Sommerzeit ist Baseball-Zeit
Von hungrigen Bären, verrückten squirrels und Schildkröten mit Bolzenschnabel. Alles über supersichere Poolpartys mit und ohne Donner und das Phänomen Baseball. Und warum die Kids von Marcs neuem „Auto ohne Dach“ begeistert sind.

 
Endlich, endlich stehen hier alle Zeichen auf Sommer: Die Laubpuster röhren an allen sieben Wochentagen in den Vorgärten, morgens um neun Uhr sind es oft schon über 30 Grad, in den Fernsehern der Sportsbars und Restaurants laufen rund um die Uhr Baseballspiele (Live-Übertragungen!) und in den Geschäften bricht wie in jedem Jahr die Eiszeit aus. Und wieder mal wird eine neue Generation Amerikaner/innen mit entblößten Speckärmchen und -beinchen ganz nebenbei beim Einkauf abgehärtet 🙂 . Es ist so feucht, dass der frischgekaufte Kaugummi in meiner Tasche nach wenigen Tagen komplett mit dem Papier verklebt. Wie sagen die Leute hier immer so passend? „NJ summer – hazy, hot and humid“. Anfang Juni gibt es sogar einmal hitzefrei für die Jungs: „Early dismissal – HEAT – 6/9/11. Due to extreme weather conditions all schools will operate on a shortened day schedule tomorrow, Thursday, June 9.“

Alles mellow

Die Stimmung ist gut – mir macht die Hitze viel weniger aus als letztes Jahr, und unsere Spaziergänge nach der Schule sind ein absolutes Highlight. Das Leben vieler Familien findet jetzt auf den „porches“ statt, den etwas höher gelegenen Veranden vor der Haustür, ausgestattet mit Korbmöbeln und Pflanzen. Man grüßt sich – es gibt ja nur selten Zäune um die Gärten – man sieht viele Kinder auf den Spielplätzen, die Leute sind noch besser gelaunt als sonst, und hier und da gibt es eine spontane Einladung zum Eis im Garten der anderen Kinder, die zu Fuß gehen – alles sehr „mellow“, alle in Vorfreude – tut gut!

Man lernt nie aus

In der letzten Zeit gab es wieder einige Premieren: Wir wissen jetzt mehr über die Unterschiede zwischen amerikanischen und deutschen Freibädern („Poolparty für Drittklässler“), haben uns eine eigene Meinung zum Thema „Ist Baseball wirklich so schrecklich langweilig?“ gebildet („Baseballspiel bei den Yankees“) und sind ziemlich wilden Tieren begegnet, von denen einige auf den ersten Blick harmloser aussehen als sie sind, und einige wilder aussehen als gedacht.

Außerdem weiß ich jetzt, wieso man in unserem Städtchen niemals in Hundekot von Blindenhunden treten wird („Seeing Eye Dog Tour“) und habe wieder mal dazugelernt, was die Amerikaner/innen unter „FUN“ verstehen.

Eiszeit!

Und um in der Hitze einen kühlen Kopf zu bewahren, geht es jetzt öfter zu „Friendlys“ (eine Restaurantkette hier an der Ostküste, wo es u. a. auch 22 verschiedene Eiscremesorten gibt in Form von Eisbechern, Milkshakes, Softeis und auch als Kugeleis) – da bekommt man für 1,20 Dollar zwei große Kugeln Eis – unser diesjähriger Sommerhit! Nach preschool und camp schreien die Kids oft laut im Auto danach – und klar, wir fahren dort vorbei und ich komme auch noch gut dabei weg, denn mit Automatik im Auto kann man selbst am Steuer das Eis-Essen genießen!

Urkunden und Abschlussfeiern

Die Schule geht Anfang Juni mit großen Schritten auf die Sommerferien zu:
Erst gibt es noch den „Art and Science Fair“ an Theos (9) und Tims (7) Schule, und dann bringen die Kinder Unmengen diverser Wimpel in vielen Farben und Größen, Aufnäh-Abzeichen, „awards“ and „certificates“ mit nach Hause – hier gibt es einfach für jede Aktivität eine offizielle Urkunde. Theos „national physical fitness award“ ist sogar vom Präsidenten persönlich unterschrieben! Eins steht fest: So viele Urkunden, wie sie hier in eineinhalb Jahren gesammelt haben, werden die vier in Deutschland für den Rest ihrer Schulzeit nicht mehr zusammenbekommen.

Für die Abschlussklassen an der Highschool finden in diesen Wochen die Prom Nights statt (die Abschlussfeiern, kennt man ja aus den Highschool-Filmen). Bei der Pediküre sind die „Graduations“ und die „Pre-Prom Nights“ bei den Moms jedenfalls großes Thema („Oh, I’m freaking out“ – O-Ton einer Mutter), und beim Frisör liegen Blättchen für „Prom Night Specials“ aus (Frisur und Schminken). Bei uns ist aber alles entspannt – wir schliddern langsam in den Sommer rein.

Drittklässler-Poolparty

Theo hat „Poolparty“. Mit anderen Worten: Tagesausflug aller dritten Schuljahre seiner Schule zum Freibad. Die anderen Mütter und ich helfen beim Aufbau des Buffets.

Ein amerikanischer Pool ist wie ein deutsches Freibad – aber nur auf den ersten Blick. Klarer Unterschied: Die große Anzahl von „Bademeistern“, hier „lifeguards“ genannt. Das sind meist Highschool-Kids, die wie Schiedsrichter/innen beim Tennis auf erhöhten Sitzen hocken und ihre Köpfe wie beim Ballwechsel rhythmisch hin und her bewegen, die rote Schwimmhilfe unter den Arm geklemmt und allzeit bereit, Leben zu retten. Hier geht niemand unbemerkt unter – im mittelgroßen Pool beobachten einen direkt 6 (ja, SECHS) lifeguards!!!

 

Probeschwimmen mit und ohne Donner
Während die freiwilligen Mütter das Essen und die Getränke (Capri-Sonne, Wasser, Popcorn, Cracker, Melonen, Kuchen) organisieren, müssen die Kinder zunächst alle zum Vorschwimmen. Also: Ab in die lange, lange Schlange, und dann schwimmt ein Kind nach dem anderen eine Bahn vor. Die meisten schwimmen von astreinem Kraul bis hin zu wildem Freistil, jeder irgendwie anders. Theos Brustschwimmen kommt schon wieder nicht gut an, der Highschool-lifeguard stoppt ihn („no doggy style!“ – was soll das denn heißen?) und auch er muss nochmal zurück, bekommt noch eine Chance: Theo krault wild los, Wasser spritzt überall – na bitte, zufriedenes Nicken beim lifeguard – er hat bestanden.

Ich bin platt: Was soll der Quatsch? Theo ist gut geschwommen beim ersten Mal und hat eindeutig gezeigt, dass er sich koordiniert über Wasser halten konnte – warum soll er dann in diesen doch ziemlich unkoordinierten Kraulstil wie die anderen verfallen? Nach bestandenem Test gibt es ein farbiges Bändchen ums Handgelenk – damit darf er ins tiefe Becken und auch von den Türmen springen.

Übrigens gibt es sowohl im Pool als auch bei Fußballspielen draußen die Regel: Wenn es donnert, müssen alle für 30 Minuten aus dem Wasser raus. Die halbe-Stunden-Regel beginnt mit jedem Donnergrollen wieder von neuem und wird absolut pedantisch eingehalten.

Nach dem Schwimmtest machen die Kids in den anschließenden Stunden wohl das, was auch deutsche Kids im Freibad machen: Sie quatschen, sitzen auf ihren Badehandtüchern, essen und spielen Ballspiele.

Elf Wochen – unendlich Zeit

Mitte Juni ist dann die Schule vorbei und es gibt Zeugnisse (report cards – alles im grünen Bereich bei uns). Ich muss meinen Alltag jetzt wieder für die nächsten elf Wochen umstellen, aber diesmal fällt es mir leichter. Unmut und Schock sind nicht so groß wie im vergangenen Jahr, und es ist schließlich auch schon wieder der letzte Sommer, den wir hier erleben. Da ist man dann schon milder gestimmt und genießt mehr als dass man schimpft.

Zeugnis Theo
Zeugnis Tim

 

Das öffentliche Leben „slows down“, die Cafés sind leerer, einige Geschäfte bleiben sonntags geschlossen. Und für viele geht es jetzt in die Sommerhäuser an der Küste, wo es nicht ganz so schwül ist. Die meisten Kinder werden von ihren Eltern wie immer in Sommercamps verfrachtet. Für Ole (5) und Paul (4) bezahlen wir für zwei Wochen Sportcamp à drei Stunden pro Tag beim YMCA knapp 1.000 Dollar – und das ist schon der reduzierte Preis für Mitglieder! Aber davon lassen wir uns die Laune nicht vermiesen …

Das Ferien-Leiden der amerikanischen Moms

Offensichtlich geht es mir diesmal besser als einigen amerikanischen Moms. Eine von ihnen, Samantha Bee, beschreibt sich in einem Artikel im WSJ als „Weary Tiger“ Mom, die schon nach zwei Wochen Ferien am Ende ihrer Kräfte ist:

„We are 1,713 minutes in, and so far, I have never worked harder in my life. When is this vacation going to be over?“ Sie fragt sich, wieso im Sommer der Fokus inzwischen auf „enrichment activities and exercises“ liegt, und sie sagt ehrlich: „I just don´t have the energy to dig in and renovate my children into super-intelligent reading cyborgs for the first day of school. I can´t do any more rainy day activities with dry oatmeal in a cardboard box. (…) I simply can’t help but look forward to the fall.“

Ja, genau, immer schön Lesen üben und „fun-filled“ activities across the kitchen table (z. B. Buchstaben aus Nudeln formen) – das sind so die Ansprüche und Vorstellungen von einem gut gelungenen Sommer, zumindest bei (weißen) Mittelklassefamilien. Ohne mich!

Schreck am ersten Ferientag!

Am allerersten Ferientag von Ole und Paul bekommen wir direkt zwei Schrecken hintereinander!

Schreck 1: Wir probieren einen neuen Spielplatz aus und treffen auf Morena. (Zur Erinnerung: Das ist unser verflossenes Au-pair und die hatte ich komplett verdrängt. Ihre neue Gastfamilie wohnt wohl in der Nähe des Spielplatzes. Sie hatte uns ja ziemlich in die Pfanne gehauen. Die Untersuchung der Au-pair-Agentur gegen uns ist inzwischen zwar eingestellt, weil einer unserer Gäste unserer Entlastungszeuge war – trotzdem, ich traue ihr keinen Meter über den Weg). Wie auch immer: Ole und Paul sind total aus dem Häuschen, freuen sich und kleben an ihr wie die Kletten. Sie sind etwas verwirrt, als Morena ihren neuen Schützling zu sich flötet: „Debbie, come here, sweetie.“ (Puh!) Ole und Paul weichen ihr jedoch nicht von der Seite. Hilflosigkeit auf meiner Seite. Die beiden Jungs nennen sie die ganze Zeit völlig arglos „Vitoria“!

Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei: „It was so good to see you!“ (Morena), „same here“ (mehr bekomme ich nicht über die Lippen). Aufatmen, als wir endlich losfahren, und Dankbarkeit, dass wir jetzt Vitoria als Hilfe haben, straight und manchmal bockig, aber nie wieder high-maintenance Diva-Gebaren mit Zickenalarm. Diesen Spielplatz werden wir ab jetzt weiträumig umfahren!

Schreck 2: Und als würde das nicht reichen, kommt uns auf dem Heimweg auf einmal ein Schwarzbär am Straßenrand entgegen „galoppiert“ (das kennt man ja aus dem Zoo, wenn das Fell so wackelt 🙂 ), und bevor wir den ersten Schreck überwunden haben und richtig gucken können, ist er dann auch schnell wieder im Dickicht verschwunden. Das war der Beweis! Es gibt sie hier wirklich!
Paul ist begeistert: „Das war kein Mama-Bär, das war ein kleiner Bär!“ und macht danach Bärengeräusche. Ole hat Angst. Auf den doppelten Schreck (Morena und Bär) steuern wir den nächsten Eisladen an. Ole weigert sich, aus dem Auto auszusteigen, aber Paul beruhigt ihn: „Aber Ole, der Bär lief doch in die andere Richtung.“ Er hat ja recht, aber es ist trotzdem komisch. Mit einem „Blizzard of the Month: Brownie Butter“ und „Oreo Brownie Earthquake“ beruhigen Ole und ich unsere Nerven und sind gespannt, was die Ferien noch so alles bringen werden.

„Baseball is summer“

Baseball ist eine ziemlich verrückte Sache. Für Nicht-Amerikaner/innen mutet es an wie ein Buch mit sieben Siegeln, das man sich nicht so einfach „einverleiben“ kann wie z. B. amerikanische Freundlichkeit, amerikanischen Football oder amerikanisches Fastfood. Irgendwo ist da ein „disconnect“ zwischen Einheimischen und Zugereisten.
Von vielen anderen Expats sind wir daher vorgewarnt worden:

  • total langweilig…
  • kann ewig dauern…
  • ist doch kein Sport…
  • stehen ewig auf dem Spielfeld herum…

Bei unseren (männlichen) amerikanischen Freunden dagegen fangen die Augen an zu leuchten, wenn es um Baseball geht. Ich habe da noch nicht so richtig den Überblick, aber es hat wohl auch etwas mit Kindheitserinnerungen an unbeschwerte „summer“ zu tun – „Baseball is summer“ und der ist hier ja heilig!
Einer fängt glatt an zu singen „Take me out to the ball game“ (alter Song von 1908), es fallen Namen wie Derek Jeter und Alex Rodriguez. Noch nie gehört? Ich auch nicht. Und unser Freund kann es kaum fassen!

Ich habe mich bisher wirklich noch nie für Baseball interessiert, und mein ganzes Wissen darüber habe ich aus einer TV-Serie aus den 70er Jahren: In „Die Bären sind los“ bringt „Buttermaker“ alias Walter Matthau seiner Mädchenmannschaft Baseball bzw. Softball nahe. Aber damit kommt man nicht weit.
Den „Einheimischen“ zuzuhören, wenn sie über Baseball fachsimpeln, hilft auch nicht gerade, weil man nur Bahnhof versteht. Viel zu viele Fremdworte drin, z. B. playoffs (immer und immer wieder), out, batter, pitcher, steal a base, strikes, umpire, strikeout, flyout, inning, world series … – keine Chance.

In den letzten Wochen durften wir uns aber schon mal etwas einstimmen, denn Baseballschläger, der typische gigantische Lederhandschuh und der mit rotem Garn genähte Ball tauchen auch im öffentlichen Leben öfter auf.

Im YMCA gibt es am Samstagmorgen den Einsteigerkurs für die Kleinsten – die stolzen Eltern stehen wie immer drum herum. Hier wird übrigens eine andere Variante, das „Softball“ (u. a. kleineres Feld, größerer Ball, leichtere Schläger …) geübt. Beim bus stop morgens werfen und fangen zwei Väter mit ihren Söhnen jetzt schon fleißig Bälle. Frühmorgens sehe ich beim Laufen ebenfalls einen Vater mit Sohn in einem der „Käfige“ stehen, wo sie den Abschlag üben (pock, pock, pock … Ja, das scheint irgendwie ein Vater-Sohn-Ding zu sein). Einer von Theos guten Freunden läuft im Moment mit einem blauen Auge herum – er hat einen Softball beim Training voll ins Auge bekommen – autsch! Kein Wunder, baseballs sind hart wie Stein! Ich denke das war ein soft ball? Auf den lokalen Sportplätzen finden jetzt am Wochenende öfter Spiele statt und im Central Park gucken viele Passanten einfach mal für ein Runde zu, wenn mitten in dieser grünen Oase wieder ein Spiel läuft.

 

Mehr als Sport
Das Tolle ist, dass ganz verschiedene Leute bei diesen „Freundschaftsspielen“ mitmachen: Dicke, Dünne, Leute unterschiedlichster Hautfarben, Frauen und Männer (auch gemischt). Und wenn man das Ganze dann mit gutem Wetter und „Vor-Sommer-Freude“ zusammenpackt, kann man schon irgendwo ahnen, dass da noch eine ganze Menge mehr mitschwingt als nur der reine Sport. Die Spiele sind allerdings zeitlich nicht begrenzt und können auch mal richtig, richtig lange dauern. Da lobe ich mir doch den Fußball – da weiß man, dass es meist nach 90 Minuten vorbei ist 🙂 .

 

Schon gewusst?
„batting team“, „fielding team“, „diamond“, „homerun“? – Die Baseball-Basics!

NY Yankees gegen Colorado Rockies

So, und dann ist es soweit: Wir haben Freikarten zu einem Baseballspiel der New York Yankees. Das ist ungefähr so, als ob man zu Bayern München nach München fährt, da die Yankees in ihrer Sportart super erfolgreich sind. Sie waren schon 40 Mal Sieger der „American League“ und 27 Mal erfolgreich bei den „World Series“. Wobei dieser Name eigentlich eine Mogelpackung ist, denn er bezieht sich nur auf die amerikanischen Vereine. Ihr Heimstadion, das „Yankee Stadium“, liegt in der Bronx in NYC, ist kaum zu übersehen und brandneu.

 

Mit diesem Infostand sind Marc und ich also zum Yankees Spiel gefahren. Das Stadion ist riesig. Mich erinnert das Spielfeld an ein Stück, das man aus der Pizza rausgezogen hat 🙂 . Auf der Rücklehne der Sitze von JEDEM der über 4.300 Plätze ist die Warnung angebracht: „Be alert for Bats and/or Balls“. Und ja, während des Spiels fliegen tatsächlich etliche Bälle in die Zuschauer, jedes Mal unter großem Raunen.

 

Von Homeruns, Strikes und Outs
Wir kaufen Erdnüsse und Hot Dogs (die gehören einfach dazu) und dann geht es los. Vier (!) Stunden später müssen wir leider aufbrechen, bevor das Spiel vorbei ist (die Babysitterin ruft). Wir sind aber nicht die einzigen, die gehen – da ist ein ständiges Kommen und Gehen. Unser Fazit: Es war echt spannend und wir wären gerne noch länger geblieben! Was das Spiel betrifft: Unsere Lernkurve war ziemlich steil. Nach und nach und nach haben wir sogar verstanden, wann sich was bei der Anzeigetafel verändert (balls, strikes, outs). Da die meiste Zeit „nichts“ passiert, stand uns mehr als genug „Lernzeit“ zur Verfügung.

Das 1:0 gab es erst nach 90 Minuten (fast wie beim Fußball) und bei unserem ersten „homerun“ hat Marc so richtig losgejubelt (haha, und zu spät gemerkt, dass es das „falsche“ Team war). Zugegeben: Das Spiel scheint streckenweise wenig dynamisch (jedenfalls verglichen mit Fußball), weil von den 18 Leuten auf dem Platz immer nur drei bis vier sichtbar beschäftigt sind, und es eben immer viele „outs“ gibt, die dann jede Dynamik wieder im Keim ersticken. Langweilig fanden wir es aber trotzdem nicht, weil das Spiel doch stetig weiter voranschreitet. Und ab und zu geht es dann ja auch so richtig ab, von 0 auf 100, wo alles gleichzeitig passiert und man nicht weiß, wo man hingucken soll (da ist Fußball dann wiederum einfacher).

 

Und was das Drumherum betrifft: Es war so richtig „amerikanisch“ – in den vielen, kleinen Minipausen bei den innings-Wechseln (Pausen zwischen den Spielabschnitten) gab es immer ein Unterhaltungsprogramm. Bei der „Smile Camera“ tauchten immer wieder Leute aus dem Publikum mit dickem Smile auf der Großleinwand auf, es wurden Geburtstagswünsche übermittelt (natürlich auch mit Großaufnahme der Person), es gab das Ratespiel „Who´s that Baby Boomer“, bei dem Babyfotos von den Spielern gezeigt werden und man dann raten darf, ob das a), b) oder c) ist. Es wurde jede Menge Pop und Rock gespielt. Und der Knüller kam mitten im siebten inning, als auf einmal alle das Lied „God bless America“ anstimmten und sich danach viele von ihren Plätzen erhoben, sich dehnten und streckten und anschließend noch etwas zu essen holten (den sogenannten „late-game snack“). Das kam unerwartet, gehört aber auch immer dazu, wie ich jetzt weiß.

Fazit: Baseball ist wirklich ein Spiel für Menschen mit viel Zeit. Es hat uns dennoch alles sehr, sehr gut gefallen und wir werden bestimmt versuchen, noch einmal ein Spiel anzuschauen!

Seeing Eye Dog Tour

Nun was ganz anderes: Ich mache eine Besichtigungstour bei der Organisation „Seeing Eye Dog“ hier in Morristown. Sie finanziert sich ausschließlich über Spenden, z. B. über das „Pennies for Puppies“ oder „Dollars for dogs“-Programm. Sie hat eine Zuchtstation für Blindenhunde, die in ihren ersten anderthalb Lebensjahren in einer „Puppy raising family“ aufgezogen werden, bevor sie dann in weiteren vier Monaten ein Training zum Blindenhund durchlaufen. Wenn man durch Morristown geht, trifft man eigentlich immer einen instructor mit Hund. Sie sind bei Wind und Wetter unterwegs. Oft sieht man auch blinde Menschen, die für vier Wochen eingeflogen werden und dann in Morristown mit ihrem zukünftigen Hund üben. Die Organisation finanziert sich nur aus Spenden – und davon gibt es wohl genug, denn der Speisesaal (für die Blinden) sieht aus wie ein Nobelrestaurant mit echtem Tafelsilber.

Was mich am meisten beeindruckt hat, ist die Erzählung einer blinden Frau, die ihren Alltag mit einem Blindenhund schildert. Wie der Hund sich z. B. weigerte weiterzugehen und sie erst hinterher erfährt, dass sich da wahrscheinlich ein Bär auf der anderen Straßenseite genähert hatte.

 

Und dann fand ich noch eins sehr beeindruckend: Sie erklärt uns, dass sie das „Geschäft“ ihres Hundes immer in Tüten packt und wegwirft. Jawohl – sie, als blinde Frau, kann an der Krümmung des Hinterteils des Hundes beim Geschäftmachen fühlen, was ihr Hund nun gerade vorhat („No.1“ oder „No.2“, wie sie hier immer so schön unverfänglich sagen), und durch Übung trifft sie immer genau die wesentlichen Teile. Anschließend suchen ihr Hund und sie gemeinsam nach dem nächsten Mülleimer. Na, davon können sich doch zumindest die sehenden Deutschen mal ein Stück abschneiden, oder?!?

Eine Familie erzählt: „Wir sind eine Puppy Raising-Family.“


Immer anders
Wir ziehen im Moment unseren fünften Hund auf und es ist jedes Mal irgendwie anders, da auch jeder Welpe unterschiedlich ist. The Seeing Eye (TSE) züchtet Deutsche Schäferhunde, Labrador Retriever, Golden Retriever und einen Mix aus Golden und Labrador Retriever.
Die Hunde kommen mit sieben Wochen zu uns und gehen mit 18 Monaten wieder zur „Universität“, wie wir es spaßeshalber nennen. Bei uns lernen sie hauptsächlich die Standardkommandos, wie „Sitz!“, „Platz!“, „Bleib!“ usw.

No bark!
Anders als bei der Erziehung eines „normalen“ Familienhundes muss der TSE Welpe von Anfang an lernen, dass Bellen nicht erwünscht ist. Denn der oder die Blinde muss in der Lage sein, den Blindenhund mit zur Arbeit zu nehmen. Wenn sie doch bellen, halten wir ihnen die Schnauze zu und sagen ganz laut: „No bark“. Der TSE Welpe muss lernen, sich auf Kommando zu entleeren und dabei auch tolerieren, dass der/die Blinde sie dabei am Hinterteil anfasst. Die blinden Menschen müssen ja wissen, wo der Hund gemacht hat, damit sie sein großes Geschäft wegräumen können. Die Welpen müssen auch lernen, an einer ganz kurzen Leine am Bett zu schlafen, da der/die Blinde sie in einem Notfall (Feuer oder Ähnliches) immer erreichen können muss. Dagegen lernen sie bei uns nie, „Fuß“ zu gehen, da sie einen gewissen Zug ausüben müssen, damit sie die blinde Person führen können.

 

Einfach alles erleben
Wir versuchen, die Hunde vielen Einflüssen und Orten auszusetzen, da wir ja nie wissen, wo sie letztendlich ihr Leben verbringen werden. Wir gehen daher mit ihnen nach NYC, wo sie lernen müssen, mit dem Zug, Bus und Schiff zu fahren. Wir gehen zum Flughafen, auf lange Wanderungen, zu Konzerten, ins Kino, zum Bowling, auf Volksfeste, zu Sportevents unserer Kinder … einfach überall hin, wo auch eine blinde Person eventuell hingeht.

 

Drei bis vier Monate offizielles Training
Wenn sie dann mit etwa 18 Monaten wieder zurück zum TSE gehen, werden sie in den nächsten Wochen erst einmal gründlich untersucht – falls sie nicht in das Zuchtprogramm gehen, werden sie sterilisiert. Für alle, die als geeignet durchgekommen sind, fängt dann das offizielle Training an. Es dauert in der Regel drei bis vier Monate und endet mit dem sogenannten „town walk“. Bei diesem town walk wird der „Puppy Raiser“ (wir) eingeladen, und wir können sehen, wie toll sich unser Welpe gemacht hat. Wir dürfen „unserem Welpen“ nur in großem Abstand folgen, damit er uns nicht sieht und sich nicht an uns erinnert. Es ist aber trotzdem immer ein Erlebnis und macht einen unheimlich stolz.

 

Traurig aber auch schön
Viele stellen mir immer die Frage, wie ich den Welpen denn so einfach wieder hergeben kann. Einfach ist es nicht, aber wenn wir den Welpen bekommen, wissen wir ja von Anfang an, dass er nicht uns gehört. Er ist eine „Leihgabe“. Ich finde es einfach wichtig, dass man im Leben andern hilft, auch wenn es nicht immer leicht ist. Natürlich fließen Tränen, und die Woche vorher ist nicht immer leicht, aber wenn man dann Blinde mit ihren Hunden sieht, entschädigt einen das.


Von hungrigen Bären, verrückten squirrels und Schildkröten mit Bolzenschneider-Schnabel

Wir sind im Moment viel draußen – die Kids auf dem Spielplatz, und ich laufe vier Mal die Woche und fahre viel Fahrrad (muss ja fit werden für den Marathon/das Marathontraining) – und da treffen wir eine Menge Tiere.

Nach unseren Erfahrungen halten wir Folgendes fest:

  • Fasse kein Tier an, auch wenn es irgendwie vertraut aussieht (siehe Schildkrötenabenteuer).
  • Weglaufen vor Tieren als Rettungsmaßnahme ist (fast) immer eine schlechte Strategie. Alle Tiere sind unglaublich viel schneller als ich (sehe ich, wenn ich jogge): Die Vögel, die squirrels und die Rehe überholen mich elegant und ohne jede Anstrengung. Allein bei den Streifenhörnchen (chipmunks) hätte ich über Kurzstrecke eine Chance.
  • Fahrradfahren birgt andere Gefahren: Im Hellen geht es noch, aber in der Dämmerung oder im Dunkeln habe ich Angst, dass mir ein Reh aus dem Gestrüpp ins Fahrrad springt (wenn man so den Berg runtersaust, kann das echt übel ausgehen) oder dass ich ein Schlagloch nicht sehe. Also, Radfahren geht nur im Hellen!

 

Bei einer Fahrradtour entdecken wir diese Schlange, die gerade einen Frosch am Bein gepackt hat. Will sie den echt fressen? Der Frosch ist um einiges größer als sie. Wie auch immer, wir beobachten das eine ganze Weile, fahren dann aber wieder, ohne das „Finale“ zu erleben. Die Kinder sind trotzdem sehr beeindruckt.

Eines Morgens werde ich Zeuge, wie die squirrels bei uns im Garten in Aufruhr sind. Es sind fünf bis sechs Hörnchen, die sich hin und her und kreuz und quer durch unseren Garten ein Rennen liefern und dabei laute Geräusche machen (Mischung aus Papageienkrächzen und heiserem Hundebellen). Auch vor gewagten Sprüngen in schwindelerregenden Höhen (etwa 30 Meter) machen sie keinen Halt. Irgendwann ist die Show vorbei. Hoffentlich haben sie eine Lösung gefunden, worum es auch immer ging …

 

Auf einer abendlichen Heimfahrt liegt dieses Tier auf einmal vor uns – mitten auf der Fahrbahn – guckt ziemlich düster drein und sieht definitiv angriffslustig aus. Mein Hilfe-Instinkt, die Schildkröte auf die andere Straßenseite zu transportieren, ist schnell verflogen. Denn dieses Tier sieht eher aus wie ein Alligator mit umgeschnalltem Schildkrötenpanzer als Tarnung! Nur, dass die Tarnung nicht funktioniert 🙂 .
Ein Freund klärt uns auf: Finger weg, das ist eine snapping turtle (kurz: „snapper“). Die hat einen Kiefer wie ein Bolzenschneider und beißt einen Finger glatt durch. Marc versucht, das Tier mit einem alten Regenschirm von der Straße zu schubsen, aber die Schildkröte dreht sich fauchend um, geht in Angriffsstellung und sieht aus, als ob sie uns gleich anspringt! Unverrichteter Dinge fahren wir weiter und lassen die snapping turtle auf der Straße liegen – das ist was für Experten und Expertinnen.

 

Ein paar Wochen später marschieren einige friedfertige Verwandte der snapper auf einer runway im JFK-Airport in NYC. Etwa 150 Diamantschildkröten müssen über die Startbahn rüber, um zu ihren Brutstätten zu kommen (der John F. Kennedy-Airport liegt mitten einem Naturreservat). Nachdem einige Helfer/innen zuerst jede Schildkröte einzeln zwischen den Starts von der Bahn gerettet haben, muss die runway später geschlossen werden, da immer mehr Schildkröten auf die Bahn drängen – sie werden von vielen helfenden Händen in Pickup-Trucks gelegt und dann flott mit dem Auto auf die andere Seite gefahren. Nachmittags waren dann alle Schildkröten sicher und die Bahn wurde wieder freigegeben. Bis zum nächsten Jahr …

Die Bären sind los
Bären über Bären: Zuerst haben wir am ersten Ferientag einen Schwarzbären vom Auto aus gesehen. Und dann lief der 88-jährigen Mutter einer Nachbarin tatsächlich ein Bär bei uns auf der Carton Road über den Weg. Und vor einer Woche hat sich sogar einer auf die Hauptstraße in unserer Stadt verirrt und wollte dort auf den Baum vor einer Apotheke klettern. Ein Polizist hat ihn vertrieben.
Tim und Theo hatten ja letzten Sommer schon ihre Gelegenheit, sich mit dem Thema „Schwarzbären“ auseinanderzusetzen, aber für alle, die es noch einmal interessiert: Das Thema „Schwarzbär in unserer Straße“ ist definitiv in diesen Tagen Gespräch am bus stop, aber es ist nicht so, als wäre in Deutschland ein Braunbär aus dem Zoo ausgebrochen – es gehört hier schon zum Alltag mit dazu, aber man ist dennoch immer aufmerksam.

Family Bits and Pieces Sommer 2011

Theo wird im Juni neun Jahre. Offizielle Regelung an seiner Schule: Kein persönliches Verteilen von Einladungen in der Schule, weil dann die, die keine Einladung bekommen, traurig sind. Und da wir spät dran sind, werfen wir alle seine Geburtstagseinladungen persönlich in die Briefkästen seiner Freunde. Haben wir vor ein paar Monaten noch geschwärmt, dass die Baby-Zeit mit kleinen Schritten vorbei ist, sehen wir bei Theo die nächste Herausforderung am Horizont: Klarer Fall von Vorpubertät.

 

Ausflug Martin Guitar Fabrik
Wir fahren nach Pennsylvania zum weltbekannten Gitarrenbauer „Martin & Co“. Hier werden hochwertige Gitarren von Hand gefertigt, und bei der Tour kann man den Mitarbeiter/innen bei jedem Arbeitsschritt über die Schulter gucken. Jede Gitarre erfordert 300 Arbeitsschritte, und insgesamt dauert der Fertigungsprozess 40 Tage pro Gitarre. Jeden Tag werden ungefähr 340 Gitarren fertiggestellt.

Es wird gesägt, gehobelt, geleimt, geformt (handbending), verziert, lackiert … teilweise arbeiten sie wirklich mit sehr einfachen Mitteln, z. B. mit Wäscheklammern als Klemmen. Wir lernen jede Menge über die Bedeutung des Holz und auch, dass am Ende jede Gitarre hier durch echte Profis überprüft wird. Was nicht 1a-Qualität hat, verlässt das Lager nicht, sondern wird entweder repariert oder eingestampft. Gegründet wurde das Unternehmen 1833 übrigens von einem deutschen Emigranten namens Christian Friedrich Martin.

 

Tims erster Wackelzahn hängt nur noch an einem Fädchen – eine schwere Geburt (bei Theo ging das immer ganz leicht). Paul leidet mit ihm, Ole hat wenig Mitgefühl: „Tja, hättest du dir mal besser die Zähne geputzt.“ Nach 45 Minuten ist er endlich raus. Puh.

 

Ole wird im Juli sechs Jahre alt, und er wünscht sich Servietten mit der US-Flagge drauf. Er malt im Moment viele US-Flaggen (mehr als deutsche) und singt dabei begeistert „Born in the USA“.

 

Paul beschwert sich, dass er immer noch kein Taschengeld bekommt. Er macht in der preschool fleißig bei „show and tell“ mit – so einer Art Sitzkreis, wo die Kinder von zuhause mitgebrachte Dinge zeigen können, die ihnen am Herzen liegen. Und er wird mir gegenüber manchmal etwas rebellisch: „Du hast mir nichts sagen. Der Papa ist in unserem Haus der Sir“! Wo hat er das nur her? Auf Nachfrage erklärt er mir: „Der Sir ist der, der immer die Wii anmacht.“ Na, mal abwarten.

 

Vitoria wird eine immer größere Hilfe und bringt Leben ins Haus. Die Kinder vertrauen ihr inzwischen ganz, und sie holt Ole und Paul seit Mitte Juni mit dem Auto von der preschool ab. Sie hat ihre Rituale wie z. B. Finger- und Fußnägel lackieren (immer freitags), und Paul und Ole gucken ihr total fasziniert dabei zu. Sie bringt unsere Kids aber auch richtig zum Grübeln. Wenn sie mit ihnen ein Gesellschaftsspiel spielt (z. B. „Lotti Karotti“) und dabei ist zu verlieren, dann macht sie dabei so einen Zirkus (lautes Schreien, hysterisches Kreischen, wildes Lachen), dass die Kinder sie fasziniert angucken und irritiert sind: Haben sie da bisher etwas falsch verstanden – vielleicht macht es doch viel mehr Spaß zu verlieren, als sie bisher dachten?

 

Marc hat einen Porsche gekauft. Und ich wusste davon nichts! Daher soll er mal schön selbst erklären, welches „Geschäftsmodell“ dahintersteht. Die Kids sind natürlich begeistert: „Wir fahren wieder mit dem Auto ohne Dach“ (Ole und Paul), „das Ding geht Hölle ab“ (Tim). Ich weiß noch nicht, wie es sich so anfühlt (bin noch nicht mitgefahren), dafür aber weiß ich genau, wie es sich anhört: Wenn Marc in unsere Garage fährt, gerät der ganze „formal dining room“ (liegt direkt neben der Garage) in ziemliche Vibration. Als ob das Auto nicht in der Garage, sondern direkt nebenan in der Küche losfährt. Ansonsten verbringt Marc einige Zeit in China – was super zum Telefonieren ist, weil der Zeitunterschied genau zwölf Stunden beträgt.

 

Marc erzählt:
Die Geschichte mit dem Porsche fing ganz harmlos an: Bei einem meiner regelmäßigen Board-Meetings in den USA fragte mich ein Kollege, was ich denn mit nach Europa bringen würde – wenn man länger als ein Jahr in den USA lebt, darf man alle Dinge, die man sechs Monate vor der Rückreise gekauft hat, zollfrei mit nach Deutschland nehmen. Auf dieser Idee habe ich lange rumgebrütet und mir überlegt, ob es Sinn macht, ein Auto zu kaufen und mitzubringen. Weitere Recherchen ergaben, dass Porsches in den USA gebraucht einigermaßen „bezahlbar“ sind und in Deutschland zu deutlich höheren Preisen verkauft werden können. Ich habe dann bei einem Händler in der Nähe einen Porsche 911 Turbo Cabrio gefunden, der nur 6.500 Meilen auf dem Tacho hatte. Also habe ich ihn jetzt, und wir werden ihn erst mal selber hier nutzen, bevor wir ihn dann bei unserer Rückkehr mit nach Deutschland nehmen und – hoffentlich mit Gewinn! – dort verkaufen werden.

 

 

Das Marathontraining fängt an
Am Ende gibt es noch eine kleine Überraschung … Ich werde Anfang November meinen 40. Geburtstag feiern und mache mir selber ein ganz besonderes Geburtstagsgeschenk: die Teilnahme am NYC Marathon am 6. November dieses Jahres. Mit dem Training geht es jetzt, fünf Monate vorher, schon los … soll ja auch Spaß machen und nicht nur Quälerei sein. Die Einführungsveranstaltung bei meinem „Team“ habe ich schon hinter mich gebracht und ganz nebenbei sehr viel über das amerikanische Konzept von „fun“ gelernt. Hört sich vielversprechend an. Ich bin voller Vorfreude aufs Laufen und genieße es sehr, nach langer Zeit endlich mal ein Projekt zu haben, das nur mich angeht und bei dem ich mich nur auf mich selber verlassen muss 🙂 .

Marcs Round-the-Globe-Trip

Marc erzählt:
Im Juni bin ich dann (mal wieder) zu einem Round-the-Globe-Trip aufgebrochen. Es gibt von der Star-Alliance ein Ticket, das wirklich so heißt. Man kann dann einmal um die Erde fliegen (in eine Richtung) und dabei fast beliebig viele Stopps einrichten. Es ging also von New York nach Frankfurt und von da weiter über Dubai (UAE), Bangalore (Indien), Hong Kong nach Beijing/Peking in China. Es war das erste Mal, dass ich in „Mainland China“ war und ich habe mir das (damals kleine) P3 Büro angesehen. Mittlerweile arbeiten in China über 60 Leute für uns, davon mehr als die Hälfte Chinesen. Von Beijing ging es weiter nach Tokyo in Japan und dann nonstop nach New York. Das Ganze in sechs Tagen ;-). Trotzdem war noch genug Zeit, abends durch Beijing zu spazieren und die verbotene Stadt und den Platz des Himmlischen Friedens wenigstens mal zu sehen.

 

7 Wochen Deutschland

So, morgen geht es für sieben Wochen nach Deutschland. Wir freuen uns alle auf die Pause und sind gespannt, wie es „zuhause“ aussieht (diesmal wieder ohne Eis und Schneeglätte, wie letztes Weihnachten). Die Kids sind auch in Deutschland schon in Camps angemeldet (ohne, dass wir einen detaillierten Gesundheitscheck einreichen mussten) und die Verabredungen für die erste Woche stehen.

 

Ich darf übrigens nach einigen Wochen Heimaturlaub in Deutschland zwei Wochen früher als der Rest der Familie nach NJ zurückfliegen, da mein erster 30 km Übungslauf im Central Park ansteht. Schöne Aussichten, oder?

KEEP TALKING (8) – 18 Monate USA

Wie eineinhalb Jahre USA langsam ihre Wirkung zeigen. Und warum es manchmal auch witzig ist. Zum Beispiel, wenn Theo sagt „Wir sind an Butter ausgelaufen!“

 
Gleich geht’s in den Sommerurlaub nach „Good Old Germany“. Die Zeit in Deutschland kommt wie gerufen – mir ist in letzter Zeit aufgefallen, dass die vier kaum noch einen „geraden“ deutschen Satz herausbringen.

So fragte mich Theo (9) kürzlich, nachdem er mir etwas erklärt hatte und wissen wollte, ob ich das verstanden habe: „Kriegst du das?“ Ole (6) erzählte mir begeistert nach dem summercamp: „Ich bin durch die pit gecrawled“, und Paul (4) berichtete: „Da sind twenty-one people in dem Bus. Ich hab gecounted.“

Paul hat seit einigen Wochen einen genial einfachen Trick gefunden: „Ich trinke nur das Saft./ Mama, kannst du das Rest essen? / Ich komme mit das Buch.“ Warum sich mit einer unpraktischen Sache wie Artikeln aufhalten … (die anderen drei machen diese Fehler nicht!).
Und Tim (7) bringt es kurz vor unserem Abflug nach Deutschland auf den Punkt: „Ich freue mich total, nur noch zwei mehr Tage bis wir fahren.“

 

Im Englischen sind Tim und Theo mittlerweile richtig zuhause. Ein Blick auf ihren Test Ende dieses Schuljahres zeigt, dass beide vor allem im mündlichen Sprachgebrauch riesige Fortschritte im Vergleich zum letzten Jahr gemacht haben. Tim ist im Sprechen bis zur obersten Kategorie geklettert. Theo hat sich vor allem in den Bereichen „Hören, Sprechen und Schreiben“ weiter verbessert.

 

Hier einige Beispiele aus unserem Alltag:

Tim: Wie magst du mein Flugzeug, Mama? (Juni 2011)

Theo: Wir sind an Butter ausgelaufen. (Juni 2011, als er feststellt, dass wir keine Butter mehr haben.)

Theo: Ich bin ernst. (Mai 2011, als er sich nicht ernstgenommen fühlt und mir klar machen will, dass ich ihn ernst nehme.)

Paul: Ich trinke nur das Saft / Mama, dann kannst du das Rest essen / Ich komme mit das Buch. (Mai 2011; Paul benutzt fast nur noch den neutralen Artikel – das hat er vor einem Jahr noch nicht gemacht. Die anderen machen diese Fehler so gut wie gar nicht.)

Tim: Mama, kannst du wieder mit mir auf dem Bus sitzen? (Mai 2011, er möchte, dass ich beim Klassenausflug neben ihm im Bus sitze.)

Tim: Und dann haben die gerannt für sein Leben. (Mai 2011)

Theo: Ich habe noch zwei mehr Ameisen getötet. (Mai 2011)

Paul: Ich will du gibst den Keks. (Juni 2011, ich war so geschockt, dass mir der Keks fast aus der Hand fiel.)

Tim: Der hat den übergefahren. (Juli 2011)

Paul: Ich habe es sehr lange her gemacht. (Juli 2011, als er eine Kette findet, die er vor längerer Zeit gemacht hat.)

Tim: Kannst du den Schlüssel zu mir geben? (Juli 2011)

Ole: Welche colour willst du chosen, Paul? Paul: Ich will yellow …

Ole: Dann bleiben die Blumen noch alive, ohne abgemäht zu werden. (Mai 2011)

Paul: Ich habe die noch gesaved. (Mai 2011, als er etwas aus dem Müll rausholt.)

Ein Marathon zum Geburtstag

Warum ich Pech in der „Marathon-Lotterie“ hatte und trotzdem mitlaufen darf. Wem die 100 Dollar pro Marathon-Meile zugute kommen und was das Ganze mit meinem runden Geburtstag zu tun hat. Und warum mein Wunsch geldgierig und uneigennützig zugleich ist.

So, und nun erzähle ich, was dieser Marathon mit meinem runden Geburtstag zu tun hat: Einige von euch haben ihn schon hinter sich (und leben auch noch ganz gut ;-)), für manche ist er noch Lichtjahre entfernt. Aber für mich steht er dieses Jahr (2011) vor der Tür: der 40. Geburtstag.

Ganz ehrlich: Freudentänze führe ich nicht auf, aber Bange machen gilt nicht. Und Jammern hilft sowieso schon mal gar nicht (eher im Gegenteil) – dann doch lieber „volle Kraft voraus“. Über Umwege ist mir tatsächlich etwas in den Schoß gefallen, das diesen Geburtstag nun doch zu einem positiven Ereignis werden lässt.

Manchmal braucht man einen Umweg
Ich habe mich dieses Jahr bereits zum zweiten Mal beim NYC-Marathon beworben, es aber – zu meiner großen Enttäuschung – wieder nicht in der Lotterie geschafft. Da muss man dann schon mal „out-of-the-box“ denken und „Plan B“ aktivieren:

Ich bin also Mitglied bei der New Yorker Wohltätigkeitsorganisation „Team for Kids“ geworden und bekomme somit doch eine Startnummer für den „ING New York City Marathon 2011“ am 6. November. Als Gegenleistung für den garantierten Startplatz habe ich mich verpflichtet, 2.600 Dollar (für jede Marathonmeile 100 Dollar) für diese Organisation zu sammeln.

Team for Kids
New York Road Runners ist eine Wohltätigkeitsorganisation („Non-Profit-Organisation“) mit Sitz in New York, deren Ziel es ist, Menschen durch Laufen zu helfen und sie zu inspirieren. Seit über zehn Jahren hat die NYRR ein spezielles Programm, das „Team for Kids“, mit dem sie Kinder in New York, einigen anderen US-Staaten und sogar in Kapstadt zum Laufen bringen – gerade die Kids, die sonst den ganzen Tag in der Schule oder zuhause nur herumsitzen, sich nicht oder nur wenig bewegen und dabei immer dicker werden.

Aus deutscher Sicht hört sich das jetzt vielleicht etwas eigenartig an; manch einer mag auch sagen, dass die Amis selbst schuld daran sind, aber die Kinder können ja nun wirklich nichts dafür. Und ich kann nach 18 Monaten USA nur sagen, dass das für mich sehr viel Sinn macht, denn der Alltag der jüngeren Kids hier ist generell sehr bewegungsarm – selbst unsere Kinder leiden drunter.

 

Es gibt zwei Programme, mit denen sich das „Team for Kids“ an die Schulen wendet:

Mighty Milers:
Dabei können Grundschulkinder in der Pause bzw. nach der Schule ihre Runden drehen, zählen ihre Kilometer bzw. Meilen und erhalten dafür Medaillen und Urkunden (was hier in den USA sehr wichtig ist). Hauptsache bewegen!

Young Runners:
Dabei kommen die Kids in der middle school (Mittelstufe) regelmäßig in den Genuss eines Lauftrainings und arbeiten auch gezielt auf die Teilnahme an kleineren Wettrennen hin.

 

Mehr als laufen
Aber ganz gleich, welches Programm: Es geht letztendlich natürlich um viel mehr als ums Rennen: Alle wissen, dass körperliche Betätigung nicht nur gut für den Körper, sondern auch wichtig für die Seele, das Selbstvertrauen und die allgemeine Lebenseinstellung ist.

Wer mehr über das „Team for Kids“ wissen möchte, kann sich gern hier informieren: www.runwithtfk.org oder www.nyrr.org.

Mein Geburtstagskuchen
Klar, ich mit „sweet tooth“ werde definitiv einen dicken Geburtstagskuchen haben, auf den hoffentlich 40 Kerzen draufpassen werden.

Das wirklich Besondere an diesem Kuchen: Für jede dieser 40 Kerzen werde ich einem Kind in NYC die Teilnahme an diesem Sportprogramm für ein Jahr ermöglichen. Das deckt sich so ziemlich mit dem, was ich in der Deutschen Schule als Lehrerin letztes Jahr verdient habe – damit ist dann auch mein „pledge“ abgegolten.

Aber, so dachte ich mir, das geht noch besser …

 

Mein „geldgieriger“ und dennoch uneigennütziger Geburtstagswunsch
Ich wünsche mir noch mehr laufende Kids in NYC, Kapstadt und anderswo auf der Welt. Und da kommt ihr ins Spiel. Ich suche also Sponsorinnen und Sponsoren für meinen Lauf. Ihr könnt euch das Ganze wie eine ausgedehnte Wohltätigkeitswanderung vorstellen. Ihr könnt mir bzw. dem „Team for Kids“ also je nach Lust und Laune pro Kilometer einen kleinen Betrag spenden oder aber einfach einen glatten Betrag für den ganzen Marathon. Und wer das ganz offiziell über meine Webseite macht, bekommt auch eine per E-Mail zugestellte Spendenquittung.

Kleiner Einsatz, große Wirkung
Das Schöne: Schon für 50 Dollar (etwa 30 Euro, und so viel geben doch die meisten für ein Geschenk für einen runden Geburtstag aus, oder?) kann ein Kind EIN GANZES Jahr lang an diesem Programm teilnehmen. Und entdeckt damit die Freude am Laufen und den Wert von Bewegung. Mit guter Perspektive, denn so läuft es danach vielleicht auch allein weiter, anstatt vor dem Fernseher auf dem Sofa abzuhängen 🙂 .

„Fundraising“ in Deutschland und in Amerika
In Amerika hat „Fundraising“ eine große Tradition und gehört zum Alltag, während es in Deutschland eher negativ als Betteln angesehen wird (oder wer freut sich schon, wenn er beim Einkaufen von Leuten mit „Mappen“ angesprochen wird – ich schließe mich da voll mit ein). Daher wechsle ich jetzt einfach mal die Seiten!

Aber ich lass es drauf ankommen und werde mein Glück jetzt auch in Deutschland versuchen! Ich habe mich schlau gemacht und diverse Ideen fürs Spendensammeln gefunden. Zum Beispiel „basket raffle“ (Tombola), „Cookie Sale“, „car wash“, „ lemonade stand“ und viele andere mehr. Wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht auch die Deutschen für eine so tolle Sache begeistern kann. Hier in Morristown werde ich natürlich ebenfalls die Werbetrommel rühren.

 

Mein Aktionsteam
Ich darf euch nun mein Aktionsteam vorstellen, das mich und das „Team for Kids“ nach Kräften beim NYC Marathon unterstützen wird:

 

Im Hintergrund seht ihr übrigens das Ergebnis einer gelungenen Spendenaktion mit transatlantischer Beteiligung: die Statue of Liberty. Die Leute in Frankreich spendeten für die Statue, die Leute in den USA für den Sockel. Die Spendensammler/innen mussten sich ganz schön was einfallen lassen. Besonders das Fundraising für das Podest in den USA lief schleppend, das Projekt war ernsthaft gefährdet, bis sich Joseph Pulitzer, der Herausgeber der New Yorker Zeitung „World“ etwas einfallen ließ: Er versprach, den Namen von allen Leuten, die spendeten, abzudrucken, egal wie klein ihr Beitrag auch sei. Die Leute konnten dann kleine Geschichten zu den Spender/innen lesen, wie z. B. „ein kleines Mädchen, alleine in der Welt, gab 60 Cents“, oder „eine Gruppe von Kindern spendete einen Dollar – das Geld, mit dem wir eigentlich in den Zirkus gehen wollten“. Mit diesen Geschichten inspirierte Pulitzer die New Yorker und die Spenden flossen wieder.

Bis zum Showdown am 2. bzw. 6. November laufe und laufe und laufe ich meinem Geburtstag entgegen – ein Marathon fällt schließlich nicht vom Himmel und braucht eine Menge Training. Außerdem werde ich fleißig Fundraising betreiben und mir dabei als Greenhorn alle Mühe geben. Und dann, nach kurzem „touchdown“ am 2. November (mit dickem Kuchen!), werde ich direkt loslegen und am 6. November auf der Verrazano-Narrows-Bridge in den Marathon starten (und ein paar Stunden später dann hoffentlich auch ankommen). Angefeuert von den Menschen in New York und sicherlich beflügelt von dem Wissen, dass mein Lauf einige Kinder zum Sport bringt 🙂 .

 

Wir sehen uns ganz bald
 PS: Hier geht’s weiter zum nächsten Monatsbrief. Viel Spaß beim Lesen!