Vitoria und die amerikanische Polizei

Vitoria und die amerikanische Polizei

„Ring, Ring“ – Anruf von Vitoria: Wildes Schluchzen – sie erzählt etwas von Polizei und davon, dass ich sofort kommen soll: „I don’t understand. I don’t understand. You talk to her.“ Kurze Pause – dann die wilde Schreiattacke einer zweiten Stimme: „Get back in the car. Get back in the car. Get back in the car.“ Das hört sich nicht gut an.

Was man an dieser Stelle wissen muss: Im Gegensatz zur deutschen Polizei überholt einen die amerikanische Polizei auf der Straße nicht, sondern sie bleibt mit wildem rot-blauen Geblinke und Geheule hinter einem (im Dunkeln sieht das aus, als ob ein Ufo hinter einem landet – ihr kennt das aus Filmen!). Wenn man im „verfolgten“ Auto sitzt, ist danach folgendes Vorgehen angesagt:

Rechts ranfahren, Scheibe runterkurbeln, Hände ans Lenkrad und warten. Und dann artig und respektvoll (oder sogar ein bisschen unterwürfig) antworten: „Yes, Sir …, no Madam …) und bloß keine falsche Bewegung – man weiß ja nie, ob der/die Polizist/in nicht denkt, dass man da gerade seine Waffe rausholt.

Die Polizei lässt dabei ihr Weihnachtsbaum-Geblinke die ganze Zeit an – von daher war es für mich nicht schwer, Vitoria in Morristown zu finden. In Tränen aufgelöst sagte sie immer wieder, dass sie nichts falsch gemacht habe. Der weibliche Officer sah das anders und listete mir ziemlich verärgert Vitorias sämtliche Vergehen auf: über Rot gefahren, halbe „Verfolgungsjagd“ um den Marktplatz (Vitoria hat nicht sofort angehalten), ohne jede Papiere unterwegs (keine Foto-ID, kein Führerschein, kein Pass, gar nichts – Vitoria?!). Dazu habe sie auch noch ziemlich darauf insistiert, dass sie nichts falsch gemacht habe und habe keine Reue gezeigt. Dann ist sie aus dem Auto gestiegen (!) und zur Polizei hinübermarschiert (ganz schlechte Idee hier in Amerika…) – viel mehr kann man eigentlich nicht falsch machen…

Ihre Fahrerlaubnis für NJ ist sie jetzt jedenfalls mit sofortiger Wirkung los – was ein bisschen verrückt ist, weil sie den NJ Führerschein ja dafür erst mal bestanden haben müsste, was aber noch nicht der Fall ist. Wir werden also bald vom Gericht hören.

Alles in allem kein richtig guter Abend: Vitoria ist ziemlich mitgenommen und super sauer auf die Polizistin, weil sie so angeschnauzt worden ist, Theo und Tim mussten eine Stunde beim Karate auf ihren pick-up von Vitoria warten, ich habe die Back-to-School Night verpasst (auf der mich Vitorias Anruf erreichte), und nun muss ich alle Fahrdienste wieder alleine erledigen. Richtig zufrieden sind nur Ole und Paul, weil aus der wenig beliebten Aktion „Brüder vom Karate abholen“ ein richtiges Abenteuer geworden ist. Sie saßen die ganze Zeit mit großen Augen und Ohren mucksmäuschenstill hinten bei Vitoria im Auto und fanden das Ganze super spannend.

 

Ich bin auch schon angehalten worden. Der Polizist ließ mich erst mal „schmoren“, kontrollierte wohl gerade das Autokennzeichen mit dem Computer im Auto (sogenannter „spot check“). Dann erschien er am Fenster und blaffte mich ohne Begrüßung an: „Who’s Marc?“. „My husband. I’m his wife.“ Und dann sagt der doch: „I don’t care who you are. Just tell him that the registration has expired last month.” Mit den Worten, er hätte jetzt keine Zeit mehr, war er schnell verschwunden und der Spuk war vorbei. Das Beste: Das war alles Blödsinn – unsere Registrierung war noch viele Monate gültig. Was bitte schön sollte das also?

Ganz ehrlich – die amerikanische Polizei werde ich in Deutschland sicherlich nicht vermissen. Ihre Hierarchien und Kompetenzen finde ich undurchsichtig (Bezirkspolizei, Kommunalpolizei, Staatspolizei, Bundespolizei, selbst Sheriffs laufen einem über den Weg), und von außen wirkt das Ganze ein bisschen zu willkürlich. Ich traue amerikanischen Polizist/innen jedenfalls nicht richtig über den Weg – und habe immer Angst, dass man da auch großes Pech haben kann, je nachdem an welchen Typen man gerät. Da sind mir deutsche Polizist/innen eindeutig lieber.