Vom Glück, mal ganz allein zu sein, und von der völlig neuen Sicht auf New York City. Warum „Irene“ meine Urlaubspläne über den Haufen geworfen hat und wieso ich lerne, blitzschnell Dinge aus dem Kühlschrank zu nehmen. Und wer „mit mir heiraten will“.   Fliegender Wechsel Marc und ich machen fliegenden Wechsel: Er kommt nach Deutschland und ich mache mich schon auf nach New Jersey – wir treffen uns am Flughafen Newark zum gemeinsamen Mittagessen und allgemeinen Schlüsseltausch.

Alleinsein, NYC und mein erster Ü30km-Lauf

Zwei Wochen nur für mich! Mein „Ferienprogramm“: Laufen mit Sightseeing, Freunde treffen – grandiose Aussichten. Am Anfang läuft alles nach Plan: entspannter Flug, nur lesen und Filme gucken. Am Flughafen Newark begrüßt mich eine Flughafenangestellte an der „Schnittstelle“ zur Außenwelt: „Welcome home“! Und genau so fühlt es sich auch an – schön, wieder da zu sein! Gut gelaunt mit „Frappuccino“ im cupholder geht´s im Honda zur Carton Road. Vertraute Hitze und endlich wieder das Zirpen der Grillen. Ich kann es kaum glauben: Niemand will morgens um sieben Uhr von mir wissen, wie viele Stunden es noch bis zu seinem nächsten Geburtstag sind. Kein Streit beim Abendessen, weil der andere mal wieder gemeinerweise mehr Löcher im Käse hat. Die Küche bleibt öfter kalt. Es ist kein einziger Legostein weit und breit zu sehen! Ich muss mein „Süß“ nicht verstecken. Ich brauche statt fünf Gebisse und 100 Finger- und Fußnägel nur meine eigenen pflegen. Ich mache quasi nichts im Haushalt und es sieht trotzdem immer top aufgeräumt aus. Ich kaufe nur ein, was MIR schmeckt und das direkt für zwei Wochen – trotzdem ist noch der halbe Einkaufswagen leer. Die Wasch- und Spülmaschine werden einfach nicht voll. Das ist schon was für mich – ich muss am Anfang total oft seufzen – Stille im Haus – purer Luxus. Dann kommt aber doch wieder eine kurze Eingewöhnungsphase: Die Hitze haut mich beim Laufen um, es ist viel bergiger als in Deutschland, und statt Hundehaufen und Nacktschnecken muss ich mich erst mal wieder an die 40 Meilen schnellen Autos gewöhnen, die mit nur einem Meter Abstand an mir vorbeirasen. Ein Unwetter überrascht mich, ich rette mich ins nächste Gebäude, aber auch nach 45 Minuten gibt es keine Besserung. Ich rufe eine Freundin an, die mich mit dem Auto dort abholt – die Blitze schlagen immer noch ein, nur über Umwege kommen wir nach Hause (einige Straßen sind schon wegen Überflutung unpassierbar) – ich hatte ganz vergessen, dass hier öfter mal kurz die Welt untergeht.

Stimmen von Zuhause

Marc und Vitoria schlagen sich tapfer zuhause. Ich freue mich unheimlich über Kinderchaos am Telefon – tut gut, die Kids zu hören, aber eben NUR zu hören – und nach dem Auflegen wieder die absolute Ruhe zu genießen.

Ü30K

Mein erster Lauf über 30 Kilometer geht immer im Kreis herum im Central Park. Am Anfang ist es nur hügelig, aber mit der Zeit wird’s bergig. Morgens um fünf Uhr haben wir schon 23 Grad und entsprechend schmelze ich dahin – da tut eine Abkühlung aus dicken Wassersprengern gut! Blöd nur, dass ich danach mit nassen Schuhen weiterlaufen muss und mir Blasen unter zwei Fußnägeln hole …

Summer Streets of New York City

An den ersten drei Samstagen im August gibt es die sogenannten „Summer Streets of NCY“, d.h. einige Bereiche in New York sind für für Autos gesperrt und nun heißt es spielen, spazieren gehen, laufen und Fahrrad fahren. Das ganze fühlt sich an wie eine große „Sommerparty“ auf den Straßen von New York. Nach meinen Läufen mache ich mich also auf, mir diese „Sommerstraßen“ einmal genauer anzugucken.

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Hurrikan Irene

Wie es mit Hurrikan „Irene“ war, warum man bei Sturmdrohung seine Badewanne füllen sollte und wie sehr man sich über eine Batterie-Packung im Supermarkt freuen kann. Auf welche Weise man blitzschnell Dinge aus dem Kühlschrank nehmen kann, wenn’s drauf ankommt, und welche Folgen es manchmal hat, wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.   Irene – sprich: [ˌaɪˈɾiːn] Ende August 2011 warf der Hurrikan „Irene“ nicht nur meine „Urlaubspläne“ über den Haufen, sondern brachte das Leben an der gesamten US-Ostküste für einige Tage zum Stillstand. Der tropische Sturm war nicht nur hier ein Thema, sondern rund um den Globus in den Nachrichten – insofern wisst ihr bestimmt schon Bescheid. Die „fast facts“ Die Amerikaner/innen haben definitiv mehr Routine als die Europäer/innen in Sachen „Naturdesaster“: Wildfeuer, Trockenheit und Hitzewellen, Tornados, Überflutungen, Schneestürme und Hurrikans kosten hier jedes Jahr viele Menschenleben und sorgen für enormen ökonomischen Schaden. Irene reiht sich da irgendwo mit ein – ihr Ruf wird nicht so schlimm bleiben, wie es zunächst aussah – Gott sei Dank. Schon gewusst? Der Hurrikan wird zurzeit zu den „Top 10 of US Desasters“ gezählt. Hier ist Irene in Zahlen. Aber was sagen schon Zahlen – der Spruch unseres Kalenders in der Unglückwoche: „Nicht alles, was zählt, kann gezählt werden und nicht alles, was gezählt werden kann, zählt.“ (Albert Einstein). Daher gibt es für die, die es interessiert, nun meine ganz „private Version“ – ohne viele Zahlen. Für mich war es immerhin das erste angekündigte „Naturereignis“ einer solchen Dimension – Hurrikans kannte ich bisher nur aus den Fernsehnachrichten. Der Blick von außen auf so eine Naturgewalt unterscheidet sich doch sehr von dem, was man so „durchmacht“, wenn man mitten drin ist – das schon mal vorab. Daher mein Ratschlag an alle „Schlaumeier“: Den Leuten, die nun davon reden, dass im Vorfeld „Panikmache“ betrieben und die Sache insgesamt zu hoch gepuscht worden sei, empfehle ich, doch beim nächsten Mal „live“ mit dabei zu sein (wir stellen unser Haus und unseren Garten für alle Freiwilligen zur Verfügung). Und die, die meinen, New York City habe nicht …

Juhu – die Kids sind wieder da!

Als Morristown nach dem Sturm wieder fast normal funktioniert, kommt der Rest der Truppe aus Deutschland hier an. Ein großes „Hallo“ am Airport, die Kids lassen mich gar nicht mehr los und wollen wissen, ob der Baum noch im Garten liegt. Beim Koffertragen kann ich nicht helfen, weil sich auf dem Weg zum Parkplatz zwei warme, weiche Kinderhände darin geparkt haben – das fühlt sich wieder richtig gut an (armer Packesel Marc). Aufregung, als wir im Haus ankommen: Die Kids begutachten den umgefallenen Baumriesen im Garten, der nur knapp ihr Kinderhaus verfehlt hat. Sie verschwinden in ihre Zimmer, man hört nur „geil“, ein Rumpeln und ein Krösen überall – es ist wieder Leben im Haus. Paul (4) stellt sein Kinderstühlchen weg: „Das brauch ich jetzt nicht mehr – ich bin jetzt groß.“ Ole (6) kommt immer wieder zu mir und will wissen: „Mama, bist du schon verheiratet?“ Theo (9) kommentiert: „Der will mit dir heiraten.“ Das merke ich mir für die Zukunft: Einfach mal weg von zuhause, mal richtig entspannen, und anschließend lammfromme Kids, die einem aus der Hand fressen. Jetzt noch ein letztes Mal acht Koffer auspacken und im Keller verstauen … für lange Zeit brauchen wir die nun nicht mehr, denn dieses Jahr bleiben wir Weihnachten hier. Und in ein paar Tagen geht die Schule wieder los … Theos Schule steht allerdings noch teilweise unter Wasser, wie man hört. Der Lehrerin sollen auf der Treppe schon die Frösche entgegengekommen sein – das Schulterrarium im Keller war in der Flut umgekippt und das Wasser hatte die Amphibien befreit 🙂 . Wie gut, dass Theo seine Bücher nicht zum Ende des Schuljahres zurückgegeben hatte – die pünktlich zurückgegebenen Bücher sind nämlich jetzt Pappmaschee. Mal abwarten, ob die Schule pünktlich wieder aufmacht.

Warum die amerikanischen moms unsere Schulen so gefährlich, unsere Schwimmbäder so unanständig und die Brötchentüte auf der Bild-Zeitung skandalös fänden. Wie unsere Jungs ihre Freiheit genießen und warum Tim wieder „nach Hause“ nach New Jersey will.   Unsere Zeit in Deutschland diesen Sommer war insgesamt schön ruhig. Zugegeben, in der ersten Woche, wenn man so ganz frisch „re-importiert“ ist, springen einen die Unterschiede unablässig an, aber nach ein paar Tagen hat man sich schon wieder ganz gut dran gewöhnt. Die Kinder wildern sich nach dem ersten Schock richtig aus und werden viel unabhängiger. Und Vitoria, unser brasilianisches Au-pair, das uns begleitet, hat Deutschlandpremiere und schlägt sich wacker (ohne ein Wort Deutsch zu verstehen!).

Im Flieger geht’s schon los

Wir dürfen wieder als erste ins Flugzeug (family boarding) und haben daher genügend Zeit, alle nachkommenden Passagiere ganz in Ruhe zu beobachten:   Die Deutschen meist bestrumpft und geschlossen „beschuht“, mit Fleecejacken, tendenziell eher ungeduldig, einige bedienen sich einfach an den Zeitschriften in den overhead bins. Die Amerikaner/innen Baseballkappen, halbnackte Babys auf dem Arm, eher geduldig (wenn der Vordermann Sachen im overhead bin verstaut), pedikürte Füße in Flip-Flops, fragen die Flugbegleiter/innen, ob sie eine Zeitschrift haben können. Die erste Woche … … ist teilweise etwas anstrengend und auch aufregend. Paul (4) schläft mit Jetlag vor dem Fernseher, Tim (7) macht zum zweiten Mal in seinem Leben Erfahrungen mit Brennnesseln, und Theo (9) ist bei der Uhrzeit komplett verwirrt („Halb drei?“ – Is that two thirty, or three thirty? – I don’t get it). Beim gemeinsamen Mittagessen üben wir dann alle mal wieder, mit geschlossenem Mund zu essen, und statt des Tutens vom NYC-Zug hören wir jetzt wieder regelmäßig das Glockengeläut der Kirchen – ungewohnt vertraut.   Als wir mit dem Auto unterwegs sind und Radio hören, wundert sich Tim: „Gibt es in Deutschland kein Radio?“ – „Warum?“ – „Aber das sind doch alles englische Lieder?“ Und als ich mit WDR 5 ein bisschen tagesaktuelle Politik tanken möchte, meldet sich Paul nach kurzer Zeit: „Ist das Deutsch?“ Dafür gibt es jedes Mal, wenn ein Betonmischer in Sicht ist, großes Gejohle auf der Rückbank (in New Jersey gibt es die nur super selten, weil ja alles aus Holz gebaut wird). Eine liebe alte Nachbarin grüßt mich zufrieden: „Hallo Fräulein Britta, sind Sie ein bisschen dicker geworden?!“ Also, dass die Hosen an den Beinen enger geworden sind, mag ja an Muskeln liegen, aber in der Taille … – blöde Esserei, schwer zu dosieren für mich wegen der Lauferei. Also abgenommen habe ich definitiv nicht, aber solange der Gürtel noch ins selbe Loch passt, auch wenn´s enger wird, bleibe ich cool (die Waage habe ich vor Jahren aus dem Fenster geworfen). Ohne Flagge? In Deutschland haben die Sommerferien noch nicht begonnen und so gehen Theo und Tim zum Unterricht in ihre entsprechenden Klassen – …

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Schulchaos Deutschland

Während der ersten Tage in Deutschland habe ich eine ganze Horde von meinen preschool moms im Schlepptau – fühlt sich jedenfalls so an. Jeder Versuch, sie abzuschütteln misslingt, sie verfolgen mich im Kopf auf Schritt und Tritt, und ich überlege bei vielen Situationen, was sie wohl jetzt denken oder sagen würden – es nervt. Deutschland aus der Sicht amerikanischer Mütter würde sich wohl etwa so anfühlen: Schon auf dem Schulweg bekommen meine amerikanischen Mütter ihren Mund nicht mehr zu. Überall sind Kinder unter zehn Jahren ohne Eltern auf den Straßen unterwegs – manchmal in Gruppen, manchmal auch allein. Meine „Begleiterinnen“ bleiben ganz nah bei mir und sind fürs Erste sprach- und fassungslos. Dann kommen wir auf dem Schulgelände an, die Kinder laufen wild rufend durcheinander, fröhlich bis wild, einige stellen Beinchen, andere fangen wieder andere an den Kapuzen, die Schulhofaufsicht ist nicht in Sicht: aufgeregtes Getuschel hinter mir – ich höre etwas von rough housing, not safe, und ich stimme irgendwie zu. Ja doch, da ist die Aufsicht, zwei Kinder berichten ihr, dass sich zwei andere Kinder gerade prügeln – die Aufsicht winkt ab („das machen die jeden Tag“), da kommen gerade andere Kinder mit ihrem Fahrrad über den Schulhof gebraust (vielleicht aus der zweiten Klasse?). Offenes Staunen, einige missbilligende Worte – viel zu gefährlich. Wo sind bloß all die Eltern zu diesen Kindern? Ich ertappe mich, wie ich auch fast die Kamera zücke, um ein Foto zu machen. Ein Gewusel mit hohem Lärmpegel. Ein Kind ist am Boden, wird von anderen verprügelt – ich mische mich ein. „Der will das so!“, lautet die Verteidigung. Himmel, ist das der Wilde Westen hier? Meine New Jersey moms pendeln zwischen Ungläubigkeit und Entgeisterung, stehen unschlüssig auf dem Schulhof herum und beobachten alles ganz genau. Nun bringen wir Tim zu seiner Klasse (die Klasse, in die er in einem Jahr nach unserer endgültigen Rückkehr hineinkommen wird). Er darf dieses Jahr für die letzte Schulwoche schon zum „Schnuppern“ kommen. Die Schultür ist natürlich für alle offen, die moms tauschen ungläubige Blicke aus! Eltern, Kindern, Lehrer/innen, Großeltern … alle gehen hier ein und aus, wie …