Theo wird im Juni neun Jahre. Offizielle Regelung an seiner Schule: Kein persönliches Verteilen von Einladungen in der Schule, weil dann die, die keine Einladung bekommen, traurig sind. Und da wir spät dran sind, werfen wir alle seine Geburtstagseinladungen persönlich in die Briefkästen seiner Freunde. Haben wir vor ein paar Monaten noch geschwärmt, dass die Baby-Zeit mit kleinen Schritten vorbei ist, sehen wir bei Theo die nächste Herausforderung am Horizont: Klarer Fall von Vorpubertät. Ausflug Martin Guitar Fabrik Wir fahren nach Pennsylvania zum weltbekannten Gitarrenbauer „Martin & Co“. Hier werden hochwertige Gitarren von Hand gefertigt, und bei der Tour kann man den Mitarbeiter/innen bei jedem Arbeitsschritt über die Schulter gucken. Jede Gitarre erfordert 300 Arbeitsschritte, und insgesamt dauert der Fertigungsprozess 40 Tage pro Gitarre. Jeden Tag werden ungefähr 340 Gitarren fertiggestellt. Es wird gesägt, gehobelt, geleimt, geformt (handbending), verziert, lackiert … teilweise arbeiten sie wirklich mit sehr einfachen Mitteln, z. B. mit Wäscheklammern als Klemmen. Wir lernen jede Menge über die Bedeutung des Holz und auch, dass am Ende jede Gitarre hier durch echte Profis überprüft wird. Was nicht 1a-Qualität hat, verlässt das Lager nicht, sondern wird entweder repariert oder eingestampft. Gegründet wurde das Unternehmen 1833 übrigens von einem deutschen Emigranten namens Christian Friedrich Martin. Tims erster Wackelzahn hängt nur noch an einem Fädchen – eine schwere Geburt (bei Theo ging das immer ganz leicht). Paul leidet mit ihm, Ole hat wenig Mitgefühl: „Tja, hättest du dir mal besser die Zähne geputzt.“ Nach 45 Minuten ist er endlich raus. Puh. Ole wird im Juli sechs Jahre alt, und er wünscht sich Servietten mit der US-Flagge drauf. Er malt im Moment viele US-Flaggen (mehr als deutsche) und singt dabei begeistert „Born in the USA“. Paul beschwert sich, dass er immer noch kein Taschengeld bekommt. Er macht in der preschool fleißig bei „show and tell“ mit – so einer Art Sitzkreis, wo die Kinder von zuhause mitgebrachte Dinge zeigen können, die ihnen am Herzen liegen. Und er wird mir gegenüber manchmal etwas rebellisch: „Du hast mir nichts sagen. Der Papa ist in unserem Haus der Sir“! Wo hat …
Marcs Round-the-Globe-Trip
Marc erzählt: Im Juni bin ich dann (mal wieder) zu einem Round-the-Globe-Trip aufgebrochen. Es gibt von der Star-Alliance ein Ticket, das wirklich so heißt. Man kann dann einmal um die Erde fliegen (in eine Richtung) und dabei fast beliebig viele Stopps einrichten. Es ging also von New York nach Frankfurt und von da weiter über Dubai (UAE), Bangalore (Indien), Hong Kong nach Beijing/Peking in China. Es war das erste Mal, dass ich in „Mainland China“ war und ich habe mir das (damals kleine) P3 Büro angesehen. Mittlerweile arbeiten in China über 60 Leute für uns, davon mehr als die Hälfte Chinesen. Von Beijing ging es weiter nach Tokyo in Japan und dann nonstop nach New York. Das Ganze in sechs Tagen ;-). Trotzdem war noch genug Zeit, abends durch Beijing zu spazieren und die verbotene Stadt und den Platz des Himmlischen Friedens wenigstens mal zu sehen.
7 Wochen Deutschland
So, morgen geht es für sieben Wochen nach Deutschland. Wir freuen uns alle auf die Pause und sind gespannt, wie es „zuhause“ aussieht (diesmal wieder ohne Eis und Schneeglätte, wie letztes Weihnachten). Die Kids sind auch in Deutschland schon in Camps angemeldet (ohne, dass wir einen detaillierten Gesundheitscheck einreichen mussten) und die Verabredungen für die erste Woche stehen. Ich darf übrigens nach einigen Wochen Heimaturlaub in Deutschland zwei Wochen früher als der Rest der Familie nach NJ zurückfliegen, da mein erster 30 km Übungslauf im Central Park ansteht. Schöne Aussichten, oder?
KEEP TALKING (8) – 18 Monate USA
Wie eineinhalb Jahre USA langsam ihre Wirkung zeigen. Und warum es manchmal auch witzig ist. Zum Beispiel, wenn Theo sagt „Wir sind an Butter ausgelaufen!“ Gleich geht’s in den Sommerurlaub nach „Good Old Germany“. Die Zeit in Deutschland kommt wie gerufen – mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass die vier kaum noch einen „geraden“ deutschen Satz herausbringen. So fragte mich Theo (9) kürzlich, nachdem er mir etwas erklärt hatte und wissen wollte, ob ich das verstanden habe: „Kriegst du das?“ Ole (6) erzählte mir begeistert nach dem summercamp: „Ich bin durch die pit gecrawled“, und Paul (4) berichtete: „Da sind twenty-one people in dem Bus. Ich hab gecounted.“ Paul hat seit einigen Wochen einen genial einfachen Trick gefunden: „Ich trinke nur das Saft./ Mama, kannst du das Rest essen? / Ich komme mit das Buch.“ Warum sich mit einer unpraktischen Sache wie Artikeln aufhalten … (die anderen drei machen diese Fehler nicht!). Und Tim (7) bringt es kurz vor unserem Abflug nach Deutschland auf den Punkt: „Ich freue mich total, nur noch zwei mehr Tage bis wir fahren.“ Im Englischen sind Tim und Theo mittlerweile richtig zuhause. Ein Blick auf ihren Test Ende dieses Schuljahres zeigt, dass beide vor allem im mündlichen Sprachgebrauch riesige Fortschritte im Vergleich zum letzten Jahr gemacht haben. Tim ist im Sprechen bis zur obersten Kategorie geklettert. Theo hat sich vor allem in den Bereichen „Hören, Sprechen und Schreiben“ weiter verbessert. Hier einige Beispiele aus unserem Alltag: Tim: Wie magst du mein Flugzeug, Mama? (Juni 2011) Theo: Wir sind an Butter ausgelaufen. (Juni 2011, als er feststellt, dass wir keine Butter mehr haben.) Theo: Ich bin ernst. (Mai 2011, als er sich nicht ernstgenommen fühlt und mir klar machen will, dass ich ihn ernst nehme.) Paul: Ich trinke nur das Saft / Mama, dann kannst du das Rest essen / Ich komme mit das Buch. (Mai 2011; Paul benutzt fast nur noch den neutralen Artikel – das hat er vor einem Jahr noch nicht gemacht. Die anderen machen diese Fehler so gut wie gar nicht.) Tim: Mama, kannst du wieder mit mir …
Ein Marathon zum Geburtstag
Warum ich Pech in der „Marathon-Lotterie“ hatte und trotzdem mitlaufen darf. Wem die 100 Dollar pro Marathon-Meile zugute kommen und was das Ganze mit meinem runden Geburtstag zu tun hat. Und warum mein Wunsch geldgierig und uneigennützig zugleich ist. So, und nun erzähle ich, was dieser Marathon mit meinem runden Geburtstag zu tun hat: Einige von euch haben ihn schon hinter sich (und leben auch noch ganz gut ;-)), für manche ist er noch Lichtjahre entfernt. Aber für mich steht er dieses Jahr (2011) vor der Tür: der 40. Geburtstag. Ganz ehrlich: Freudentänze führe ich nicht auf, aber Bange machen gilt nicht. Und Jammern hilft sowieso schon mal gar nicht (eher im Gegenteil) – dann doch lieber „volle Kraft voraus“. Über Umwege ist mir tatsächlich etwas in den Schoß gefallen, das diesen Geburtstag nun doch zu einem positiven Ereignis werden lässt. Manchmal braucht man einen Umweg Ich habe mich dieses Jahr bereits zum zweiten Mal beim NYC-Marathon beworben, es aber – zu meiner großen Enttäuschung – wieder nicht in der Lotterie geschafft. Da muss man dann schon mal „out-of-the-box“ denken und „Plan B“ aktivieren: Ich bin also Mitglied bei der New Yorker Wohltätigkeitsorganisation „Team for Kids“ geworden und bekomme somit doch eine Startnummer für den „ING New York City Marathon 2011“ am 6. November. Als Gegenleistung für den garantierten Startplatz habe ich mich verpflichtet, 2.600 Dollar (für jede Marathonmeile 100 Dollar) für diese Organisation zu sammeln. Team for Kids New York Road Runners ist eine Wohltätigkeitsorganisation („Non-Profit-Organisation“) mit Sitz in New York, deren Ziel es ist, Menschen durch Laufen zu helfen und sie zu inspirieren. Seit über zehn Jahren hat die NYRR ein spezielles Programm, das „Team for Kids“, mit dem sie Kinder in New York, einigen anderen US-Staaten und sogar in Kapstadt zum Laufen bringen – gerade die Kids, die sonst den ganzen Tag in der Schule oder zuhause nur herumsitzen, sich nicht oder nur wenig bewegen und dabei immer dicker werden. Aus deutscher Sicht hört sich das jetzt vielleicht etwas eigenartig an; manch einer mag auch sagen, dass die Amis selbst schuld daran sind, aber die Kinder können …
Mein ganz persönlicher Schatz
Aber das Beste kommt am nächsten Tag. Der Tipp von unserem asiatisch aussehenden, amerikanischen Touristenführer, der zu unserer totalen Überraschung mit muttersprachlichem Deutsch in ein Gespräch zwischen Marc und mir einsteigt (sein Vater war in Deutschland stationiert): In den nationalen Archiven kann man sich kostenlos eine Sammlung an historischen Dokumenten der Unabhängigkeit der USA anschauen. In imposanten halbrunden Gewölbehallen liegen die drei „Charters of Freedom“ nebeneinander in prunkvollen Schaukästen: „Declaration of Independence“ (1776), die „US Constitution“ (1787) und „The Bill of Rights“ (1789), im Halbdunkeln und Eiskalten und im Edelgas Argon gelagert. Hier ist nichts „hands-on“: Nicht zum Anfassen, nicht zum Riechen, nicht zum Fotografieren, aber doch wohl zum Lesen und nicht weniger beeindruckend. Ich weiß sofort, wo ich hinwill: Es ist schon ein besonderer Moment für mich, eine ca. 60 x 80 Zentimeter große Original-Urkunde der Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1776 vor mir zu haben. Das Lesen fällt nicht gerade leicht: Eine Zeile ist 60 Zentimeter lang, die Schrift recht klein und verschnörkelt und in den letzten knapp 230 Jahren fast komplett verblichen (das dicke Panzerglas macht die Sache auch nicht gerade leichter). Trotzdem: Ich lehne mich auf den Schaukasten und suche die Zeilen mit meinem Finger ab. Und dann finde ich doch tatsächlich den Satz, den ich auswendig kenne und den ich schon so oft als Papierarbeitsblatt an meine Schulkinder ausgeteilt habe: „We hold these truths to be self-evident that all men are created equal, that they are endowed by their creator with certain unalienable rights, that among these are life, liberty and the pursuit of happiness …“ Das steht echt da, Wort für Wort! Auf Deutsch wäre das so ungefähr: „Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, dass alle Menschen gleich erschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, dass zu diesen Leben, Freiheit und das Streben nach Glückseligkeit gehören.“ Die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten, maßgeblich verfasst von Thomas Jefferson, ist das erste offizielle Dokument, das allgemeine Menschenrechte postuliert hat. Sie ist bis heute unübertroffen als Signal, wenn es um die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Volkssouveränität geht. Ich bin jedenfalls …
Vom Schul-Dresscode im Sommer, vom Schwimmen und Frieren und vom „Spring Sing“. Warum mich immer mal wieder der Eltern-Blues plagt und „Positive Discipline“ mir hilft. Und wie wir mit „Strep-Throat“ alle verrückt gemacht haben. Der Mai fängt so an, wie der April aufgehört hat. Von Frühling keine Spur: viel zu kalt und viel zu viel Regen. In den (wenigen) Regenpausen gibt es dafür wirklich spektakuläre Naturschauspiele. Wenn eine Windböe kommt und in die Blüten der Bäume fegt, sieht der umherfliegende weiße Pollen wirklich wie Schnee aus – verrückt. Theo (8) und Tim (7) husten und schniefen ganz schön. Die Magnolienbäume blühen erst spät, und durch heftigen Regen ist die Pracht auch schnell wieder zerstört (kein Vergleich zum letzten Jahr 🙁 ). Aber was sollen wir uns beschweren – in Joplin (Missouri) sind diesen Monat über 100 Leute bei einem Tornado umgekommen. Für genau 38 Minuten hat der EF 5-Tornado mit mehreren Wirbeln in Joplin gewütet, mit einem Durchmesser von 1,6 km (1 Meile). Insgesamt liegt die Zahl der Tornado-Opfer 2011 höher als seit über 60 Jahren und es entstand ein Sachschaden von 2,8 Milliarden Dollar. Wie gut, dass wir nicht in einer typischen Tornado Region liegen (und wenn es einen Tornado hier in NJ gibt, dann ist es keinesfalls einer dieser gigantischen Monsterstürme).
Eis mit Musik
Das Leben auf den Spielplätzen kommt wieder in Gang, und immer öfter hört man den Eiswagen anrollen, angekündigt durch eine verzerrte zweistimmige Synthesizer-Musik. Aber unsere Kinder stört diese „Gruselmusik“ nicht: Sie stürmen wild enthusiastisch nach den ersten beiden Tönen den anderen Kindern hinterher, um sich dann gesittet in der Schlange anzustellen: Es gibt fertig verpacktes Eis am Stiel – Bällchen bekommt man hier nicht.
Besuch weg, Mücken da
Auch bei uns zuhause tut sich eine Menge: Im Mai fliegen alle unsere Kurz- und Dauergäste kurz hintereinander wieder nach Hause. Nach insgesamt 23 Wochen mit Besuch sind wir jetzt wieder unter uns – auch schön! Ohne „Beobachter“ ist das Familienleben weniger dynamisch, man kann mal fünf gerade sein lassen und endlich wieder in Unterhosen durch die Gegend laufen, wenn man sich nachts Wasser holt. Und Marc und ich müssen uns auch nicht mehr in unsere Waschküche zurückziehen, um ein ungestörtes Wort wechseln zu können. Als alle weg sind, kommt Ende Mai dann doch endlich mal der Sommer mit 25 bis 30 Grad – und mit ihm auch die endlosen Mückenscharen. Durch das feuchte Wetter vorher gibt es beste Vermehrungsbedingungen, und morgens wird man am bus stop bei lebendigem Leibe fast aufgefressen!
Schul-Dresscode
Von Theos Schule gibt es in einem Elternbrief klare Ansagen, was den Sommer–Dresscode angeht. Eigentlich ist alles verboten, was Spaß macht: Die Schultern müssen bedeckt sein (also keine Tops für Mädels und keine „Muskelshirts“ für Jungs). Es darf keine Unterwäsche sichtbar sein, Oberteile müssen über die Taille gehen. öcke und Hosen müssen so lang sein „to meet the fingertips when the arm is at rest at the side“ (und bei den Miniröcken gehört trotzdem immer noch eine Art Sporthose unten drunter). Keine nackten Rücken, keine offenen Schuhe („inappropriate in terms of safety“! – unsere deutschen Sandalen sind also auch verboten), keine Hüte, Tücher, kein Schmuck, keine Flip-Flops. Die Begründung kommt am Ende des Briefes: „Our students are becoming young ladies and gentlemen and should dress accordingly – with comfort and good common sense … It is important that we all adhere to these guidelines because students who arrive at school in inappropriate attire will be sent home to change“. Also, wenn ich da an meine Schule in Deutschland denke, müssten an heißen Tagen gleich alle Schüler/innen sowie die Hälfte der Lehrkräfte zum Umziehen nach Hause geschickt werden – und das eher weniger wegen offener Sandalen 🙂 .