Top-Betreuung für Kinder mit anderer Muttersprache

Mrs. Johnson ist eine super engagierte ELL-Lehrerin (ESL/ELL = English as a Second Language/English Language Leaner-Programm), die alle ihre Schüler/innen dort abholt, wo sie gerade stehen und ihnen dort Unterstützung bietet, wo sie es brauchen. Sie hat mich bei der Back to school night (Pendant zum deutschen Elternabend) wirklich tief beeindruckt mit ihrem Enthusiasmus einerseits und ihrem modernen Konzept andererseits. So einen super Service gibt es in Deutschland nicht für Kids, die die Landessprache noch nicht so gut können. Die müssen selber gucken, wie sie klarkommen.   Aber vielleicht wäre es ja auch an der Zeit, bei uns Programme für solche Kinder einzurichten, zumindest in den Bereichen, wo viele Immigrantenkinder oder Flüchtlinge leben. Jedenfalls besser als zu schimpfen, dass manche Kinder in der Schule noch nicht mal richtig Deutsch können, denn die Kids können ja wirklich am wenigsten dafür.

Und schon wieder: Anstellen

Tim fühlt sich ebenfalls in seiner neuen Klasse richtig wohl. Seine Hilfslehrerin, Mrs. Abato, schwärmte mir vor: „Oh, he is so cute. I love his accent.“ Na dann! Für ihn stellt das Lesen zurzeit eine große Herausforderung dar, denn die Vokale im Englischen werden einfach je nach Wort verschieden ausgesprochen – viel komplizierter als im Deutschen. Das Konzept im 1. Schuljahr ist hier komplett anders als bei uns an der deutschen Schule, denn die Kinder sind ja auf ganz verschiedenen Niveaus. Viele können schon lange lesen (letzte Woche hat ein Kind aus Pauls Klasse zu seinem vierten! Geburtstag flüssig vorgelesen – ich war platt!). Aber das kindergarten-Jahr ist nicht verpflichtend in New Jersey, von daher gibt es eben auch einige (wenige) Kinder, für die Buchstaben und Zahlen noch Neuland sind und auch Tim fängt ja gerade erst damit an. Aber Tim ist guter Dinge, genau wie wir, denn die übrigen Bereiche fallen ihm leicht und er geht gerne mit seinem neuen Delfinrucksack zur Schule. Er lernt im Moment so richtig amerikanische Gedichte.   Hier ist eins, das von der Anstell-Etikette handelt – richtiges Anstellen will gelernt sein (Tipp: am besten laut lesen, mit breitem amerikanischen Akzent, dann reimt es sich sogar): Lining up I will not shove, (Ich werde nicht drängeln,) I will not push, (Ich werde nicht schubsen,) I will not try to pass, (Ich werde nicht versuchen zu überholen,) I will not lag behind the rest, (Ich werde nicht zurückfallen,) I’ll line up with my class. (Ich werde mich mit der Klasse aufstellen.)

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Nun zu mir

Mir geht es auch gut – ich freue mich im Moment einfach darüber, dass es Ole so viel besser geht und dass auch die anderen Kids zufrieden sind – da komme ich im Moment mit den kleinen Rückzugsräumen für mich gut aus. Die Aachener Hochschulfitness aus der Konserve (aufgezeichnet auf DVD) funktioniert auch in unserem Keller gut. In meinem neuen Job an der Deutschen Schule von Morris County habe ich schon eine Menge darüber gelernt, inwiefern sich deutsche Schulen in den USA von deutschen Schulen in Deutschland unterscheiden (auch wenn wir eine deutsche Schulleiterin haben und Deutsch das einzige Unterrichtsfach ist). Meine erste Lehrerkonferenz vor Unterrichtsbeginn lief so ab: Die Schulleiterin stellt sich vor und macht dann sofort etwas unmissverständlich klar (vor allem in Richtung der neuen Lehrerinnen): „Ihr habt bei den Unterrichtssthemen ziemlich freie Hand (kein fester Lehrplan für die unteren Klassen), aber no sex, no politics, no religion – da verbrennt ihr euch nur die Finger. Die Eltern hier sind anders als die Eltern in Deutschland. “ Entsprechende Seiten in unseren Deutschbüchern (von deutschen Verlagen) sind zu überspringen – das kann nur schiefgehen.

Meine Klasse

In meiner Klasse sind nur acht Kinder (12 bis 13 Jahre) – dafür haben alle unterschiedliche Deutschkenntnisse. Manche reden so gut Deutsch, dass ich sie auf den ersten Blick nicht von deutschen Muttersprachlern/innen unterscheiden kann. Andere reden wirklich gut Deutsch, aber noch mit einigen Fehlern (Deutsch als zweite Sprache – DaZ). Und dann gibt es die, die Deutsch eher als Fremdsprache haben (mit vielen Fehlern und deutlichem Akzent). Einige sind Expat-Kinder oder solche, die ein deutsches Elternteil haben, aber schon seit vielen Jahren oder ihr ganzes Leben lang in den USA wohnen. Manche haben auch „nur“ deutsche Wurzeln, wenn z. B. die Großeltern aus Deutschland kommen. Auf jeden Fall eine bunte Truppe. Spaß mit Grenzgänger/innen Es macht unheimlichen Spaß, mal wieder mit größeren Kids zu arbeiten. Ich bin wirklich fasziniert von diesen „Grenzgänger/innen“, die sich ziemlich zielsicher in verschiedenen Kulturen und Sprachen bewegen und blitzschnell darin wechseln können. Daher – klar – sobald ich ihnen den Rücken zukehre, reden alle nur Amerikanisch miteinander, und einige haben dann auch noch eine dritte Sprache in petto, in der sie flüssig kommunizieren können. Neulich beim Abholen sprach ein Junge fließend Französisch mit seiner Mutter – wirklich erstaunlich. Die Arbeitsmotivation der Kids ist nicht immer die beste, aber wer kann es ihnen verübeln, wenn sie samstagmorgens nach anstrengender Woche auch noch drei Stunden in die deutsche Schule müssen – wobei Unterricht am Wochenende für Kinder, egal ob Sprache oder Religion, hier durchaus verbreitet zu sein scheint. Theo und Tim tun wir das jedenfalls nicht an – da werden wir wohl eine individuelle Lösung finden müssen, damit sie ihr Deutsch und z. B. die deutsche Rechtschreibung auf dem Radar halten. Ich gebe mein Bestes, den Unterricht abwechslungsreich und spannend zu gestalten, aber ich ahne jetzt schon, dass die besseren Überraschungen von der anderen Seite kommen: Die Aufgabe, ein eigenes Ende zu erfinden für die Geschichte von einem Jungen, der bei einem Klassenausflug im Wald verloren geht, wurde von allen mit Eifer ausgeführt, und am Ende hatten wir sechs (z. T. tödliche) Bärenattacken, einen Wildwasserunfall und eine Naturkatastrophe (Tornado). Solche Enden kenne ich von deutschen Schulkindern …

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Sehnsucht nach Tafel und Kreide

Ich vermisse allerdings „richtige Tafeln“ und Kreide! Hier gibt es nur sogenannte „dry-eraser-pens“ (trocken-abwischbare Stifte, Riesensauerei), die auf weißen Kunststofftafeln schreiben. Außerdem hat man überall dunklen Teppichboden, die Kids sitzen an Einzelpulten (es gibt keine Zweier-Bänke), überall läuft die Klimaanlage (und das oft störend laut). Die Fenster sind zum Hochschieben (wie in vielen Filmen) und klemmen allesamt. Aber das sind Kleinigkeiten, die meine Freude, endlich wieder unterrichten zu können, nicht wirklich trüben. Alle Wände in meinem Klassenraum sind übrigens voll mit „klugen Sprüchen“ (Amerikaner/innen haben eine Schwäche für gute Sprüche, wie mir scheint), die sicherlich bis ans Lebensende reichen. Ich unterrichte im Moment genau unter einem Spruch von Otto von Bismarck: „The nation that has the schools, has the future.“ Das Einzige, was mich richtig nervt, sind die elektrischen Bleistiftspitzer, die es in allen Klassenräumen gibt. Wenn also ein Kind den Bleistift (anscheinend das Lieblingsschreibgerät der meisten) spitzen will, dann steht es einfach auf, geht nach hinten, und dann heult die Maschine auf (und alle Konzentration ist weg). „Hand“-Spitzer habe ich noch bei keinem gesehen. Übrigens kommt man auf einmal in ein Dilemma, weil man wieder in offiziellen Zusammenhängen mit deutschen Familien zu tun hat: „Du“ oder „Sie“? Aber klar, das englische „you“, was man mit den Eltern austauscht, entspricht eben in diesem Zusammenhang dem deutschen „Sie“ – da muss man blitzschnell schalten, wenn man gemischte Elternpaare vor sich hat und zwischen den Sprachen hin- und herwechselt. Aber es klingt auf einmal wieder ungewöhnlich formell, nachdem man monatelang das „you“ und den Vornamen für Leute wählt, die einem wildfremd sind.

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P3 hat Erfolg

Marc erzählt: Der September war auch wieder ein sehr turbulenter Monat. Bei P3 haben wir eine weitere Fortsetzung des Aufschwungs erlebt, der sich bereits im August abgezeichnet hat. Wir hatten zwischendurch erhebliche Personalengpässe und unsere Leute arbeiten zum Teil rund um die Uhr. Ende September habe ich zum ersten Mal selbst in einem Projekt LTE (Mobilfunk der vierten Generation, Nachfolger von UMTS) erleben dürfen und dabei Datenraten von 60 Mbit/s gemessen – unglaublich! Für Verizon Wireless bauen wir jetzt eine Flotte von Messwagen auf, im September wurde der erste geliefert. Mehr dazu im Oktoberbrief. Ich bin im September nicht so viel gereist, einen mehrtägigen Trip nach San Diego, Atlanta und Florida habe ich in letzter Sekunde meinen Kollegen übergeben. Ich denke aber, der November wird wieder etwas intensiver, da ich mindestens einmal an die Westküste muss.

Arbeiten rund um die Uhr

Ich bin sehr froh, dass sich die Familiensituation wieder etwas eingependelt hat. Viele der Maßnahmen der vergangenen Wochen greifen. Und alle scheinen endlich mehr in sich zu ruhen, obwohl das Leben immer noch ein wahnsinniges Tempo aufweist. In manchen Wochen habe ich so viel gearbeitet, dass ich mehrfach erst um drei Uhr in der Früh aus dem Büro gekommen bin, NACHDEM ich mit meinen Kollegen in Europa telefoniert hatte, die gerade den zweiten Kaffee klargemacht haben. Am Wochenende war es meistens ruhiger, aber ich habe dann so viel Schlaf nachgeholt wie ich nur konnte …

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Spannendes neues Hobby

Außerdem habe ich mit meinem Pilotenschein angefangen! Ich bin eine Stunde mit einer Diamond DA40 (mit Garmim G1000 Glas-Cockpit) von MMU (Morristown Airport) geflogen und habe den Flug zu 95 Prozent selber machen dürfen/müssen. Das war ziemlich krass, denn das war echtes Multitasking: Controls, Instruments, Navigation, Radio Coms und Flight Instructor und das alles in Echtzeit. Es war sehr spannend und ich war danach echt froh und fertig – gleichzeitig! Leider musste ich dann aussetzen, denn seit 9/11 müssen alle Ausländer/innen nach der ersten Stunde durch einen Sicherheitscheck, der im September nicht mehr abgeschlossen werden konnte.

Recht

Britta bat mich, auch etwas zum Thema Vertragswesen zu schreiben (Juristen mögen mir die laienhafte Darstellung verzeihen): Anders als in Deutschland, wo die Eckpfeiler des Rechts in den Gesetzestexten absolut festgeschrieben werden, wird hier im Angelsächsischen vieles auf vorangegangene Rechtsprechungen zurückgeführt (Präzedenzfälle). Um in diesem Chaos für Ordnung zu sorgen, werden in den Verträgen extrem viele Details explizit geregelt. Als Konsequenz sind die Verträge oft sehr lang und ausführlich (40+ Seiten für einen einfachen Dienstleistungsvertrag sind keine Seltenheit, wobei die längsten Passagen den Themen Haftung und Haftungsfreistellung sowie Schadensersatz und geistiges Eigentum (IPR – internationales Privatrecht) gewidmet sind. Das führt dann auch dazu, dass man beim einfachen Mieten eines Kanus auf dem Delaware River an ca. zehn Stellen seine Initialen auf den Vertrag setzen muss, bevor man dann unten vollständig unterschreibt. Auf diese Weise gehen sie auf Nummer sicher, dass man bestimmte Passagen zur Kenntnis genommen hat und den Veranstalter nicht verklagen kann. Diese Angst vor Haftung sorgt auch dafür, dass die Betreuerinnen in der preschool NIE alleine mit den Kindern auf der Toilette sein dürfen, denn im Falle einer Klage wegen „sexual harassment“ stünde Aussage gegen Aussage. Ich habe da gerade selbst erste Erfahrungen mit dem US-Recht machen dürfen („In the US, anybody can sue anybody on anything“), doch auch dazu mehr im Oktoberbrief.

Neu an Bord: Morena

Ich kann es selbst kaum glauben, aber wir haben tatsächlich ein Au-pair (unerlaubterweise, da wir weder American citizens noch permanent residents sind). Wir haben in der Bewerbung als Gastfamilie einfach ein Kreuz bei permanent residents gemacht und sind glücklich durchgeschlüpft durch das sonst doch so feine Netz aus Gesetzen, Regeln und Kontrollen hier. Und bleiben hoffentlich unentdeckt 🙂 . Ihr Name: Morena, 23, aus Brasilien. Morena hat uns auf Anhieb beim Auswahlverfahren sehr gut gefallen. Sie ist sehr kommunikativ, herrlich unamerikanisch und hat in Brasilia am College unterrichtet. In den ersten Wochen kam schnell heraus, dass sie keinerlei Erfahrung im Haushalt hat (privilegiertes Leben mit Hausangestellen bisher, räumte in der Spülmaschine alle Gläser verkehrt herum ein und fühlte mit der Gabel, ob denn die Eier im Wasserbad bald gut wären), aber sie scheint bereit zu sein, sich reinzuknien – darauf kommt es an. Auch mit den Kindern kommt sie ganz gut klar – Ole und Paul haben ihr schon beigebracht, wie man Kuchen backt. Obwohl sie noch einige Übungsstunden im Autofahren braucht und wir sie bisher nicht alleine mit den Kids fahren lassen, ist sie eine große Hilfe und bringt definitiv mehr Ruhe in unser Alltagsleben. Und Marc und ich lernen auch wieder etwas dazu: Am Wochenende ist Morena meist perfekt gestylt auf Partys unterwegs und föhnt sich vorher ZWEI Stunden die Haare (wusstet ihr, dass das geht?) – so ab der 90. Minute fliegt wegen Überhitzung des Föns alle fünf Minuten die Sicherung heraus. Aber gemach – ich bin zuversichtlich, dass es diesmal gutgeht (unser dritter Versuch in Sachen Nanny).