Nun ein kurzer Vergleich von Nikolauszügen in Deutschland und Amerika: USA: Wir gehen mit den Kindern zum „Santa Coach“ – dem Weihnachtszug „Santa Special“. Santa kommt mit einem uralten offenen Feuerwehrauto an, alle machen Fotos, der Song „Last Christmas I gave you my heart“ dröhnt durch die Lautsprecher im Zug (Marc kann es kaum ertragen), Santa mit roter Zipfelmütze grinst in alle Kameras, Plastiktüte mit Überraschungen, E-Lok … die Kinder hatten ihren Spaß. Deutschland: Dampflok, Nikolaus kommt mit Kutsche übers Feld gefahren, Mitra und Bischofsstab, nur Händeschütteln, kein obligatorisches Foto, aus einem Korb gibt es einen Weckmann (hier total unbekannt).
Weihnachtliches New York
Wir machen mit den Kindern eine Tagestour nach NYC und gucken uns am Rockefeller Center den berühmten großen Weihnachtsbaum an. Hier einige Eindrücke von diesem Nachmittag. Nur so viel vorab – Marc sagte hinterher, dass er das nie wieder machen würde. Es war einfach brechend voll, und sich mit vier kleinen Kindern durch die Menschenmenge zu zwängen und aufzupassen, dass man keines verliert, macht nicht so richtig Spaß. Ich fand’s aber nicht ganz so schlimm wie er, und die Kinder haben auch spannende Dinge entdeckt (aber wie immer nicht solche, die wir geplant hatten).
Recht und Unrecht
Marc arzählt: Anklage wegen sexueller Belästigung und feindlicher Arbeitsumgebung bei P3 Im Oktober hatten wir den ersten case von sexual harassment und hostile work environment in der Firma. Die Anschuldigung gipfelte in der Aussage, dass der Kläger auch vom Management (also von mir) rassistisch beschimpft worden sei. Man muss dazu wissen, dass die Amerikaner/innen überhaupt keinen Spaß verstehen, wenn derartige Vergehen vom Management gedeckt werden. Glücklicherweise hatten wir zur Überwachung eines Tresors eine Kamera installiert und so konnte ich den Vorgang nachvollziehen: Ich hatte jetzt ein Video, in dem zu sehen war, wie der Mitarbeiter gegen 17 Uhr das Büro verlassen will, sich kurz vor meiner geschlossenen Bürotür mit seinem Handy beschäftigt und dann das Office verlässt. Damit war bewiesen, dass zum angeblichen Tatzeitpunkt gar keine Kommunikation mit mir stattgefunden hat. Wir haben uns zur Klärung Hilfe von einem Rechtsanwalt geholt. Trotzdem haben wir uns am Ende auf einen Vergleich in Höhe von 12.000 USD geeinigt, denn eine gerichtliche Klärung hätte deutlich höhere Anwaltskosten zur Folge gehabt, und es hätte das Risiko einer Jury bestanden, die möglicherweise trotzdem einen Schadensersatz zugestanden hätten. Mein Verständnis von Recht und Unrecht hat unter diesem Ereignis durchaus gelitten – es war sehr schwer, solchen Abzockern 12.000 USD zu überweisen. Wir haben danach die Dokumentation für die Mitarbeiter deutlich ausgebaut. Jeder Mitarbeiter bekommt jetzt am ersten Arbeitstag 50 Seiten Regeln vorgesetzt, in denen genau steht, was er darf und an wen er sich im Zweifelsfall wenden kann. Damit wird der Spielraum für Klagen eingeengt.
Weihnachtsheimatfieber
Die Koffer sind gepackt, die Stimmung ist unglaublich ausgelassen und gleich geht es los nach Hause! Die Tatsache, dass wir in ein paar Minuten schon ins Flugzeug nach Deutschland steigen dürfen, verdanken wir übrigens einer total entspannten Schulpolitik in Bezug auf Beurlaubungen: Bis zu zehn Tage darf man während der Schulzeit im Ausland sein. Theo und Tim werden ganze neun Schultage verpassen (und das unmittelbar vor und nach den amerikanischen Winterferien). Da zucken einige Eltern vielleicht kurz zusammen, aber was sollen wir machen – für eine Woche Deutschland lohnen sich das Packen und der Jetlag nun wirklich nicht (Winterferien sind hier nur vom 23. Dezember bis 1. Januar). Also, alles was erforderlich war, war eine E-Mail an die nurse von Tims Schule (über die muss ich unbedingt mal mehr schreiben 🙂 ) und an die Direktorin von Theo, in der wir darüber informieren, dass wir mit den Kindern vom 21.12. bis 7.1. in Weihnachtsurlaub nach Deutschland fahren. Kein Nachfragen – fertig, genehmigt. Ab dem zehnten Tag Abwesenheit in Folge wird man dann allerdings automatisch von der Schule abgemeldet und muss sich nach der Rückkehr wieder anmelden (und hoffen, dass der Platz noch frei ist). Es ist hier aber durchaus Usus, mitten im Schuljahr für zwei Wochen in die Ferien zu fahren – das machen die Nachbarsfamilien auch. Wenn ich da an diese Regelung in Deutschland denke, wo schon wegen eines einzigen Tages vor den Ferien ein Riesenaufstand gemacht wird (klar, dafür gibt es bestimmt auch gute Gründe, aber irgendwie ist das unglaublich stur: Beurlaubensverbot vor/nach den Ferien, Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit, Paragraph 16 Schulpflichtgesetz mit Geldstrafe bis zu 1.000 Euro!). Da haben wir es hier im Moment richtig gut und nehmen ein paar Extra-Tage frei. Zum Abschied haben sowohl Theo als auch Tim von ihren Lehrerinnen auch noch ein kleines Geschenk bekommen, und Theos Lehrerin schreibt uns auf die Thank-you Note: „Dear Theo and Family, Thank you for your kindness! Have a great vacation, Merry Christmas and a Happy New Year.“ Gemaltes Herzchen und Unterschrift von Mrs. Ciorcalo. Da bin ich mal wieder sprachlos (also ich habe noch keinem meiner …
Und noch etwas zum Thema „liability“
Viele Leute hier hängen übergroße Socken an das Kaminsims, sogenannte „Christmas stockings“, und hoffen, dass Santa etwas hineinlegt, wenn er durch den Kamin rutscht. Klar, dass ich auch so einen haben muss. An diesem roten Stofflappen mit Santa-Applikation finde ich dann tatsächlich folgenden Warnzettel: „This is not a toy – keep out of reach from children under the age of 14.“ Also mal ehrlich – das ist doch absurd, oder?
Von Truthähnen, dem schwarzen Freitag und dem Internet-Montag. Was die Sopranos mit unserer Lieblingspizzeria zu tun haben (oder auch nicht). Und wie wir typisch „muffige“ Deutsche in „Little Germany“ getroffen haben. Auf dem Monatsbild November ist der spektakuläre Blick aus einem Konferenzraum im deutschen Konsulat in Manhattan zu sehen – unsere Deutschschule ist bei einer Fachtagung der Deutschen Auslandsschulen.
Tschüss Flip-Flops
Pünktlich zu Beginn des Monats kippt bei uns endgültig das Wetter von Spätsommer auf Herbst/Winter. Die Temperaturen sinken unter die T-Shirt-Marke und wir haben nun alle Sommersachen weggepackt. Rückblickend kann ich sagen, dass unsere Kinder noch nie so viel und so lange ihre T-Shirts, kurzen Hosen und kurzen Pyjamas angezogen haben – also, der bisher längste Sommer unseres Lebens – von Anfang April bis Ende Oktober! Anfang November verlieren viele Bäume jetzt ihr Laub innerhalb weniger Tage, und die herunterfallenden Blätter erinnern manchmal an Schneeflocken, da sie in großen Mengen vom Wind wild durch die Luft gewirbelt werden. Die Flip-Flops sind alle verschwunden, und von einem Tag auf den anderen tragen hier ganz viele eine „North Face“-Jacke (die gibt es hier in den Outlet Malls ziemlich preiswert). Nur der UPS-Mann fährt noch mit sommerlicher Kleidung bei offener Tür herum – einer von diesen Amerikanern, die auch im Winter in T-Shirt und kurzen Hosen anzutreffen sind. Aber die Zeichen, die auf Winter stehen, sind unübersehbar: Viele Pick-ups haben bereits ein Paar Extra-Scheinwerfer vorne höher montiert, um bei Bedarf sofort die Schneepflüge zu montieren, mit denen sie dann die Straßen von Schnee freiräumen. Ebenso stecken schon einige Leute ihre Einfahrt mit Schneemarkierungen (Eisenstangen mit rot-weißen Ringeln) ab. Diese langen Pinne dienen nicht etwa nur dazu, die Höhe des Schnees zu erkennen (wie ich am Anfang dachte), sondern auch, unter einer geschlossenen weißen Schneedecke relevante Dinge wiederzufinden (wie z. B. seine Einfahrt oder den Hydranten (diese haben ebenfalls rote Stangen – dagegen zu donnern, wäre nicht so ratsam). Im ganzen Herbstgestöber bzw. bei den Wintervorbereitungen gibt es aber dennoch die Gewissheit vom sicher kommenden Frühjahr: Die zahlreichen Magnolienbäume haben schon ganz dicke Blütenknospen angesetzt – darauf freue ich mich jetzt schon! Drei Wochen nach Deutschland halten auch wir die Zeit eine Stunde an und nun ist es, Ende November, tatsächlich um 17 Uhr richtig dunkel. Wer hier vergisst, in welche Richtung die Uhr gestellt wird, findet Hilfe im kleinen Reim: „Spring forward, fall back“ spring (Frühjahr/springen) = nach vorne fall (Herbst/fallen) = nach hinten/zurück
Der turkey kommt
Die Hochzeit (mit langem „o“) der pumpkins ist nun vorbei und sie verschwinden peu à peu aus den Vorgärten. An ihre Stelle tritt das Symbol für den November, das natürlich direkt mit der großen amerikanischen Familientradition „Thanksgiving“ verbunden ist: der Truthahn, auf englisch „turkey“. Diese Tiere gibt es hier nun in allen Ausführungen, ähnlich wie die Kürbisse: Ausmalbilder, Basteleien, Gedichte, als Schokolade, als aufblasbare Riesenversion, in Geschichten … und natürlich auch als Festbraten in den Kühlregalen. Für uns fängt im November eine zwei Monate dauernde Festzeit an. Denn auch wenn wir keine Patchworkfamilie sind, so haben wir jetzt doch eine Patchwork-Kultur: das Multi-Kulti von hier und dazu noch unsere deutschen Traditionen, wie St. Martin und Nikolaus. Für unsere Kinder bedeutet das vor allem jede Menge Feste mit kleinen Überraschungen 🙂 . Und endlich mal ein überzeugendes Argument für die Kids, warum man es im Ausland auch mal „besser“ hat als die Freunde zu Hause.
Lesenlernen
Neben Thanksgiving gab es noch ein anderes Thema, was uns diesen Monat ziemlich bewegt hat: das Lesenlernen von Tim (6). Er hat sich damit wirklich schwergetan in den letzten Monaten. Dann kam der Elternsprechtag Anfang November und uns ist ein Licht aufgegangen: Das Lesenlernen im Englischen funktioniert einfach komplett anders als das Lesenlernen im Deutschen (Stichwort: sightwords) – aber das hatte uns bisher keiner gesagt und so haben wir es wohl immer falsch angepackt. Mehr im Special „Lesen lernen“.
Neue Entdeckungen im November
Der Rest der Familie „läuft“ Gott sei dank ganz gut. Wir haben diesen Monat, wie immer, einige neue Entdeckungen gemacht, ich finde „Little Germany“ mitten in Manhattan – dazu später mehr – und wir sind der amerikanisch-italienischen Mafia in New Jersey auf den Fersen – ebenfalls später mehr dazu. Am Veterans Day gab es für unsere Kinder ersten unmittelbaren Kontakt zum amerikanischen Militär.