Wie geht es mit den Kindern in Deutschland weiter?

 

Vor zwei Jahren haben wir Theo (7), Tim (6), Ole (4) und Paul (2) aus ihrem Leben „herausgerissen“ und sie nach Amerika verpflanzt. Mittlerweile haben sie Wurzeln geschlagen, finden sich im Alltagsleben gut zurecht, haben neue Freunde und lieben es, freitags nach der Schule vor dem Kamin zu sitzen. Jetzt im Januar, fünf Monate vor unserem Umzug, ändert sich die Blickrichtung für uns wieder Richtung Deutschland. Und auch, wenn sich „äußerlich“ noch nicht so viel tut, finde ich dieses Umschwenken im Kopf ganz schön anstrengend. Wie wird die Anpassung „rückwärts“ wohl werden? Wie wird es mit der Schule und mit Freunden laufen?

Ole (6) wird in Deutschland eingeschult. Jetzt gilt es, eine geeignete Schule für ihn zu finden. Wir wollen auf jeden Fall vermeiden, dass er „Schiffbruch“ erleidet, von daher kein „swim or sink“ mehr, wie hier am Anfang – er braucht definitiv mehr Unterstützung als ein „Durchschnittskind“. Daher müssen wir uns Schulen ansehen, die diese Extrabetreuung bieten – kein leichtes Unterfangen, und aus dieser Entfernung schon mal gar nicht.

Marc führt einige nächtliche Gespräche (Zeitverschiebung!) mit Grundschulen, denn der E-Mail-Kontakt ist an deutschen Schulen definitiv noch nicht so gut „entwickelt“ wie hier. Das kommt mir vor wie ein „Déjà-vu“, als ich vor zweieinhalb Jahren nachts in Deutschland am Telefon hing und die ersten Termine beim Kinderarzt in den USA zum „annual check“ gemacht habe. Marc fliegt zweimal nach Deutschland, führt Gespräche mit Schulleitungen und guckt sich Schulen an – und eigentlich wäre ich auch gerne mit dabei … aber okay.

Außerdem wollen wir die Zeit hier noch nutzen, eine detailliertere Diagnose für Ole zu erhalten als die vor anderthalb Jahren in Deutschland („Verdacht auf ADHS“). Es geht uns nicht ums „Label“, sondern darum, die Therapien besser abstimmen zu können und auch zu schauen, welche Fördermaßnahmen wir an der Schule einfordern können. Eine Testung hier kam bisher nicht in Frage, weil Ole zuerst einmal genug Englisch können muss. Daher stehen nun viele Extratermine für diverse Tests und Gutachten im Child Development Center im Morristown Memorial Hospital an, ich fülle jede Menge dieser endlosen Fragebögen über Oles Entwicklung aus (manche haben tatsächlich 250 Fragen!). Ole wird also neurologisch, psychologisch, audiologisch, educational (die Bildung betreffend) getestet – anstrengend. Und ich finde alles ziemlich aufwühlend und anstrengend. Aber was soll erst Ole sagen, der durch die ganzen Tests durch muss! Bisher hat er richtig gut mitgemacht.

 

Paul (4) wird noch ein Jahr in den deutschen Kindergarten gehen. Dort kann er endlich mal im Matsch buddeln, auch bei schlechtem Wetter. Wir hoffen, ihn dann nicht mehr alleine mit hängendem Kopf über den Spielplatz stapfen zu sehen wie hier. Er selbst findet die Idee mit dem Kindergarten übrigens bei weitem nicht so gut wie ich und protestiert lautstark: „Ich will nicht mehr in den Kindergarten!” Er will lieber in die Schule gehen, wo er doch jetzt so auf Zahlen und Buchstaben gedrillt ist. Wenn wir hier blieben, würde er im September tatsächlich in die Vorschule, also den amerikanischen “Kindergarten”, kommen, wo er dann auch von morgens 9 bis nachmittags um 15 Uhr die Schulbank drücken müsste.

 

Tim (8) kommt in die 3. Klasse der Grundschule bei uns um die Ecke. Er hat also die ersten beiden Grundschuljahre in Deutschland verpasst und kann Deutsch weder lesen noch schreiben. Aber zumindest hat er noch zwei Jahre Zeit, um aufzuholen und sich umzugewöhnen, bis es für ihn auf die weiterführende Schule geht. Diesen Monat ist er in der Schule als „safety patrol“ eingeteilt, d. h. er muss/darf nach der Schule im Gang stehen und aufpassen, dass sich alle Kinder an die Regeln halten (z. B. nicht rennen, nicht streiten). Er macht seinem Job alle Ehre und ermahnt viele: „No running.“

 

Theo (9) kommt in die 5. Klasse auf das Gymnasium bei uns in der Nachbarschaft. Ihm „fehlen“ zweieinhalb Jahre deutsche Grundschule. Eine wichtige Frage, die sich für ihn stellt, lautet: Latein oder Englisch? Englisch wäre etwas langweilig für ihn, aber ob er deswegen Latein wählen soll? Marc und ich beraten ihn, entscheiden wird er allein. Bei seinem Harry Potter-Faible tippe ich auf Latein – mal abwarten.