles gefeiert wird, dann kann man einfach einen Blick auf die Parkuhren in Morristown werfen – dort steht, wann man NICHT zahlen muss, sprich welche „Parkuhr-Feiertage“ (meter holidays) es hier gibt: Neujahr (1. Januar) Memorial Day (Ende Mai) 4. Juli (Unabhängigkeitstag) Labour Day (Anfang September) Thanksgiving Day (Ende November) 25. Dezember Offiziell gibt es insgesamt zehn Feiertage in den USA, also noch vier weitere: Martin Luther King Day (Januar) Presidents‘ Day (Februar) Columbus Day (Oktober) Veterans Day (11. November) Die allermeisten dieser Tage haben geschichtliche oder gesellschaftliche Hintergründe. Aber Vorsicht – Feiertage für den öffentlichen Dienst hier sind nicht generell für alle arbeitsfrei, das hängt vom Vertrag ab. Eins ist aber auf jeden Fall sicher – es gibt weniger bezahlte Feiertage als in Deutschland.
Camp-Ferien (Summercamp)
Wenn beide Eltern arbeiten müssen, gehen die Kinder in ein „summercamp“, was etwa einer deutschen Ferienfreizeit entspricht. Die „Animateure“ halten die Kids zwischen einer und zwölf Stunde(n) am Tag mit den verschiedensten „Camps“ bei Laune: Sportcamp, Musikcamp, YMCA-Camp, Adventurecamp und viele andere mehr. Unser Nachbarsjunge Drake (8 Jahre) ist letzte Woche für neun Wochen in die Apalachen gefahren (ein bewaldetes Mittelgebirge im Osten) und kommt Anfang September zurück – so einfach geht das hier. Die Preise für solche Camps verschlagen einem allerdings den Atem – zwischen 100 bis über 1.000 Dollar für eine Woche Day-Camp muss man hinblättern!
Wasser und Kühlung marsch!
Auch die Hitze hat jetzt noch einmal zugelegt – das Thermometer in Morristown zeigt 101 Grad Fahrenheit, also über 38 Grad. Tagsüber kann man sich eigentlich nur im klimatisierten Haus oder im Wasser aufhalten. Da überall die Klimaanlagen laufen, kommt es wegen Netzüberlastung immer wieder zu Stromausfällen. In den letzten Tagen gab’s Temperaturen über 100 Grad Fahrenheit (knapp unter 40 Grad Celsius)! Das Erschlagende ist oft die Luftfeuchte – mir beschlägt manchmal die Brille, wenn ich aus klimatisierten Räumen (gefühlte Kühlschranktemperatur) nach draußen gehe. Joggen fällt bei diesem Wetter im Moment leider für mich flach, da ich sonst fast explodiere. Es gibt aber immer noch einige Sportler/innen (Verrückte?), die sich in der prallen Mittagssonne quälen. Die Rasenflächen werden langsam gelblich-bräunlich und das Bewässern des Gartens ist in einigen Landkreisen schon wegen Wassermangels verboten. Die Formel „Sommerzeit gleich Urlaubszeit“ scheint hier übrigens nicht zu stimmen: Zu meiner Überraschung winken viele Leute ab, wenn man sie nach ihrem Urlaubsziel fragt – viele nehmen ihren Familienurlaub einfach irgendwann anders im Jahr, wenn keine Schulferien sind (da sind die Schulen sehr kulant). Einige haben allerdings auch irgendwo ein „summer house“, in dem sie den Sommer verbringen – zum Beispiel an der Küste, um dem schwülen Klima hier zu entkommen.
Nix mit Routine
Unsere Routine vom Mai ist leider wieder dahin. Unser Leben stand im Juni und Juli ziemlich Kopf: Ole hat sich das Handgelenk gebrochen (die Erfahrungen in der Notfallaufnahme waren nicht die besten) und der Schreck sitzt uns allen noch in den Knochen. Wir hatten aber auch einige Feiern (zwei Kindergeburtstage, eine Sommerparty) und sind inzwischen um einiges klüger, was amerikanische Partyregeln angeht. Die Kinder haben ihr erstes Schul(halb)jahr beendet, es gab Zeugnisse (report card) und sie standen mit ihren Klassen auf der Bühne. Und unsere Hilfe, Duaa, ist wieder weg. Hals-über-Kopf. Bumms. Trotz der unruhigen Zeiten gab es zwei absolute Highlights (gute Laune und schöne Füße), an denen ich mich hochziehen kann. Und wir sind jetzt ein knappes halbes Jahr hier – Zeit für eine zweite Bilanz (auch hier später mehr).
Zeugnisse auf Amerikanisch
Theo (8) und Tim (6) bringen Zeugnisse mit nach Hause. Wir sind total erstaunt, weil sie so komplett anders sind als die in Deutschland – keine einzige Note, super detailliert werden die Fertigkeiten/Kompetenzen in jedem Fach heruntergebrochen und dann beurteilt. WAHNSINN – was für eine Arbeit für die Lehrkräfte. Am Ende gibt es noch einen Bericht von den Klassenlehrer/innen. Wer Interesse hat – guckt es euch mal an – aber macht euch einen Tee, denn es könnte länger dauern. 🙂 Zeugnis Theo Zeugnis Tim
Ein blaues Wunder zum Abkühlen
Marc kauft für uns alle einen riesigen, 12 feet swimming pool (etwa 3,7 Meter Durchmesser) für den Garten. Er sieht für deutsche Verhältnisse übertrieben aus, hilft aber, sich bei der Hitze abzukühlen und wieder klar im Kopf zu sein. Und für die Kids bedeutet er endlich wieder ein willkommenes Wasservergnügen nach fünf langen Monaten „Enthaltsamkeit“ – denn es gibt hier keine öffentlichen Hallenbäder.
Glühwürmchentheater
Tim (6) hat sein school play „BUGZ“ (frei übersetzt “Krabbelgetier“): Er spielt eine fire fly (ein Glühwürmchen). Das anschließende Blitzlichtgewitter und das gekonnte, profihafte Posieren der amerikanischen Kinder (manche sind gerade mal fünf Jahre alt!) vor den Kameras ihrer Eltern sind beeindruckend – wo lernen die das nur? Theo wird acht und spielt einen Soldaten An seinem Geburstag feiert Theo morgens mit Freunden seine Star-Wars-Party, nachmittags gibt es ein großes Sommerfest mit unseren neuen Bekannten im Garten („backyard“ sagt man hier). Ein paar Tage später hat er sein school play „Historical nonsense“: Er spielt einen Soldaten der amerikanischen Armee im Unabhängigkeitskrieg, die unter der Führung von George Washington den harten Winter von 1779/80 in Morristown ausgeharrt hat. Und: Er spricht seinen Teil glasklar und flüssig – echt toll!
Oma statt Duaa
Oma Karin kommt zu Besuch und packt ganz kräftig mit an. Zum Glück! Denn Duaa hat uns Hals-über-Kopf wieder verlassen. Danke an Oma Karin! Und dann noch zwei Unfälle und viele Abschiede Tim (6) läuft beim Herumtoben gegen eine Tür und muss an der Augenbraue genäht werden. Ole (4) fällt die Treppe runter, bricht sich das Handgelenk und zieht sich eine dicke Platzwunde am Kinn zu. Was dann auf uns zukam, lest ihr bei „Hilfe! Emergency Room!“