Ich bin sehr froh, dass sich die Familiensituation wieder etwas eingependelt hat. Viele der Maßnahmen der vergangenen Wochen greifen. Und alle scheinen endlich mehr in sich zu ruhen, obwohl das Leben immer noch ein wahnsinniges Tempo aufweist. In manchen Wochen habe ich so viel gearbeitet, dass ich mehrfach erst um drei Uhr in der Früh aus dem Büro gekommen bin, NACHDEM ich mit meinen Kollegen in Europa telefoniert hatte, die gerade den zweiten Kaffee klargemacht haben. Am Wochenende war es meistens ruhiger, aber ich habe dann so viel Schlaf nachgeholt wie ich nur konnte …
Recht
Britta bat mich, auch etwas zum Thema Vertragswesen zu schreiben (Juristen mögen mir die laienhafte Darstellung verzeihen): Anders als in Deutschland, wo die Eckpfeiler des Rechts in den Gesetzestexten absolut festgeschrieben werden, wird hier im Angelsächsischen vieles auf vorangegangene Rechtsprechungen zurückgeführt (Präzedenzfälle). Um in diesem Chaos für Ordnung zu sorgen, werden in den Verträgen extrem viele Details explizit geregelt. Als Konsequenz sind die Verträge oft sehr lang und ausführlich (40+ Seiten für einen einfachen Dienstleistungsvertrag sind keine Seltenheit, wobei die längsten Passagen den Themen Haftung und Haftungsfreistellung sowie Schadensersatz und geistiges Eigentum (IPR – internationales Privatrecht) gewidmet sind. Das führt dann auch dazu, dass man beim einfachen Mieten eines Kanus auf dem Delaware River an ca. zehn Stellen seine Initialen auf den Vertrag setzen muss, bevor man dann unten vollständig unterschreibt. Auf diese Weise gehen sie auf Nummer sicher, dass man bestimmte Passagen zur Kenntnis genommen hat und den Veranstalter nicht verklagen kann. Diese Angst vor Haftung sorgt auch dafür, dass die Betreuerinnen in der preschool NIE alleine mit den Kindern auf der Toilette sein dürfen, denn im Falle einer Klage wegen „sexual harassment“ stünde Aussage gegen Aussage. Ich habe da gerade selbst erste Erfahrungen mit dem US-Recht machen dürfen („In the US, anybody can sue anybody on anything“), doch auch dazu mehr im Oktoberbrief.
Ein Sommer (fast) ohne Atempause
Marc erzählt: Der Sommer in Morristown war extrem ereignisreich und überhaupt nicht langweilig. Nachdem ich Britta mit allen Jungs nach Deutschland gebracht hatte, habe ich mich auf zwei etwas ruhigere Wochen alleine in den USA gefreut. Allerdings gab es dann in dieser Zeit bei P3 so viel zu tun, dass ich quasi durchgearbeitet habe. In der ersten Woche war wahnsinnig viel in New Jersey los, in der zweiten Woche war ich drei Tage an der Westküste unterwegs und habe mich mit Kunden getroffen. Wenn ich nicht gearbeitet habe, gab es die lange Liste der Dinge zu bearbeiten, die wir als Familie hier in Morristown in Angriff nehmen wollten, um die Situation besser in den Griff zu bekommen. Anfang August habe ich Theo und Tim in Deutschland abgeholt und mit den Jungs zunächst drei Wochen in Morristown verbracht. Die ersten zwei Wochen waren die beiden vormittags im summercamp, nachmittags hat mir unser Babysitter Judith oft geholfen. Danach habe ich mich eine Woche lang nur um die Vorbereitung der Rückkehr von Britta, Ole und Paul gekümmert. Dazu gehörte die neue Waschmaschine, das Gespräch mit der preschool, ein Roller für Ole, das Organisieren einer Putzhilfe und vieles mehr. Alles in allem ein Sommer ohne Atempause. Und zu allem Überfluss ist dann bei einem Sturm auch noch ein Baum direkt neben unserem Haus umgekippt….
Neuigkeiten von P3
Marc erzählt: Bei mir wird es leider noch nicht besser – ich fliege nach Ost und nach West und hänge zwischen den Zeitzonen. Meine neue Assistentin ist nach nur wenigen Wochen komplett abgetaucht (im wahrsten Sinne des Wortes, denn niemand weiß, wo sie steckt!), daher muss ich mein Backoffice auch wieder selbst organisieren – Zeitfresser! Seit einer Woche gibt es den ersten Messwagen: Bisher haben wir alle Projekte immer mit Leihwagen abgewickelt, aber jetzt haben wir ein Projekt, bei dem eine riesige Antenne auf das Fahrzeug montiert werden muss. Also haben wir für nur 18.000 USD einen Ford E350 mit 5-Liter-Motor gekauft. In den 12-Sitzer passt alle Elektronik und die Antenne lässt sich einfach montieren. Es macht tierisch Spaß, das Teil zu fahren, aber der Wagen schluckt auch Sprit ohne Ende. 15-Stunden-Tage Bei P3 communicaions Inc. durften wir in den letzten beiden Monaten viele Erfolge feiern. Wir haben zahlreiche neue Aufträge bekommen, die hohe Arbeitslast der Akquise ist inzwischen ersetzt worden durch die noch höhere Last des Personalaufbaus und der Lieferung all dieser Projekte an die Kunden. Wir stellen ein wie verrückt, und alle arbeiten 12-15 Stunden pro Tag, oft länger. Ich fürchte, dass das auch noch eine Weile anhält, bis unser Personal hinreichend gewachsen ist. Aber genau dafür sind wir ja angetreten und das ist der Preis für den Erfolg. Auch die nächsten Monate werden daher sehr, sehr arbeitsreich! Kreatives Chaos Ich mag dieses kreative Chaos: Es gibt super viel zu tun, aber man kann die Veränderungen sofort sehen. An einem Freitag hatte ich die Idee, wie man die Mobilfunkfrequenzen in einer Stadt wie New York besser nutzen könnte. Ich habe überlegt, wie ich daraus eine Dienstleistung machen könnte, die man verkaufen könnte und habe eine E-Mail an einen Kontakt bei AT&T geschrieben, der im Nachbargebäude sitzt und für New York zuständig ist. Ich habe genau den richtigen Nerv getoffen, denn am Montag hatten wir ein erstes Meeting bei ihm und kurze Zeit später haben wir diese Leistungen für AT&T und andere Betreiber quer durch die USA erbracht. Das Problem: Nach dem ersten „Proof of Concept“ benötigt man Mitarbeiterinnen …
P3 in den USA
Marc erzählt: Britta hat mir erzählt, dass es vielleicht auch erwähnenswert ist, wie sich das Geschäftsleben in den USA vom Business in Deutschland unterscheidet. Nachdem ich im letzten Jahr wochenweise gependelt bin und die Grundlagen gelegt habe, sind wir jetzt seit Ende Januar wirklich „feet on the ground“, also nach ziemlich genau drei Monaten. In dieser Zeit haben wir ein heftiges Pensum absolviert: Büro gefunden (keine 500 Meter von zuhause), renovieren lassen, IT installiert, Büromöbel gekauft, Leute eingestellt (wir sind jetzt zwölf) und vieles mehr. Die Arbeitsbelastung ist echt groß, weil – anders als in Deutschland – die Infrastruktur noch nicht da ist: kein Backoffice, keine Buchhaltung, keine IT. Wir arbeiten eng mit Deutschland und unseren Kollegen von P3 North America (Automotive) in Detroit zusammen, aber im Endeffekt mache ich CEO, CTO, CFO und was sonst noch alles gleichzeitig. Hinzu kommt mein eigentlicher Job, das business development. Das ergibt dann auch schon mal vier 20+ Stunden Tage nacheinander. Resultat: ein erhebliches Schlafbedürfnis am Wochenende. 🙂 Viele Kunden in Sicht Aber das Geschäft läuft gut an. Unser Hauptkunde Verizon Wireless (DER Mobilfunkbetreiber in den USA) mag uns und weitet sein Geschäft mit uns aus. Wir haben mittlerweile weitere wichtige Kunden gewinnen können, die ich aber nicht alle nennen darf. Meine Tagesreisen führen mich jetzt nach Toronto, Chicago, Dallas oder Kansas City. Da der Flughafen Newark zwar perfekte Verbindungen hat, aber recht teuer ist, fliege ich häufig auch ab La Guardia oder sogar Philadelphia. Allerdings bedeutet ein Abflug um 6 a.m. auch Aufstehen um zwei Uhr morgens. 🙁 Die Sprache ist überhaupt kein Problem. Die Leute halten mich in der Regel zumeist für einen Südafrikaner oder (seltener) Schweden (warum auch immer), und ich lache mich vor allem über den Slang (‚red tape’) kaputt. Kündigungs- und Zahlprocedere Einige Worte zu den Unterschieden im „Corporate America“ verglichen mit Deutschland: Die Leute sind viel mobiler und das ist nicht immer gut. Da der Arbeitsmarkt viel durchlässiger ist, kann ich innerhalb von zwei Wochen jemanden feuern. Aber das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn jemand Mist baut und man dann ein paar ernste Worte mit ihm redet, …
Arbeit an allen Fronten
Marc arbeitet im Moment rund um die Uhr und strampelt sich zwischen seinen vier „Fronten“ ab, wie er immer sagt: „Büro einrichten“, „Geschäft in USA aufbauen“, „Eskalationen in Europa und USA“ und „Familie“ – eine anstrengende Berg- und Talfahrt. Uneingeschränkt positiv sind sein kurzer Weg zum Büro (fünf Minuten) und die geringe Anzahl von Geschäftsreisen. Trotz der großen Belastung im Büro zeigt er morgens und abends viel Präsenz bei uns zu Hause (wenn auch nicht immer voll einsatzfähig, siehe Foto 🙂 ) – für mich ein ungewohnter Luxus.
Marc arbeitet wie immer viel
Jetzt gibt es zwar keine nächtlichen Telefonkonferenzen mehr (wie in den letzten Monaten), dafür aber den frühmorgendlichen Check der E-Mails aus Europa, die ja schon seit Stunden auf ihn warten. Er stellt gerade das Büro auf die Beine (nur fünf Minuten von Zuhause weg zum Glück!) und kümmert sich um Autos für uns. Er ist also ständig auf Achse und unter Strom.
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