Besuch von Tante Debbie

Marcs Schwester kommt. Die Kids freuen sich schon vorher, Ole und Paul sind sich aber nicht ganz sicher: „Kann die auch Deutsch reden?“ (Warum? Sie hat ihr ganzes Leben lang in Deutschland gelebt!). Sie genießt den Tapetenwechsel und berichtet, dass bei einem Film im Flugzeug die Stillszene einer Mutter mit Baby rausgeschnitten war (sie kannte den Film schon aus Deutschland). Na bitte, habe ich mir das also bisher nicht nur eingebildet. Ich halte weiterhin meine Augen offen nach der ersten amerikanischen weißen Frau, die öffentlich stillt.

Auto Nummer Zwo

Wir haben jetzt ein zweites Auto gebraucht gekauft, damit wir über die Runden kommen, einen BMW X5. Morena braucht ja auch ein Auto, um zur Sprachschule zu kommen. Es macht Spaß, mal wieder in einem deutschen Auto zu sitzen: kein Sofagefühl beim Hinsetzen, viel weniger cupholder, dafür aber eine starke Batterie. Und es hupt nicht beim Abschließen wie unser Honda (man muss sich also gut merken, wo das Auto steht).   Er wird uns mit Allradantrieb im Winter gute Dienste leisten. Aber eins weiß ich jetzt schon: Nach Deutschland kommt der bestimmt nicht mit – da passt der nämlich nicht hin (schluckt Benzin ohne Ende, fällt zu sehr auf, zu groß für Parklücken).  

Ein Fast-Unfall

Die einzig wirklich negative Erfahrung in diesem Monat: Paul ist auf einem Parkplatz fast von einem rückwärts fahrenden Auto angefahren worden! Nur ein kräftiger Tritt von mir gegen die Stoßstange brachte die Frau dazu, ihr Auto anzuhalten. Wir waren geschockt, sie auch. Aber sie verteidigte sich, sie hätte doch beim Einsteigen ins Auto noch geguckt … Na toll, und dann fährt sie rückwärts, ohne nach hinten zu gucken? Tja, solche Typen gibt es halt überall auf der Welt, nur hier sind wir einfach viel mehr auf Parkplätzen mit riesigen Autos unterwegs – nach dieser Erfahrung gibt es jetzt für unsere Kids absolute „Halsbandpflicht“.

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Bus-Aufruhr

Aufruhr in der Nachbarschaft um den bus stop: Vorweg: Unsere Nachbarsfamilien sind alle sehr nett und wir kommen gut mit ihnen klar soweit. Aber sie ticken eben manchmal doch anders als wir: Der neue Schulbusfahrer ist ein etwas komischer Kauz und beharrte darauf, nicht dort zu halten, wo wir mit den anderen Leuten gemeinsam warteten, sondern etwa 50 m die Straße hoch, in Richtung unseres Hauses. So stand das angeblich in seiner Anweisung, und viele Amerikaner/innen sind ja sehr law-abiding. Daraufhin brach ein Entrüstungssturm unter unseren Nachbarsfamilien aus, denn alle wohnen am anderen Ende der Straße und mussten diese Entfernung jetzt noch zusätzlich gehen (es geht um ca. eine Minute zu Fuß, ca. 50 Meter!). Sie schrieben mehrfach Briefe an das Transport-Unternehmen, wir wurden telefonisch befragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn der bus stop wieder zurückverlegt würde, und dann, nach fast vier Wochen Hin und Her überbrachte einer unserer Nachbarn eines Morgens strahlend die Nachricht: „Tomorrow is the big day“ – der Bus hielt jetzt wieder an der alten Stelle. Jetzt hat alles wieder seine Ordnung und alle sind zufrieden – ich übrigens auch, denn ich bin froh, wenn unsere Kids morgens genau diese 50 Meter mehr laufen dürfen. Ich will, dass sie später nie auf die Idee kommen, das zu machen, was unsere Nachbarin Deborah (zwei Häuser neben uns) gemacht hat – sie ist mit dem Auto zu unserer Einweihungsparty im Februar gekommen!

Kulturschock Bettzeug

Als unsere Putzfrau unsere Betten das erste Mal bezieht, stellen wir abends überrascht fest: Die Bezüge sind auf links aufgezogen – okay, wir erklären ihr das kurz … In der nächsten Woche klappt es dann auch besser – zumindest auf den ersten Blick: Die Bezüge sind richtig herum aufgezogen. Wir wundern uns nur abends darüber, dass die Decken so schwer sind. Kein Wunder, denn sie hat die alten Bezüge nicht abzogen, sondern die neuen einfach noch drübergezogen! In der nächsten Woche erleben wir abends dann noch mal eine Überraschung: Diesmal steckt meine Matratze (!) fein säuberlich im Oberbettbezug. Jetzt reicht’s mir und ich mache das von nun an selbst. Geht schneller, als es jede Woche den wechselnden Putzteams zu erklären. Die kulturellen Verwirrungen funktionieren also auch andersherum –scheinbar triviale Dinge sind eben auch kulturell geprägt.

Schöne Hände und Füße

Drei Generationen bei der Maniküre und Pediküre: Das Mädchen war nicht älter als sechs oder sieben Jahre und zeigte anschließend den anderen ganz stolz seine schicken Nägel, die Oma platzte ebenfalls vor Stolz. Was für ein Glück, dass wir nur Jungs haben!  

Amerikanischer Kinder-Kochkurs

Marc erzählt: Ich versuche, so viel Zeit wie möglich mit den Kids zu verbringen und habe mit Theo in diesem Monat einen Abendkochkurs besucht. Da hat Theo gelernt, wie man selbst eine Pizza macht und dazu ein Blueberry-Milkshake mixt. Es war faszinierend zu sehen, wie er dem Kurs auf Englisch ohne jede Mühe folgen konnte und sogar vor der Gruppe von ca. 30 Leuten problemlos (gute) Fragen gestellt hat. Eine sehr schöne Zeit und Theo war begeistert, selbst kochen zu dürfen. Ich habe danach auch einen Getränkemixer gekauft, und jetzt gibt es ab und an zuhause Blueberry oder Strawberry Shakes – aber ohne Fernseher in der Küche. Der Knaller: Amerikanische Kleinkinder zwischen zwei und fünf Jahren verbingen laut Wall Street Journal 32 Stunden in der Woche vor einem Fernseher. Dabei hoffen die Eltern, dass der elektrische Babysitter auch die akademischen und kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder fördert („vitamin-fortified programming“). Seit 1969 bringen das Cookie Monster, Bird und seine Freunde in Sesame Street (Sesamstraße) den Kindern Zahlen und Buchstaben näher. Heute sollen die Kindergartenkinder auf diese Weise auch noch Spanisch und Mandarin lernen (z. B. durch Dora the Explorer). Fernsehen als brain candy! Und so teilte uns die Leiterin des Kochkurses dann auch mit, dass die Kinder durchaus in der Küche eingespannt werden könnten und dann eben parallel fernsehen und mithelfen könnten! Bon appetit!

Ungewöhnlicher Schilderwald

Ich habe wieder soooo viele Schilder entdeckt … Aber versprochen, es ist das letzte Mal, dass ich mich darüber auslasse … Ich finde nur immer wieder neue auffällige Exemplare, die sich doch von den deutschen Pendants deutlich unterscheiden. Klare Ansage der Konsequenzen:   Bei vielen Schildern bekommt man direkt klipp und klar gesagt, was einem blüht, wenn man sich nicht dran hält. Ist doch gar nicht schlecht und bestimmt effektiver als die deutschen Pendants, oder? Aber auf der anderen Seite muss man sich hier durch mehr Informationen wühlen, um nicht die Hauptaussage zu verpassen. Was ist wohl effektiver?   Einfach reicht oft nicht – es wird verstärkt mit „unexceptionably“, „absolutely“ oder auch durch die Wiederholung bzw. Darstellung einer Regel auf diverse Arten. Das ist beim Autofahren manchmal ganz schön verwirrend, weil die Straßenränder oft gepflastert sind von Schildern, die eigentlich überflüssig sind (in meinen Augen). Die Krönung habe ich bei uns in Madison (Nachbarort) gefunden: Linksabbiegeverbot: direkt sechs Mal als Bild und noch drei Mal „No left turn“ (die Leute biegen dort übrigens immer noch links ab).

Das Geschäft läuft weiterhin stabil und wächst stark

Marc erzählt: Wir haben mittlerweile viele neue Kunden im Bereich Handy-Testing, und im nächsten Jahr muss ich mich mehr auch um die anderen Bereiche wie Consulting und Engineering kümmern. Wir sind jetzt den zweiten Monat in Folge profitabel und fangen an, unsere Investitionen zurückzuverdienen. Ich hoffe, dass wir irgendwann Anfang 2011 dann den Break-Even schaffen. Ich schätze, dass wir hier im ersten Jahr so um die drei Millionen US-Dollar umsetzen werden.

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„In the US, anybody can sue anybody on anything“

Das Team ist mittlerweile auf 30 Leute angewachsen, und ich mache die erste unangenehme Begegnung mit dem amerikanischen Rechtssystem: Anfang Oktober hat ein neuer Mitarbeiter über eine Zeitarbeitsfirma bei uns angefangen, doch schon nach dem zweiten Tag ist er nicht mehr aufgetaucht. Kurze Zeit später hat er uns über seine Zeitarbeitsfirma ausrichten lassen, dass wir ein hostile work environment (feindliche Arbeitsumgebung) hätten und eine weitere Mitarbeit nicht zumutbar sei. Wir haben dann alle Kollegen befragt, und in der Tat hat ihm ein Kollege einen Spruch gedrückt, der zwar witzig gemeint, aber nicht angemessen war. Mittlerweile haben wir Post von seinem Anwalt, und der junge Mann hätte gerne eine sechsstellige Summe von uns (P3), dann wäre er bereit, von einer Klage abzusehen. Denn er wäre von uns in diesen zwei Tagen aufs Übelste rassistisch und (auf der Toilette) sexuell belästigt worden. Die Vorwürfe sind frei erfunden, aber wir müssen uns damit natürlich jetzt auseinandersetzen und Stellung nehmen. Selbstverständlich werden wir keinen Vergleich über eine sechsstellige Summe eingehen. Es gibt aber in den USA tatsächlich immer wieder Leute, die nur zum Vorstellungsgespräch oder zum ersten Arbeitstag gehen, um danach zusammen mit einem Anwalt Klage anzudrohen, um einen Vergleich zu erzwingen. Die Anwälte bekommen ein Drittel der erstrittenen Summe und haben so ein Interesse an möglichst hohen Forderungen. Die Firmen müssen sich dagegen wehren und zahlen oft einen Vergleich, um das Thema schnell zu beenden. Mal sehen, wie das bei uns endet. In der Folge haben wir jetzt das interne Regelwerk, das wir seit 2001 hatten, für die USA auf ca. 45 Seiten ausgewalzt und alles haarklein geregelt. Auf diese Weise zwingen wir unseren Mitarbeiter zwar viel Papier auf, aber wir schützen uns vor haltlosen Klagen. Jetzt ist also klar, dass man, wenn man sich belästigt fühlt, mit den Vorgesetzten reden soll, damit sie die Belästigung abstellen. Na klasse.