Der April bescherte uns einen erholsamen Urlaub in Florida, einen Blitzsommer in NJ, eine ganz neue Partyerfahrung für mich („Babyregen“) und den Besuch bei einem Profi-Basketballspiel im Madison Square Garden in New York. Ansonsten drei recht normale Wochen für uns alle. Marc war viel mit seinem Flugzeug unterwegs. Inzwischen hat es sich bei unseren Gästen rumgesprochen, dass es für alle, die möchten, einen Gratis-Rundflug über New York City gibt (keine Sorge, er hat jetzt immer Spucktüten dabei, nachdem ihm ein Gast aus Deutschland seinen ganzen Rucksack „gefüllt“ hatte). Unsere Urlaubswoche in Florida Anfang April war der „Marker“ für uns – jetzt sind wir unter der Drei-Monats-Marke – etwas beängstigend.
Schöne grüne Hölle
„Looking a lot like August in the middle of April“, sagt das Wall Street Journal. Die Unruhe vom Frühling ist vorbei und im Haus und in der Nachbarschaft ist es wieder ruhiger geworden. Während der April letztes Jahr ins Wasser gefallen war und das Sprichwort „April showers, bring May flowers“ ja ziemlich gut passte, trifft es diesmal eher das deutsche „April, April, der macht, was er will“– aber weniger in Bezug auf Regen, als vielmehr auf die Temperaturen.
Wir dürfen Mitte April noch einmal einen „Spontansommer“ erleben. Innerhalb von 48 Stunden klettert das Thermometer von 5 auf über 30 Grad Celsius. Das ist schon immer wie ein kleines Wunder, und da der Umschwung so schnell kommt, erlebt man die Wärme viel intensiver, als wenn man längere Umstellungsphasen hat. Man legt von einem auf den anderen Tag den Wintermantel weg und läuft in Top und Sandalen herum. Das Leben sieht ein ganzes Stück freundlicher aus und die allermeisten Leute – die Kinder allen voran – genießen diesen vom Himmel fallenden Sommer. Besonders abends macht sich eine „mellow“ Stimmung breit, wenn eine wirklich warme Brise durch unseren Garten weht, die majestätischen Bäume uns wieder wohlgesonnen, die Kids geduscht und die Hausaufgaben fertig sind, dann gleiten wir alle ganz friedlich in den Abend.
Ich genieße das Barfußlaufen auf den Holzböden im ganzen Haus jetzt besonders, weil man gerade noch in dicken Socken gesteckt hat – das werde ich in Deutschland sehr vermissen. Ziemlich genau Mitte April bricht dann hier die grüne Hölle los. Gleiches gilt für die Spielplätze – sonntagnachmittags kann man an den angrenzenden Sportplätzen mit etwas Glück ein Lacrossespiel, Baseball- und Hockeytraining gleichzeitig sehen.
Die Freude währt nicht lange. Genau eine Woche, nachdem wir hier Sommer hatten, zieht ein Schneesturm über die Nordostküste. Im Nachbarstaat Pennsylvania fallen an einigen Stellen über 30 Zentimeter Schnee und die Bäume, die um diese Zeit schon ihre Blätter entfaltet haben, verlieren wieder etliche Äste. Bei uns gibt es Regen, Kälte und Wind, aber keine Stromausfälle – GOTT SEI DANK! Ein Meteorologe von CNN fasst es sehr treffend zusammen: „This has been a crazy, crazy winter in the region.“ Ja, stimmt genau!
Eine Frage des Sommers
An den Schulen ist eine Menge los – so findet im April der alljährliche „Take your kids to work-Day“ statt, an dem man die Kinder für einen Tag mit zur Arbeit nehmen darf. Außerdem muss Theo (9) wie alle anderen Schulkinder an dem staatsweiten Test „NJ ASK“ (New Jersey Assessment of Skills and Knowledge) teilnehmen. Alle Lehrer/innen sind super nervös, denn schlechte Ergebnisse fallen zu 100 Prozent auf sie zurück. Außerdem gab es in Theos Schule diesen Monat den Höhepunkt und Abschluss der „Coins for a Cause“-Aktion, für die die Kinder schon seit vielen Monaten Kleingeld (also „coins“) gesammelt und zur Schule gebracht haben.
Es standen insgesamt drei gemeinnützige Organisationen als Empfänger zur Wahl: The Seeing Eye (Blindenhunde), The Neighborhood House (Hilfe für Familien mit geringem Einkommen) und The Interfaith Food Pantry (Essenshilfe für bedürftige Menschen in der Nachbarschaft). Am Tag der Wahl haben sich diese drei Organisationen in der Aula der Schule vorgestellt und anschließend hat jedes Kind in geheimer Wahl eine dieser Gruppen gewählt. Am Nachmittag wurde der Gewinner im Rahmen eines sogenannten „ice cream social“ verkündet, d. h. es gab kostenlose Eiscreme für alle Anwesenden und Spiele auf dem Schulhof. Super Aktion „gelebter Demokratie“ für Grundschulkinder, wie ich finde: Alle Kinder engagieren sich, sammeln kleines Geld für einen guten Zweck, machen sich schlau, was die Organisationen eigentlich tun und entscheiden dann erst, welche Organisation sie wählen. Dieses Jahr hatten die meisten Kinder die Blindenhunde-Organisation gewählt.
Uns flattern wieder die „guidelines for appropriate school clothing“ (u. a. kein Schmuck, keine Muskelshirts, keine Mützen o. ä. …) ins Haus, ebenso die ersten summercamp- und pool-Angebote (die sogenannte „Early Bird Discount Registration“ – je früher desto billiger). Alles landet bei uns sofort im Altpapier, geht mich nichts mehr an – aber ich bin auch nicht wirklich traurig drum, denn es gab ja doch eine Menge Krisengespräche zwischen Marc und mir über die Gestaltung der ewig langen Sommerferien in den letzten zwei Jahren. Sechs Wochen Sommerferien statt zwölf Wochen „summer“ ist eins der Dinge, auf das ich mich in Deutschland uneingeschränkt freue 😉 .
Am 22. April wird hier der „Earth Day“ gefeiert – wie übrigens in über 175 Ländern auch. Aktionen sollen dabei helfen, die Wertschätzung für die natürliche Umwelt zu stärken und sein eigenes Konsumverhalten zu überdenken. Wie in Oles Bild kann man z. B. einen Baum pflanzen. Es gibt aber auch andere Ideen, z. B. dass alle Leute, die bei Facebook sind, an diesem Tag eine Minute kürzer duschen solle. Oder man macht mit Earth Day Clean up und sammelt Müll in der Natur auf. Wie wär‘s?
Schnipp-schnapp – das war’s
Anfang April sind es noch zweieinhalb Monate bis zu unserem Umzug zurück nach Deutschland – bei dem Tempo, mit dem die Wochen hier verfliegen, ist das für mich schon ein bisschen beängstigend.
Unsere engen Freunde haben die „Trauerphase“ des Abschieds inzwischen, wie es scheint, schon hinter sich. Jedenfalls fragt niemand mehr nach, warum wir zurückgehen und es versucht auch keiner mehr, uns umzustimmen. Das war vor einigen Monaten, als ich mich noch gar nicht damit auseinandersetzen wollte, ganz anders. Aber einige meiner Bekannten, die es jetzt erst mitbekommen, sind tatsächlich kurz heftig überrascht und manchmal auch geschockt: „Oh, but I don’t want you to go – that’s sad.“ Da fällt mir dann irgendwie nie eine passende Antwort ein – Mist. Was kann man da auch sagen? Von wegen „… wir kommen ja öfter zu Besuch“ oder so etwas, das klingt alles irgendwie hohl, denn: „Let´s face it“ – das gemeinsame Alltagsleben mit den Leuten hier ist nun mal bald endgültig vorbei – schnipp, schnapp, abgeschnitten.
Die gute Nachricht zu diesem Thema: Ich hatte ganz schönen Horror vor der Umzugsgeschichte, aber es zeigt sich mal wieder, dass die Sache ihren Schrecken verliert, wenn man sie systematisch angeht. Jetzt haben Marc und ich jedenfalls eine vier Seiten lange Liste mit „action items“ und „due dates“ erarbeitet. Wir haben dadurch den Kopf wieder frei und baggern einfach Punkt für Punkt ab – geht besser als gedacht.
Für mich heißt das: eine Menge E-Mails und weiterhin eine Stunde „Entmisten“ pro Tag – funktioniert gut. Da unsere Kids zu den Jägern und Sammlern gehören, muss ich alles sofort entsorgen bzw. für die Kids „unsichtbar“ machen. Extramüll kann man hier ja gottseidank ganz bequem zum normalen Hausmüll dazustellen – wird alles mitgenommen, egal wie viel. Cool.
Gutes fürs Ohr
Mein großes Highlight beim Aufräumen: „WNYC, on 93.9 (gesprochen: ninety-three point nine), ein superguter öffentlicher Radiosender. Alle, die denken, dass Amis nichts im Kopf haben, können sich schnell selbst heilen, indem sie einfach mal reinhören – brillante Moderator/innen (wie ich finde), spannende Gäste, topaktuelle Themen, die einfach alles abdecken (von „uramerikanischen“ bis zu globalen Themen). Eigentlich sollten sich alle deutschen Oberstufenkurse beim Thema „American Dream“ hier mal so richtig einhören, eine Sendung auswählen und dann bearbeiten. Das wäre definitiv näher dran am heutigen „American Dream“ als das, was in den Schulbüchern geboten wird.
Das aktuelle Thema im Moment ist zum Beispiel „One World Tower löst das Empire State Building als höchstes Gebäude in NYC ab“. Oder auch: DNA-Analysen, mit denen man herausfinden kann, welche Vorfahren man hat (was hier in Amerika oft die erstaunlichsten Mischungen zutage bringt!).
Ein Zimmer verschwindet in 45 Minuten
Zurück zum Packen: Eines Nachmittags packen Theo (9) und Tim (8) auch schon mal mit an. Marc hatte ihnen gesagt, dass sie beim wöchentlichen Zimmeraufräumen alles, was sie bis Juli nicht mehr brauchen, in Kisten packen sollen. Und was geschah? In einer geschlagenen Dreiviertelstunde haben sie ihr GESAMTES Zimmer – wenig fachgerecht – in Kisten gestopft. Diesen Schlamassel muss Marc jetzt leider alleine auslöffeln, da habe ich mich diskret zurückgezogen.
Letzte „News“ zum Auszug: Wir haben unseren Rückflug wegen des verfrühten Sommerferienbeginns noch mal um eine Woche vorgezogen. Kinder sind etwas Wunderbares – aber beim Zusammenpacken eines Hauses kann ich sie echt nicht brauchen – das kann nur schiefgehen. Daher fliegen wir jetzt schon am 22. Juni zurück nach Deutschland.
Also, der Urlaub in Florida war für uns der Grenzpfeiler – danach wollen wir schon mal in die Feinplanung gehen. Es bleiben ja auch nur noch knapp zwei Monate …
Sport mit Stimmung und jeder Menge Show
Marc und ich besuchen ein Profi-Basketballspiel im Madison Square Garden.
Die lokale Mannschaft (New York Knicks) spielt gegen die Los Angeles Clippers.
Der Abend in einem Satz erzählt: Super-Basketball mit jeder Menge Show drumherum – von Anfang bis Ende total amerikanisch.
Vor dem Spiel herrscht in der vollen Halle Volksfeststimmung: Viele trinken Bier, Cheerleader tanzen auf dem Spielfeld, laute Musik, die Namen der Spieler werden wie auf der Kirmes beim Achterbahnfahren angesagt: tief anfangen, dann die Stimme hoch ziehen und dieser verrückte „Heimorgelsound“ „ta, ta, ta, ta“ (abfallend) – lautes Gegröle …
Auf dem Spielfeld: neun Schwarze, ein Weißer (ha, endlich mal umgekehrt!), zwei Schiedsrichter. Jeremy Lin, der Wunderknabe („rising star“) der NBA 2012, ist leider nicht dabei, krank. Hammer, wie groß die Spieler sind!
Die Zuschauer/innen sitzen bis ganz nah am Spielfeld – und sehen dabei etwas eingepfercht aus. Wenn die Knicks nach vorne gehen, lauter Applaus, beim Gegenzug gibt es Buhrufe. Sobald der Ball aus dem Spiel ist, wird Musik eingespielt, die auch erst langsam ausläuft, wenn der Ball schon wieder im Spiel ist. Das könnte ich mir in Deutschland gar nicht vorstellen – Basketballspielen mit „We will rock you“ oder „Beethoven“. Ich klatsche einmal aus Versehen, als Los Angeles einen wirklich guten Punkt holt – der Mann neben mir guckt im ersten Moment irritiert, aber grinst dann vor sich hin. Peinlich.
In der Pause ist dann „showtime“: Es gibt Gewinnspiele wie „Wer von der Mittellinie einen Korb wirft, gewinnt 1.000 Dollar!“ Schafft allerdings niemand … Dann: ein Heiratsantrag auf der Großleinwand („Krista Gaff, will you marry me?“). Und: viele Happy Birthday-Wünsche. Einige bekannte Leute, die im Publikum sitzen, werden mit Großbild eingeblendet, dann wird noch „eine Runde Orden“ verliehen – einer an ein krebskrankes Mädchen, einer an einen schwarzen Jugendlichen, der schon an der Uni ist, der letzte an einen Staff Sergeant, der ein Haus bekommt, ohne dass er eine Hypothek dafür aufnehmen muss. Dazu tanzen Mädels in ziemlich knackigen Anzügen, die immerzu in die Kameras grinsen und Kunststücke vorführen. Langeweile kommt da nicht auf.
Die NY Knicks gewinnen am Ende mit 99 zu 93 Punkten – war mal ein echtes Erlebnis – und das nicht nur wegen des Basketballspiels.
Meine erste „Baby Shower“
Ich habe meine erste Einladung zu einer „Baby Shower“ bekommen, noch dazu von einer Frau, die ich gar nicht kenne. Da war ich im ersten Moment platt. Was ist das und wie geht das? Also: Bei einer „Baby Shower“ wird nicht etwa ein Baby geduscht – wie man meinen könnte – sondern eine werdende Mutter wird mit Geschenken überschüttet, also „geshowered“. Und das meist, bevor das Baby da ist. Es ist Usus, dass einige gute Freundinnen der Mama in spe zu diesem Event einladen – nämlich deren Bekannte und Freundinnen (deswegen kannte ich die „host“, also die Gastgeberin auch nicht). Die Schwangere hat bei der ganzen Sache nur einen einzigen Job: alle Geschenke vor allen anwesenden Frauen öffnen – und begeistert sein!
Gefeiert wurde in einem „fire department“, anwesend waren etwa 60 Frauen, von denen ich einige vom Pick-up her kannte. Und dann ging´s los: Zuerst gab es Essen – anderthalb Stunden Fingerfood (viele Gäste hatten etwas mitgebracht) und dabei quatschen – nett und gemütlich und lecker.
Dann ging’s ans Geschenke-Auspacken – top organisiert von den „hosts“. Eine Helferin gab der werdenden Mutter die Geschenke vom Geschenketisch an, die sie ausgepackt und allen gezeigt hat, was es ist. Die zweite Helferin packte anschließend alles wieder ein (sie haben ja hier kein Geschenkpapier, sondern „Geschenktüten“ mit Seidenpapier – wie praktisch: dann kann der ältere Sohn, der als „Mann“ bei dieser Veranstaltung nicht dabei sein darf, zuhause auch noch mal alles auspacken). Eine dritte Helferin schrieb dabei genau auf, welches Geschenk von wem ist. Da die meisten den Geschenketisch bei Babies `r us genutzt hatten, gab es wohl keine großen Überraschungen. Zum Abschluss durften wir noch von den phänomenal dekorierten, bunten Cupcakes und Kuchen naschen.
Ich fand es schon klasse, einmal mit dabei zu sein. Es ist super, dass sich die Hauptperson um rein gar nichts kümmern muss, sondern nur sitzen und Geschenke auspacken darf. Aber es ist bei den Amerikaner/innen generell viel mehr Sitte als bei uns, für andere die Partys zu organisieren. Einer unserer amerikanischen Freunde äußerte sich einmal total befremdet darüber, dass wir Deutschen unsere Geburtstagspartys immer für uns selber organisieren müssten. Okay, kann ich nachvollziehen – aber für mich wäre diese Auspackerei vor so vielen Gästen gar nichts gewesen – da würde ich mich nur total gestresst fühlen.
Ich war platt von den thematisch perfekt abgestimmten Dekorationen auf dem Tisch und auf dem Essen: blau-weiße M & M’s (es wird ein Junge 🙂 ), auf dem Teller “A new little prince”, auf den Serviettenhaltern steht “Baby”, selbst die Wasserflaschen haben eine personalisierte blau-weiße Papierbanderole mit der Aufschrift “Welcome Baby Russ”. Auf den blau-weißen Cupcakes liegen Mini-Plastik-Schnuller. Da haben sich die Gastgeberinnen auf jeden Fall mächtig ins Zeug gelegt! Vergleiche habe ich ja leider nicht, aber war schon cool.
Und ein neues Wort habe ich auch noch dazu gelernt: „Onezie“ – das ist ein Strampler für Babies. Einen „Twozie“ für Zweijährige gibt es übrigens nicht, wie eine Mutter bei mir am Tisch als Anekdote über ihre Tochter erzählte, die wohl die gleiche Frage wie ich gestellt hatte. 🙂
+++ Morristown Newsflash 04/2012 +++
Eine köstliche Nachricht noch: Wir haben ein neues Café am Green bekommen, das vielleicht die schmerzliche Lücke des geschlossenen „Greenberrys“ etwas schließen kann: eine etwas eigenwillige Ansammlung verschiedener Stilrichtungen. Die Wände tragen eine „scratchy-sniff“ wallpaper, eine Tapete, die anfängt zu duften, wenn man daran reibt (was die sich nicht alles für einen Quatsch einfallen lassen …). Und unter die Decke ist eine Eisenbahnstrecke gehängt, auf der tatsächlich eine Eisenbahn herumfährt (habe ich hier jetzt schon häufiger gesehen).
Das neue Café liegt zentral, alles ist „homemade“, es gibt sogar selbstgemachte Eiscreme, man kann draußen sitzen, die Bechergrößen sind „small“ und „large“ (ha, von wegen „tall“ und „grande“, wie bei Starbucks) und es gibt heiße Schokolade mit Marshmallows, die sie mit einem Bunsenbrenner kurz anschmoren. Das Eis haben unsere vier Jungs schon getestet, und wir freuen uns, dass wir dafür endlich nicht mehr 30 Minuten in der Schlange stehen müssen bei der „Creamery“. Paul (5) und Ole (6) lieben die Eisenbahn und ich habe endlich mal wieder eine schöne Anlaufstelle zum Kaffeetrinken.
Den Starbucks (der direkt gegenüber liegt) habe ich seit unserem Kalifornien-Urlaub nämlich echt „gefressen“ – die waren mir einfach zu unpersönlich, omnipräsent, fast schon etwas unheimlich (die wird man hier echt gar nicht mehr los – sogar in Zoos und Vergnügungsparks haben die ihre Zelte aufgestellt). Außerdem ist er sehr teuer. Für Marc kommt allerdings jede Hilfe zu spät, denn er ist inzwischen abhängig von seinem „Quad Venti Latte“. Die Chancen, ihn noch zu bekehren, stehen daher eher schlecht – aber ich versuch’s trotzdem.
Family Bits and Pieces April 2012
Vitoria muss vor Gericht, weil sie ihre NJ drivers license (die sie nie erworben hat) abgeben soll. Kurios. Ein offizieller Brief wegen der vielen vermasselten Prüfungen ist nie bei uns angekommen, daher ist irgendeine Frist verstrichen. Nun geht es um eine hohe Geldstrafe. Marc geht mit zur Verhandlung. Verrückterweise ist es hier hilfreich und effektiv, sich bei Verkehrsdelikten dagegen zu wehren und vor Gericht zu verhandeln (auch ohne Anwältin oder Anwalt). Die beiden sind erfolgreich: Vitoria muss am Ende 140 Dollar zahlen (billiger als gedacht) und eine zweite Verhandlung abwarten. Na ja, vielleicht wäre es doch einfacher gewesen, einfach mal richtig für die Theorieprüfung zu lernen – hätte ihr und uns den ganzen Schlamassel erspart. Die wirklich gute Nachricht: Vitoria verlängert ihren Au-pair-Vertrag mit uns für die knapp drei Monate, die wir noch hier sind. Das ist super für uns – könnte nicht besser laufen.
Theo (9) ist immer noch total im „Harry Potter Fieber“. Man hört und sieht von ihm tagsüber nicht viel. Aber wenn man es in der Küche klappern hört, dann ruft Tim sofort: „Theo, are you trying out a new potion (Zaubertrank)?“ Dann finde ich dort Überreste von Brühwürfeln und anderen Gewürzen. Er hat immer einige Zauberstäbe („wands“) dabei, die er selber aus Papier gedreht hat. Damit versucht er nun neuerdings „ganz unauffällig“ halb hinter dem Sofa versteckt, den DVD-Player für Ole und Paul anzumachen. Tim ist schon voll genervt davon.
Theo liest wie ein Wahnsinniger, seine Bücher sind schon ganz zerlesen und haben viele „Pferdeöhrchen“, wie er mir zuletzt sagte.
Und er hat ein neues Problem: „I need a book. How to understand girls.“ Er beschwert sich, dass sie sich so komisch verhalten 🙂 .
Das Ergebnis des Parent/Teacher Conference (Elternsprechtags) zu Theo: “High maturity level, serious, has to slow down, add details in the stories, doesn´t explain them thoroughly, more time to plan the story, good sense of humour, witty, funny, more flexible to trust teachers, his language has blossomed, on 3rd grade level, improved reading, spelling”. Also bis auf die fehlende Sorgfalt alles wunderbar im grünen Bereich. Er beschwert sich nur, dass er wegen der Nachhilfe in Deutsch jetzt auf einmal auch Wörter im Englischen groß schreibt.
Tim (8) will unbedingt eine Schildkröte haben und redet von nichts anderem mehr. Er liest sein erstes Buch und ist super stolz, dass auch er es jetzt richtig kann. Fazit der Parent/Teacher Conference (Elternsprechtag) bei ihm: “Wealth of information, loves non-fiction, when reading: uses finger to pace him, comprehension: he understands the story, he is reading beyond the text, diligent, serious, has to be careful with the ending of his words, can function as a native speaker, vocabulary ok., future tense, could leave the ESL program soon, on an advanced level, his reading level: A1-40: advanced, independent, instructional, from K to 3rd grade level, he is a pleaser, gets upset easily, spelling: moved up, nice growth, math: very good.” Na bitte, geht doch!
Ole (6) zählt jeden Tag die Wochen bis zu unserem Abflug. Schöner aktueller Satz von ihm: „Hast du deine license dabei? Ich habe sonst Angst gehättet.“ Mit seiner kindergarten-Klasse hat er seinen „Annual Cookie Sale“. „Please label clearly if your goodies contain any type of nut or nut product. Ribbons and labels are a nice touch.“ Ja, die Kekse ansprechend mit Etiketten und Bändchen zu versehen ist hier sehr wichtig. Außerdem isst Ole auf einmal Reis, weil Theo und Tim es ihm als „Ninja Training China food“ verkaufen. Brüder schaffen manchmal einfach das, wofür man sich als Mutter den Mund fusselig reden kann.
Paul (5) reißt jeden Morgen die Bettdecke zurück, um zu gucken, ob er über Nacht gewachsen ist und sperrt dann seinen Mund auf: „Mama, Wackelzahn?“ In Florida isst er morgens vier Toastbrotscheiben am Stück und dann, fünf Minuten später, noch eine – wahnsinnig, was der so verschlingen kann im Moment …
Florida, die zweite, April 2012
Urlaub auf der Inselkette
Wir fahren noch mal nach Florida. Genau dorthin, wo wir schon vor einem Jahr waren. Dieselbe Ferienanlage, dasselbe Haus – vielleicht erinnert ihr euch noch? Und die Rechnung geht wieder auf – viel Weite, weißer Sandstrand mit hellblau-türkisfarbenem Wasser, sich wiegende Palmen und endlich mal richtige Wärme bis Hitze – wie hält man es hier nur im Sommer aus? „Das ist wie im Paradies!“ sagt Ole (6) immer wieder und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Wir sind im Nu „on island time.“
Pastellfarbenes „island life“
Es ist schon ziemlich verrückt und dabei intuitiv entspannend: Überall schwimmen Pelikane herum – diese Vögel mit dem löffelförmigen Schnabel, in den Fische so gut reinpassen. Es gibt pastellfarbene Baracken, snorkeling-Shops, Tiki Bars und „fish places“. Bootshandel (statt Autohäuser) säumen die Ufer entlang des einzigen Highways, der quer über die Inseln führt. Viele Männer sind oben ohne, die Frauen im Neonbikini unterwegs, Biker mit wehenden Haaren (ohne Helme) knattern auf glänzenden Maschinen vorbei, viele Radfahrer/innen strampeln die „bike lanes“ entlang. In den Bars: rotierende Ventilatoren an der Decke, eine Mischung aus Reggae- und Countrymusik (für meine Ohren), Fenster gibt es oft keine, man sitzt quasi immer und überall an der frischen Luft, jede Menge „seafood“ und „when the road ends & and the party begins”, dann ist man in Key West, dem südwestlichsten Punkt der USA. Also, wenn eine von euch mit 70 Jahren noch Lust auf hippe Converse-Schuhe und Blümchenkleider und nichts gegen Reisende hat, ist sie hier nicht schlecht aufgehoben.
Die Kids „have a blast“, wie man hier so sagen würde. Das bedeutet: Sie finden es super klasse. Paul (5) läuft sofort zu unserem alten Haus und wischt mit Armen und Beinen „Sandengel“ in den Sand. Er liest im Urlaub sein erstes Buch („Dog is hot – Mom is not“) und will unbedingt „spelling words“ schreiben üben.
Ole schwimmt ohne Hilfe durch den Pool, übt sich im Tauchen und liebt Jetski.
Tim (8) geht sofort am ersten Tag wieder auf Erkundungstour. Statt einer Riesenmolluske wie im letzten Jahr, schleppt er diesmal unzählige Kokosnüsse auf unserem Deck an. Es spricht sich herum auf der Anlage und immer wieder kommen Kinder vorbei, die sich eine abholen – und Marc rückt dann den Nüssen mit Hammer und Meißel auf die Pelle. Tims Traum, mit Delfinen zu schwimmen, geht zwar leider nicht in Erfüllung, aber dafür malt einer der Delfine ihm ein T-Shirt und Tim trägt es mit großer Hingabe.
Theo (9) findet einen Spielkamerad – „Dude“ nennt er ihn, weil er sich keine Namen merken kann. Durch ihn entdeckt er das Angeln. Morgens um sechs Uhr klemmen er und Tim sich also ihre Angelkästen und eine Shrimps-Tüte unter den Arm, schnappen sich ihre Angeln und los geht’s. An einem Tag haben sie 56 (!) Fische gefangen! Die sie allerdings sofort wieder ins Wasser entlassen haben.
Alle Kinder bauen gemeinsam ein Hogwarths aus Sand. Sie sind happy, der erste entspannte Urlaub seit zehn Jahren. Das Zauberwort für Marc und mich hier: „Decompress“, wie die Amis sagen – „Entspannen“, sonst nichts.
Strange and cool: Doctor Connor
Nur das Tauchen fällt für mich wegen starker Erkältung diesmal leider flach. Dafür mache ich die Bekanntschaft mit „Doctor Connor“. Die Sprechstundenhilfe hat Muscheln, Seesterne und Tang auf dem Kittel, der Arzt empfängt mich mit: „Hi there. What’s going on?“ Seine Haare sind gelb gefärbt, sein schwarzes Hawaiihemd mit großen bunten Blumen ist weit aufgeknöpft, das ergraute Brusthaar quillt aus dem Ausschnitt. Kaugummi kauend verschreibt er mir ein Antibiotikum: „It doesn’t interfere with sun and alcohol,“ sagt er mir dreimal. Ob „Family Doctor Connor“ wohl auch die Frauen im Ort betreut? Der Untersuchungsstuhl ließe sich jedenfalls zu einem gynäkologischen Stuhl umbauen – ich schätze, so geht das hier auf den Inseln. Zur Beruhigung: Es gibt auch ein Krankenhaus, sogar mit MRT– das steht in einem Lastwagen neben dem Gebäude – damit man es bei einem Hurrikan zur Not schnell wegfahren kann …
Am Ende noch eine neue Entdeckung, die euch helfen könnte, auch etwas Südsee-Feeling nach Deutschland zu holen: Wusstet ihr, dass das Geklapper der Palmblätter sich anhört wie das Geprassel eines starken Sommerregens im Garten? Probiert es beim nächsten Schauer mal aus – wohlgemerkt: Ihr braucht belaubte Bäume dazu. Ich hab schon öfter in Erwartung von Regen skeptisch in den Himmel geschaut, wenn ich unter den Palmen eingedöst war.
Alles neu macht der Mai
Der Mai wird unser letzter voller Monat hier sein. Mit ihm beginnt zugleich die große Entrümpelungsaktion unseres Hauses in Deutschland. Ich werde dann für eine ganze Woche nach Deutschland fahren, unser Haus auf links drehen und vorbereiten.
PS: Hier geht’s weiter zum nächsten Monatsbrief. Viel Spaß beim Lesen!