Endlich wieder richtige Sandkästen!

Über unsere Heimreise von XL nach S und das luxuriöseste Ferienhaus der Welt.
Vom Dämpfer, der unser Expat-Projekt zum Wackeln brachte, vom „Männerurlaub“ in Morristown und der Vorfreude auf die Rückkehr in unsere zweite Heimat.

Als wir Anfang Juli hier in Deutschland ankamen, war Hochsommer und alle Welt im Fußball-WM-Fieber. Jetzt, zwei Monate später, fallen schon die ersten bunten Blätter von den Bäumen und die Schule hat in NRW bereits wieder angefangen.

Vertraut und fremd

Bei unserer Ankunft in Deutschland waren wir überrascht: Nach sechs Monaten US-Kultur fühlt sich die Heimat auf einmal anders an – eine Kombination aus vertraut und fremd. Besonders in den ersten Tagen kann man rein gar nichts machen, ohne dass einem die Unterschiede nicht auffallen würden. Deutschland punktet in vielen, aber auch nicht in allen Bereichen.

 

Abgesehen von den kulturellen Überraschungen war unser Sommer eine verrückte Mischung:

  • unbeschwerte Momente im luxuriösesten Ferienhaus, das wir je hatten (nämlich unserem eigenen – unsere „Untermieter“ hatten sich für diese Wochen verzogen).
  • viele schöne Erlebnisse mit Freunden und Familie
  • vier Wochen ohne Theo (8) und Tim (6), da sie schon nach einem Monat Deutschland mit Marc nach NJ zurückgeflogen sind.
  • sieben Wochen ohne Marc (der musste ja in New Jersey arbeiten)
  • über 20 Arztbesuche (viele aufgesparte Vorsorgetermine)
  • einige Dämpfer und eine Hammernachricht, die wir erst noch verdauen müssen…

Im Moment steht unser Leben jedenfalls – mal wieder – ziemlich Kopf, und es stand auf Messers Schneide, ob wir unseren Aufenthalt in Morristown überhaupt weiter fortsetzen oder ob ich mit den Kindern in Deutschland bleibe.

 

Sollte mich nächste Woche eine Nachbarin in der Carton Road bei unserer Rückkehr auf der Straße fragen: „How was your summer?“ werde ich wohl gutgelaunt erwidern: „Good – very good! …  How was yours?“ und dann werden wir weiter über das plaudern, was so in unserer Carton Road und Morristown passiert ist. Das finde ich auch völlig in Ordnung. Für euch gibt es jetzt die deutsche Version.

Heimaturlaub

Der Flug ist überraschend unkompliziert: Theo (8) und Tim (6) spielen die ganze Zeit mit einem Lufthansa-Kartenspiel, Paul (3) guckt exzessiv Kinderfilme und Ole (5) ist auch recht pflegeleicht. Ich kann mein Glück kaum fassen und schaffe es tatsächlich, einen Film zu gucken – mit Unterbrechungen, aber bis zum Ende!

Der erste Eindruck, nachdem wir wieder auf deutschem Boden stehen: „Alles viel kleiner, aber solider“ – wir reisen von XL nach S sozusagen. Nach einem halben Jahr aufgesogener US-Dimensionen kann ich die Amerikaner/innen, die das erste Mal ihr Land verlassen und Europa „niedlich“ finden, schon fast verstehen. Die kleinen Platten der Bürgersteige fallen uns direkt auf – in Morristown liegen auf den „sidewalks“ quadratmetergroße Waschbetonplatten.

Beim Kauf der Frühstücksbrötchen in der Flughafenbäckerei in Düsseldorf gibt’s direkt Gedrängel, weil eine Frau versucht, sich vorzufudeln. Blitzschnell ist es wieder da, das vertraute Stressgefühl beim chaotischen Anstellen. Willkommen in Deutschland!

Daheim
Nach sechseinhalb Stunden Flug landen wir morgens ohne Schlaf um sechs Uhr in der Frühe in Düsseldorf. 90 Minuten später sind wir wieder in unserem Haus: Man ist für einen Moment im falschen Film: Es ist heiß und schwül (über 30°C, wir haben ja Juli!), aber die Weihnachtskarten von 2009 hängen noch an der Wand, einige Geschenke von unserer Abschiedsparty im Januar stehen auf dem Kaminsims, draußen steigt die Sonne immer höher – und das, obwohl man einen superlangen Tag hinter sich hat und sich eigentlich nach Bett fühlt. Aber die Irritation dauert nur einen Moment – nach ein paar Stunden Schlaf fühlt sich das alles wieder genau richtig und heimisch an: Die Kids matschen – „entblößt“ im Garten! – nach Herzenslust mit Wasser und Sand, und die Familie begrüßt uns, das tut einfach sooo gut! Abends gibt’s noch das WM-Fußball-Endspiel und dann geht’s ins Bett. Wir sind wieder zuhause 🙂 .

 

Ein deutsches Sommermärchen
Das Wetter ist super und die Kids knüpfen sofort da an, wo sie im Januar aufgehört haben: Theo geht noch mit in die Schule, Tim und Ole besuchen ihren Kindergarten – die Kinder dort haben schon die Tage bis zu ihrer Rückkehr gezählt. Es herrscht ein reger Kindertausch: Ich habe mal zwei, mal drei, mal vier, fünf oder sechs Kinder im Haus, und alle genießen es, endlich wieder so richtig ausgiebig Zeit mit ihren Freunden zu haben – ich eingeschlossen.

Statt Pestiziden gibt’s „Biogemüse“ aus dem Vorgarten der Nachbarin und unsere Kids gehen oft begeistert rüber und ernten fleißig Kartoffeln, Möhren, Äpfel und „Hannes-Beeren“ (Paul, 3). Unser Rasen ist so wunderbar normal (mit Gänseblümchen, Klee und unschönen Stellen), aber dafür naturbelassen. Wir aktualisieren noch einige Dinge im Haus: Wickelkommode und Windeln sind nicht mehr im Dienst und müssen raus. Theo, Tim und Marc leiden unter heftigem Heuschnupfen wegen der deutschen Pollen. Aber wir lassen uns die Laune nicht verderben – auch nicht von den Hundehaufen auf den Wegen.

Wir entdecken sogar einige deutsche Flaggen (noch von der WM), die aber im Laufe der acht Wochen wieder weniger werden. Mein VW-Bus und ich verstehen uns auf Anhieb wieder richtig gut, auch wenn ich mich nach sechs Monaten Automatik doch einige Tage daran gewöhnen muss, dass er ein Fußpedal mehr hat als unser Honda in New Jersey. Und ich habe am Anfang immer das Gefühl, in einem Lastwagen zu sitzen, denn in den USA gibt es ja kaum PKW mit Diesel-Motoren.
Eins meiner persönlichen Highlights: Endlich gibt´s meinen Lieblingssport wieder live und nicht von der DVD: Fitness –Hochschulsport in Aachen! Und was das Essen angeht, so stürzen wir uns alle auf die Dinge, auf die wir während der letzten Monate verzichten mussten: Thunfischpizza, Schinkenwurst, kräftiges Brot, Apfelschorle und Negerküsse.

Die Dämpfer

Dann kamen leider die schlechten Nachrichten: Wir hatten einen medizinischen Notfall bei den Großeltern, so dass Marc, der den Sommer in Morristown verbracht hat, extra wieder für einen Blitztrip nach Deutschland kam.

Und gleich darauf die Sache mit Oles (gerade 5) Handgelenk, das leider schief zusammengewachsen ist. Zunächst stand eine Korrekturoperation zur Diskussion. Dann haben die Ärzte aber doch entschieden, zunächst abzuwarten, ob der Knochen sich selber wieder richtet.

Außerdem hat der Kinderarzt bei Ole eine Wahrnehmungsstörung festgestellt. Damit hatten wir nicht gerechnet und so mussten wir uns erst mal schlaumachen: Bei einer sensorischen Wahrnehmungsstörung ist die „sensorische Integration“ gestört. Darunter versteht man das Ordnen von Sinneseindrücken durch das Nervensystem. Wenn dieser Prozess nicht richtig läuft, dann sind Bewegungs- und Verhaltensweisen oft nicht angemessen. Ole ist u. a. motorisch nicht altersgemäß entwickelt, packt oft zu fest an, läuft gegen Sachen, verschluckt sich häufig. Zusätzlich besteht der Verdacht, dass er eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung hat – ADHS, habt ihr doch bestimmt schon öfter gehört. Umgangssprachlich wird das als „Zappelphilipp-Syndrom“ bezeichnet – eine psychische Störung, die sich durch Auffälligkeiten bei der Aufmerksamkeit, durch Impulsivität und Hyperaktivität auszeichnet. Wir machen uns jetzt erst mal selbst schlau und lesen uns ins Thema ein.

Das „Gute“ an dieser Neuigkeit ist, dass es zumindest mit Blick auf die Wahrnehmungsstörung einen guten „Pack-an“ gibt, denn mit Ergotherapie kann man Ole in einigen Bereichen (z. B. in der Grob- und Feinmotorik) fördern. Damit haben wir dann auch sofort in Deutschland angefangen.

Im Nachhinein lässt sich seine „Schieflage“ in den USA jetzt auch mit diesen Einschränkungen erklären – er braucht im Moment genau die Sachen, die in New Jersey und vor allem in der preschool eben nicht ganz einfach zu bekommen sind: viel Bewegung, Erleben mit allen Sinnen (also z. B. Sand und Matsch), keinen Erfolgsdruck und Rückzugsmöglichkeiten, wenn es ihm zu „bunt“ wird.

Das war ehrlich gesagt ein ganz schöner Schock für uns. Wir haben überlegt, ob ich mit den Kindern nun doch in Deutschland bleibe. Marc ist allerdings für die nächsten Jahre in New Jersey eingebunden und wird weiter dort wohnen bleiben müssen – und eine Trennung der Familie für eine solch lange Zeit ist natürlich nicht ohne. Darum haben wir uns entschieden, es noch einmal in den USA zu versuchen, wenn wir es schaffen, einige Randbedingungen vorher zu verändern. Das sind meine Bedingungen:

Zurück in die USA? Ja, aber nur …

  1. … mit einer zuverlässigen Hilfe bei der Kinderbetreuung – mit Führerschein.
  2. … mit einer entsprechenden Kooperation der preschool, zum Beispiel Sonderbedingungen für Ole wie mehr Bewegungspausen.
  3. … mit Ergotherapie für Ole.
  4. … wenn es künftig einen Sandkasten im Garten gibt.
  5. … wenn wir eine neue Waschmaschine bekommen.

Marc hat sich in New Jersey um genau diese Liste gekümmert (mit Theo und Tim im Schlepptau). Ich bin mit Ole und Paul noch weitere vier Wochen in Deutschand geblieben, und wir haben mit verschiedenen Therapien angefangen, die schon etwas Besserung bringen.

 

Ole hatte in Deutschland in den letzten Wochen eine wichtige Pause. Es tat ihm sehr gut, endlich mal wieder alles zu verstehen. Er hatte playdates mit seinem Kumpel Tom, konnte Roller fahren und im Sand buddeln. Jetzt übt er jeden Tag wieder fleißig Englisch – mit einer Sesamstraßen-Version, die für ESL-Kinder (English as a second language) konzipiert ist – endlich mal ein Kinderfernsehprogramm, das nicht total überladen, nicht schecklich schrill und bunt ist, sondern verständlichen Sprachinput für Sprachanfänger/innen bietet – kann ich nur empfehlen.

Nun schildert Marc, wie er den Sommer erlebt hat. Er hatte ja leider keinen Urlaub und war daher fast den ganzen Sommer in New Jersey.

Ein Sommer (fast) ohne Atempause

Marc erzählt:
Der Sommer in Morristown war extrem ereignisreich und überhaupt nicht langweilig. Nachdem ich Britta mit allen Jungs nach Deutschland gebracht hatte, habe ich mich auf zwei etwas ruhigere Wochen alleine in den USA gefreut. Allerdings gab es dann in dieser Zeit bei P3 so viel zu tun, dass ich quasi durchgearbeitet habe. In der ersten Woche war wahnsinnig viel in New Jersey los, in der zweiten Woche war ich drei Tage an der Westküste unterwegs und habe mich mit Kunden getroffen. Wenn ich nicht gearbeitet habe, gab es die lange Liste der Dinge zu bearbeiten, die wir als Familie hier in Morristown in Angriff nehmen wollten, um die Situation besser in den Griff zu bekommen.

Anfang August habe ich Theo und Tim in Deutschland abgeholt und mit den Jungs zunächst drei Wochen in Morristown verbracht. Die ersten zwei Wochen waren die beiden vormittags im summercamp, nachmittags hat mir unser Babysitter Judith oft geholfen. Danach habe ich mich eine Woche lang nur um die Vorbereitung der Rückkehr von Britta, Ole und Paul gekümmert. Dazu gehörte die neue Waschmaschine, das Gespräch mit der preschool, ein Roller für Ole, das Organisieren einer Putzhilfe und vieles mehr. Alles in allem ein Sommer ohne Atempause. Und zu allem Überfluss ist dann bei einem Sturm auch noch ein Baum direkt neben unserem Haus umgekippt….

Zelten und Kanufahren

Aber es gab auch wunderschöne Zeiten: Ich habe eine Zeltausrüstung gekauft und war mit Theo und Tim zweimal zelten. Einmal haben wir eine lange Kanu-Tour auf dem Delaware gemacht und zwischendurch auf einem Zeltplatz gewohnt, das andere Mal haben wir mitten im Wald im Stoke’s State Forrest übernachtet. Die vielen Schilder, die vor Schwarzbären warnen, und die totale Dunkelheit waren sehr beeindruckend. Bei beiden Trips gab es nachts Marshmellows am Lagerfeuer und viele spannende Geschichten. Bei einer Wanderung in Pennsylvania haben wir die unberührte nordische Schönheit und Wildnis dieses Landes gesehen. Tim hat an einem Wasserfall eine große Schlange entdeckt (wahrscheinlich eine Northern Watersnake) und wir sind viel gewandert.

Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie gut Theo und Tim Englisch gelernt haben. Nachmittags haben sie oft miteinander stundenlang mit Lego Star Wars gespielt und dabei Englisch miteinander gesprochen. Abends haben wir einen Teil der Star-Wars-Filme unter meiner Aufsicht gesehen. Das war natürlich eine Gratwanderung, aber wichtig, da das hier in den USA zum nationalen Kulturgut gehört und mir das Risiko zu groß war, dass die beiden das sonst ohne Aufsicht bei einem Freund zu sehen bekommen.

 

Wenn du auf einen Schwarzbären triffst, dann solltest du diese 7 Regeln befolgen:

  1. Regel: keine Panik bekommen und auf keinen Fall weglaufen! Bären sind eh schneller als Menschen. Und sie können richtig gut klettern!
  2. Regel: langsam zurückgehen in sicheres Gebiet
  3. Regel: dich richtig groß machen und mit den Armen winken
  4. Regel: ihn auf keinen Fall füttern
  5. Regel: ihm nicht direkt in die Augen gucken
  6. Regel: ihm nicht den Weg versperren (z. B. im Garten)
  7. Regel: laute Geräusche machen beim Wandern, dann verziehen sich die Bären

Und Abflug …

Unsere Koffer sind gepackt und wir sind abreisebereit. Mit dabei sind einige „deutsche“ Dinge, die wir bisher in Morristown vermisst haben:

  • deutsches Bettzeug und Bezüge, denn die Amerikaner/innen haben ein „Lakensystem“ (viel zu umständlich) und das Bettzeug von US-IKEA passt nicht zum deutschen Standardystem.
  • deutsches Fieberthermometer in Grad Celsius (spart bei kranken Kindern den Weg zum Computer bzw. zur Umrechnungstabelle).
  • viele, viele Schuhe (Lederschuhe für Herbst und Winter und Sandalen für den nächsten Sommer).
  • DIN-A-4 Papier – in den USA gibt es ein anderes Format („US letter“: breiter, aber kürzer). Und da wir für unsere Unterlagen auch DIN-A-4 Papier brauchen, müssen wir es über den Teich schleppen, dasselbe gilt für Ordner und Locher.
  • einigen Krimskrams wie Tesafilm, Transparentpapier für Laternen, Kringel-Geschenkband, vernünftige Sandschaufeln usw.

Ausblick auf den September 2010

Mit Beginn des neuen Schuljahres kommt Theo auf eine neue Schule (die Alexander Hamilton), Tim bleibt auf der Hillcrest School, Paul geht ebenso weiter in seine preschool-Gruppe. Morena, unser Au-pair aus Brasilien, wird Anfang September anfangen und ich beginne als Deutschlehrerin an der deutschen Schule in Morristown.

Und ganz wichtig: Wir müssen Ole einen guten, langsamen Start ermöglichen. Heißt: Gespräch mit der preschool, langsames Eingewöhnen, Ergotherapie und einige Änderungen in Haus und Garten, damit es insgesamt ruhiger wird und Ole sich wohler fühlt. Für Paul ändert sich nichts und er wird weiterhin mit Ole zur preschool gehen.

Verschieden und gleich

August 2010: Warum sich bei unserem ersten Heimatbesuch Deutschland vertraut und fremd zugleich anfühlt und wie schön es ist, schamlos nackt herumzulaufen. Und weshalb wir aus 1.000 Gründen unser deutsches Haus ganz neu wertschätzen.

 

 

Unser neuer Blick auf Deutschland
Wir haben in den letzten sechs Monaten jeden Tag US-Kultur erlebt. Mit der Ankunft am Flughafen in Düsseldorf sind wir überrascht, dass sich das eigene Land anders anfühlt als erwartet – ein neues Bild aus wunderbar vertraut und ungewohnt fremd.

Die Unterschiede zwischen den beiden Ländern sind so knallig und plakativ, dass sie uns in den ersten Tagen immer „anspringen“ – nicht mal auf der Toilette hat man seine Ruhe. Deutschland hat viele Asse für uns im Ärmel, aber auch einige Pferdefüße. Und bei einigen Dingen werde ich richtig nachdenklich …

1. Pluspunkt: die große Freiheit – ein unschätzbarer Luxus für uns alle

Das Leben mit vier Kindern ist in Deutschland deutlich unkomplizierter für uns. Wir können zu Fuß von zu Hause starten, denn vieles liegt in erreichbarer Nähe (Städtchen, Spielplätze, Zoo, Kindergarten) und es gibt einfach überall Bürgersteige, wo man Kinderwagen, Roller, Bobby-Car oder Fahrrad fahren kann (ohne in Lebensgefahr zu sein). Für mich als Bewegungsmensch macht das einfach einen Riesenunterschied. Die Kinder dürfen auch mal vorweg laufen oder fahren (keine „Leinenpflicht“), sich einfach mal eben für ein „Picknick-Pipi“ in die Büsche schlagen (ohne ein öffentliches Ärgernis zu sein) und im Spielplatz nach Herzenslust im Sand spielen (anstatt mit stinkigem Rindenmulch). Mit nackten Füßen durch Sand zu laufen ist eben auch ein bisschen Urlaub – die Leute in New Jersey wissen gar nicht, was sie ihren Kindern vorenthalten.

Theo (8) darf zu seiner alten Schule, macht auch direkt den Ausflug mit, ohne dass wir irgendetwas unterschrieben hätten (in den USA undenkbar). Ole (5) und Paul (3) gehen öfter in den Kindergarten, einfach so. Wer denkt, dass Deutschland Spitzenreiter in Bürokratie ist, sollte einmal mit seinen Kindern in die USA bzw. nach New Jersey ziehen …

Die Kinder genießen das selbstständige Leben, wie zum Beispiel einfach mal eben mit dem Fahrrad um den Block zu Uroma zu fahren. Theo und Tim (6) können auch mal eine Stunde alleine zu Hause bleiben oder eben kurz fünf Minuten im Auto sitzenbleiben, wenn Mama etwas in der gegenüberliegenden Bäckerei einkauft.
Alles in New Jersey nicht möglich – bis zum 12. Lebensjahr der Kinder muss man praktisch immer in Reichweite sein (und das ist wörtlich zu nehmen – so lernen es auch die Au-pairs).

 

Diese Freiheit ist ein ganz klares Plus hier in Deutschland, denn es tut den Kindern und ihrer Entwicklung gut. Deutsche Kinder lernen viel früher, für sich selber Verantwortung zu übernehmen und können sich auf diese Weise unabhängiger entfalten. Wer will schon bis zwölf Jahren am Rockzipfel von Mama und Papa hängen? Dies ist einer der Gründe, warum wir nicht für immer in den USA bleiben werden – ich wünsche uns selbstständige Kinder mit common sense.

2. Pluspunkt: Wir sollten uns schämen … oder doch nicht?

Ich hatte ganz vergessen, wie unkompliziert die Deutschen mit Nacktheit umgehen. In den Ferien gehe ich mit Paul und Ole einfach in die Mädchenumkleidekabeine des Schwimmbades – kein vergebliches Suchen nach einer geeigneten Familienumkleidekabine wie im YMCA in Madison. Und niemand beschwert sich.

Wie sehr ich mich schon an die amerikanischen Standards gewöhnt hatte, zeigte mir ein Freund von Tim, der bei uns übernachtete: Tim und er standen auf einmal unvermittelt im Schlafanzug im Elternbad, plauderten mit mir über etwas, das sie gerade sehr beschäftigte, ohne überhaupt wahrzunehmen, dass ich gerade unter der Dusche stand. Das wäre in New Jersey vollkommen unmöglich. Dort sehen die meisten Kids ihre Eltern schon von klein an nicht mehr nackt – es gibt wohl eine Empfehlung, dass man sich ab dem zweiten Lebensjahr dem Kind nicht mehr nackt zeigt! Warum nur?

 

Also, wir Deutschen sind in Punkto Nacktheit deutlich weniger „schamhaft“ als die Amerikaner/innen. Man fühlt sich direkt normaler und sich seines Körpers auf natürliche Weise bewusst, wenn man sich nicht überall „verstecken“ muss. Das wünsche ich mir auch für unsere Kinder.

3. Pluspunkt: Waschmaschine, Staubsauger und Co. – für mich nur noch „made in Germany“

In den letzten sechs Monaten habe ich am eigenen Leib erfahren, dass einige Haushaltsmaschinen in Amerika super unpraktisch sind und ihren Job einfach schlecht bis gar nicht erfüllen. So stehe ich persönlich mit unserer Waschmaschine in New Jersey auf Kriegsfuß und sie hat mich schon einige Tränen gekostet.

Kurze Beschreibung des Monstrums: Toploader (Wäsche kommt von oben rein), sie hat dreimal so viel Innenraum wie die deutschen Waschmaschinen, in der Mitte ragt die „Waschschraube“ nach oben. Wäsche rein, Waschmittel auf die Wäsche drauf, Deckel zu, anstellen, Programm wählen. Das längste Programm bei unserer Maschine ist „Ultra clean“ und dauert gerade 16 Minuten (ja, sechzehn!). Temperaturwahl: cold – warm – hot (wobei „hot“ – lauwarm ist). Das Schleuderprogramm ist ein Witz und ein Fusselsieb gibt es auch nicht. Das Ergebnis: immer noch dreckige, klatschnasse, verknotete und verfusselte Wäschemassen.

Marc war zunächst wenig hilfreich: „Wie machen das denn die amerikanischen Frauen?“ – Ja, das wüsste ich auch gerne. Das Thema „Waschmaschine“ ist immer ein sehr ergiebiges Thema unter Expat-Frauen, während es in unserer Familie zum Dauerreizthema geworden ist.
Und jetzt bin ich’s einfach satt, mit dieser Maschine Wäsche für sechs Leute zu waschen. Ich kehre erst wieder in die USA zurück, wenn Marc das Ungetüm durch eine anständige Waschmaschine ersetzt hat.

Unser amerikanischer Staubsauger ist nicht viel besser – ebenfalls eine Monstermaschine. Sauger, Motor und Beutel – alles in einer Box, die man bei jeder Bewegung komplett mitschleppen muss. Man kommt in keine Ecke und hat nachher einen Tennisarm. Völliger Schwachsinn – wer konstruiert so etwas? Und wieso machen so viele Amerikaner/innen das dann auch noch mit und kaufen sowas?

 

Ein deutscher Staubsauger von Siemens kostet hier das Dreifache wie in Deutschland, aber wir hatten Glück und haben gerade einen gebraucht von einer anderen Expat-Familie übernommen.

4. Pluspunkt – Kleinvieh macht auch Mist

Und dann gibt es die vielen kleinen Überraschungen in Deutschland, die ich nach einem halben Jahr schon fast vergessen hatte:

  • mal nicht nach Schwimmbad zu riechen, wenn man aus der Dusche steigt
  • kein Geruch von scharfen Reinigungsmitteln im Kindergarten
  • tiptop Straßen ohne Schlaglöcher (in New Jersey bekommt man öfter einen „Rumms“ in den Bauch und fast einen Herzinfarkt, wenn man mit dem Auto in voller Fahrt durch die tiefen Schlaglöcher donnert). Die gibt´s sogar auf dem Highway. Beim Joggen oder Fahrradfahren sollte man immer einen großen Bogen um Pfützen machen – sonst kann man ganz übel stürzen.
  • normal dimensionierte Autos, bei denen sich die Außenspiegel nicht auf der Höhe meines Kopfes befinden – sehr beruhigend! Die größte Gefahr für unsere Kinder in New Jersey besteht tatsächlich darin, die Parkplätze zu überqueren – da müssen alle „ans Händchen“.

5. Pluspunkt – das luxuriöseste Ferienhaus der Welt

Wir sehen unser deutsches Haus in Deutschland mit neuen Augen, denn es offenbaren sich bisher ungeahnte Vorzüge:

  • Fenster, die sich mit einem Handgriff komplett öffnen lassen – im Gegensatz zu anfälligen und umständlichen Kurbelfenstern in Morristown, von denen die Hälfte jetzt schon kaputt ist.
  • Helle Räume mit Deckenlampen – in New Jersey haben wir in fast allen Zimmer an der Decke einen dicken Ventilator hängen, aber leider keine Lampe. Stattdessen muss man sich überall Tischlampen, Stehlampen und Leselampen aufstellen. Aber die Dinger machen die Zimmer einfach nicht hell genug, zumal in den USA nur viel niedrigere Watt-Birnen zugelassen sind. Viele Räume sind also immer ziemlich düster (weil ja auch noch die Fenster zu klein sind für die tiefen Räume). Und ganz ehrlich: Besonders im Dunkeln ist es einfach unpraktisch, immer zuerst die Lampe zu suchen, bis man Licht hat. Sie haben drüben dafür den Trick mit den ein- und ausschaltbaren Steckdosen – aber das funktioniert oft auch nicht, denn wehe die Putzfrau hat die beiden Steckdosen am Bett vertauscht: Dann ärgert man sich abends, wenn man das Licht im Schlafzimmer anmachen will, warum denn schon wieder die Birne der Nachttischlampe kaputt ist (falsche Steckdose!) und wundert sich, dass der Wecker morgens nicht klingelt (den man versehentlich ausgeknipst hat – alles schon passiert). Kurzum: Ich stehe ab jetzt auf die guten deutschen Deckenlampen – praktisch und funktional.
  • Wände, die den Namen verdienen – die Innenwände unseres Morristown-Hauses sind vom Look-and-Feel wie Rigipswände – nicht mehr als ein besserer Sichtschutz. Nägel gehen zwar butterweich rein, aber anschließend muss man ihnen gut zureden, nicht komplett in der Wand zu verschwinden. Bei uns sind schon zwei Uhren und ein Bild zu Bruch gegangen, weil eine zugeschlagene Tür die Wände so ins Wackeln brachte, dass sie einfach runtergefallen sind. Wer in einem amerikanischen Haus im Zorn mit der Faust gegen die Wand haut, kommt im anderen Zimmer wieder raus.
  • Das Sahnehäubchen ist die himmlische Ruhe – trotz der Schar der Besucherkinder. Man kann in Ruhe eine Unterhaltung im Esszimmer führen, ohne das Geplapper der Kinder in der Etage darüber zu hören. In New Jersey sind die Häuser aus Holz gebaut – das ist zwar gemütlich, aber ich habe ständig das Gefühl, dass wir uns akustisch „auf dem Schoß“ sitzen. Die Investition in ein Babyphon hätten wir uns tatsächlich sparen können, und Fernsehen geht nur mit Kopfhörern.

 

Aber ich muss fair sein: Einige Sachen in unserem Haus in New Jersey sind dafür auch besser als in Deutschland: zum Beispiel Einbaukleiderschränke. Und zwar in jedem Zimmer gleich zwei, da braucht man keinen Kleiderschrank zu kaufen. Ebenso die oftmals schon eingebaute Küche – und nicht ständig dieses Ein- und Auszugsdesaster der Küchen bei vielen gemieteten Wohnungen und Häusern wie in Deutschland. Dann noch die nützlichen und guten eingebauten Heizlüfter im Bad und natürlich auch die Garage mit direkter Verbindung zum Haus – besonders im Winter ist die unschlagbar.

Die spinnen, die Deutschen

Kuschelzone gegen Sicherheitsabstand und Tempo gegen Gelassenheit. Dienstleistungswüste gegen Kundenservice und Toilette gegen Puderraum. Falten gegen Knüddeln und harte gegen weiche Matratze: Die Unterschiede sind ein Kulturschock für die Amerikaner/innen. Aber für uns auch.

 
Und dann ist da die andere deutsche Seite, die mir jetzt hier zuhause jeden Tag auffällt und die selbst für mich wieder gewöhnungsbedürftig ist. Ich muss öfter mit Mitgefühl an meine amerikanischen Leidensgenossen/innen denken, die nach Deutschland ziehen und hier so ihre Erfahrungen machen.

Speed-Einkaufen in Kuschelentfernung
Einkaufen in Deutschland hat bestimmt schon so einige Amerikaner/innen traumatisiert: viel zu eng, zu wenig Auswahl, zu schnell, effektiv, keine Anstellmoral, unhöfliche Kassierer/innen. Und dann muss man auch noch SELBST alles in KOSTENPFLICHTIGE Tüten einpacken … Da gab es bestimmt schon etliche „Notrufe“ von gefrusteten Amerikanerinnen beim arbeitenden Ehemann (oder umgekehrt).

Es gibt außerdem einen klaren Unterschied beim persönlichen Wohlfühl-Abstand. Wir Deutsche können Leute näher an uns vorbeilassen, ohne direkt gestresst zu sein – jedenfalls, wenn wir uns aneinander vorbeibewegen, wie z. B. beim Einkaufen. In New Jersey ignoriert man schon die „persönliche Sicherheitszone“, wenn man den Abstand von einer Armlänge unterschreitet (unter 60 cm). Das geht nicht ohne ein „excuse me“ (als Vorwarnung) oder ein „sorry“ (danach). Alles andere gilt in den USA als unhöflich und wirkt aggressiv – überall im öffentlichen Leben.

Einkaufen mit deutscher Effizienz oder amerikanischer Gelassenheit?

Nächste Krisenstation beim Einkaufen: Das Tempo im Allgemeinen und im Besonderen beim Kassieren: In New Jersey haben die Leute einfach viel, viel Zeit beim Einkaufen – sie sind super gelassen und schieben ihre Einkaufswagen in den meilenlangen Reihen in aller Ruhe immer ein Stückchen weiter vor … Ich werde manchmal verrückt und überhole einfach (nicht an der Kasse, wohlgemerkt!), auch wenn ich sicherlich damit schon unangenehm aufgefallen bin. Und die shop assistants an den Kassen sind dann noch krasser – sie scannen die Waren ganz gelassen und verstauen sie in aller Seelenruhe nacheinander in dem Berg von Tüten (und zwar genau in dieser Reihenfolge: ein Teil scannen – dieses Teil verstauen – nächstes Teil scannen – nächstes Teil verstauen …). Gehört das auch zur berühmten amerikanischen Gelassenheit? Mir ist das Tempo dort definitiv zu langsam.

 

Auf der anderen Seite habe ich in New Jersey noch nie so viele ungeduldige Blicke auf mir gespürt wie bei meinen wöchentlichen Großeinkäufen bei Aldi in Deutschland. Mein erster Einkauf hier toppte alles: Ich verfrachtete meine Einkäufe in Windeseile auf das Band (das ist ja wie Sport, weil ich es schaffen muss, meine Sachen meist auf die gesamte Länge des Bandes zu legen, bevor die Kassiererin vorne losscannt, wo ich dann alles wieder einladen muss) und es bildete sich eine Schlange hinter mir. Wie immer scharrten die ersten schon mit den Hufen (ist ja auch okay). Aber dann brüllte die Kassiererin quer durch den ganzen Laden: „Frau Brehmer, kannste mal mitkassieren? Ich hab hier ‘nen Wahnsinnseinkauf!“ Da kam ich mir schon ziemlich blöd vor. So was würde einem in New Jersey NIE passieren.

Dienstleistungswüste Deutschland

Dass Deutschland in Sachen Dienstleistungskompetenz nicht gerade vorne liegt, ist ja nicht neu. Aber nach sechs Monaten „Entwöhnung“ von dieser „Muffeligkeit“ muss man dann doch schon mal schlucken, wie man als Kundin/Kunde in Deutschland so behandelt wird. Oder bin ich inzwischen schon eine Mimose geworden? Die Dichte der unhöflichen bis unverschämten Verkäufer/innen ist jedenfalls beeindruckend höher als in New Jersey:

Beispiel: Café Heinemann
Ich habe mich ein halbes Jahr darauf gefreut, mal wieder bei Heinemann einen „Mohrenkopf“ zu essen. Den gibt es in New Jersey nämlich nicht (schon gar nicht unter so einem politisch inkorrekten Namen). Ich sitze also dort auf der Terrasse und warte auf die Bedienung. Die ist gerade bei zwei älteren Damen am Nebentisch, die gern wissen möchten, welchen Kuchen es gibt. Darauf die Kellnerin: „Das müssen SIE mir schon sagen, was Sie wollen!“ Und sagt das in einem Ton, dass ich fast rückwärts vom Stuhl kippe.

Als ich dran bin, weiß ich ja zum Glück, was ich möchte. Und als die Bedienung nach fünf Minuten wieder auftaucht, ruft sie mir über zwei Nachbartische zu: „Hamma nich!“ In den USA hätte ich zumindest ein „sorry“, ein mitfühlendes Gesicht und einen Alternativvorschlag bekommen und nicht so eine harsche Absage. Kein Unterschied, findet ihr? Doch! Es fühlt sich deutlich schlechter an. Und das Verhalten der Bedienung gegenüber den beiden älteren Damen fand ich sogar respektlos und unverschämt.

Beispiel: Schuhladen

Ich kaufe für die Jungs Unmengen von Schuhen – offene Sandalen und gute Lederschuhe für Herbst und Winter (denn die habe ich in den USA noch nicht gefunden). Aber als ich in einem Schuhladen von einer Verkäuferin angeraunzt und einfach stehengelassen wurde, als ich sie nur darum bat, bei Ole (5) die Füße zu messen – also, da ist mir schon die Hutschnur gerissen.

Irgendwie habe ich bei vielen deutschen Verkäufer/innen das Gefühl, ich würde sie belästigen, wenn ich sie anspreche. Aber die wollen doch eigentlich was von MIR (nämlich mein Geld), oder? Wer amerikanische Standards gewöhnt ist, der kann nur den Kopf schütteln, wie hier mit Kundschaft umgesprungen wird. In den USA würden solche Geschäfte direkt durch die Konkurrenz platt gemacht bzw. die Angestellten entlassen (hire and fire) werden, denn so was lässt sich in New Jersey niemand gefallen.

Ich auch nicht mehr: Ich habe denen im Schuhladen gesagt, wie unmöglich ich ihr Verhalten finde, dass ihnen gerade so um die 500 Euro durch die Lappen gehen und dass ich jetzt zur Konkurrenz gehe. So richtig Pretty-Woman-like. 🙂 Und Tschüss.

Last but not least: der Toilettenvergleich

Es tut auch gut, einfach mal wieder auf die „Toilette“ gehen zu dürfen – und eben nicht in den „Ruheraum“ (restroom), ins „Badezimmer“ (bathroom), oder den „Puderraum“ (powder room). Das Wort „toilet“ gibt es zwar im Englischen, es wird aber de facto in den USA nie benutzt, um den Raum zu bezeichnen. Selbst die Tiere gehen hier zum „bathroom“. So fragte der Tierwärter die Kinder auf dem Bauernhof: „What does the cow do if it needs to go to the bathroom?“

 

Dazu eine kleine Anekdote: Theo (damals 7) ist in der ersten Woche in der amerikanischen Schule (im Januar) fast die Blase geplatzt, als er vergeblich versuchte herauszufinden, wo die Toiletten sind: „Who is the toilette?“, hat er gefragt. Klar, das war das falsche Fragepronomen, aber auch das Wort „toilette“ hat einfach keine Glocken klingeln lassen, so dass gegen Mittag vor Schmerzen Tränen flossen, bis sie ihn dann doch noch verstanden haben (armer Kerl). Inzwischen geht die wörtliche Übersetzung genau andersherum, so dass Theo sogar im Deutschen sagt, dass er mal ins Badezimmer muss („I have to go to the bathroom“). Aber das kriegen wir auch wieder hin 🙂 .

 
Zu den Unterschieden zwischen deutschen und amerikanischen „stillen Örtchen“ könnte man glatt einen ganzen Roman schreiben. Zuerst ein technischer Vergleich: Viele Toiletten in New Jersey laufen zuerst ganz voll Wasser und saugen dann im letzten Moment alles ab. Wenn man das nicht kennt, hält man schon mal die Luft an und befürchtet, dass alles überläuft. Womit man auch oft richtig liegt! Denn weil das Abflussrohr einen ziemlich kleinen Durchmesser hat, kommt es öfter zu Blockaden, und dann läuft das Wasser nämlich tatsächlich richtig über! In vielen öffentlichen Toiletten in New Jersey steht daher nicht die Toilettenbürste, sondern der Plömpel neben der Toilette (sinnvollerweise). Auch das Duftspray fehlt hier nie – habe ich in Deutschland bisher eher selten gesehen.

Knüddeln oder falten?
In diesem Zusammenhang gibt es eine weitere Glaubensfrage: Knüddeln oder falten? Diese Papier-Diskussion trennt tatsächlich einige deutsch-amerikanische Familien. Denn wir Deutschen sind meist „Falter“, d. h. wir falten relativ dickes Toilettenpapier. Die Menschen hier aber haben hauchdünnes Papier, das sie eben „knüddeln“. Ich stand am Anfang fassungslos vor dem super dünnen Papier, das zum Abputzen nichts taugt und zusätzlich die Toiletten immer verstopft.

Und warum haben alle öffentlichen Klos in New Jersey die Toilettenbrille vorne geöffnet? Es soll hygienischer sein. Punkt! Gut, verstehe ich zwar nicht ganz, aber das ist wirklich eine Sache, mit der ich leben kann, auch wenn unsere Kinder mit einem ihrer kleinen Beinchen immer genau in dieser Rille hängen bleiben.

„Tiefere“ Einblicke sorgen für mehr Verständnis

Manchmal hat man Vorstellungen von seinen Mitmenschen, die sich im Laufe der Jahre wenig ändern und quasi fossilisiert sind, weil es einfach bequem ist und keinen Grund gibt, diese Vorstellungen (Vorurteile?) zu ändern. Eine Zeit im Ausland bringt da so einiges in Bewegung, weil es dann nicht mehr ins Bild passt.

Ich habe jedenfalls jetzt eine andere Einstellung zu türkischen „Big Mamas“ bekommen: Unsere türkische Nachbarin in Deutschland, die seit 18 Jahren hier lebt, hat fünf Kinder (zwischen 2 und 18 Jahren) und spricht nur sehr gebrochenes Deutsch. Ihr Mann spricht gut Deutsch, und alle Kinder sind bilingual aufgewachsen.

Diese Diskrepanz war für mich schwer nachzuvollziehen, weil man nach so langer Zeit in einem Land einfach etwas anderes erwartet. Aber jetzt ist es mir ähnlich gegangen: Marc und die Kinder hatten durch Job und preschool/school schnell einen festen Platz in der neuen Gesellschaft und dadurch täglich mehrere Stunden Kontakt zur neuen Sprache. Bei mir sah das anders aus: Ich war voll ausgelastet mit Hausarbeit und Kinderbetreuung und hatte trotz Bemühen kaum Zeit, mich um „authentischen Sprachinput“ zu kümmern.

Als Hausfrau und Mutter von vielen, noch jungen Kindern lebt man tatsächlich ziemlich isoliert vom Rest der einheimischen Welt (im Ausland durch die Kulturunterschiede noch verstärkt), und man muss schon auf die Pauke hauen, um da herauszukommen.

Ich kann jetzt also gut nachvollziehen, warum unsere Nachbarin, die den ganzen Tag im Haus putzt, kocht, Kinder hütet und aufräumt, so wenig Deutsch kann. Das muss schon ein verrücktes Leben sein, so lange in einem Land zu leben und kaum Zeit zu haben, eine eigene Berührungfläche mit den „Einheimischen“ zu haben (abgesehen von den Dingen, die im Zusammenhang mit den Kindern stehen). Ich könnte das nicht aushalten, aber man braucht, um aus dieser Falle herauszukommen, einen Mann, der mitzieht, extra Geld für Babysitter und genug Energie, sich selber diesen Raum zu schaffen.

Heimat tut gut

Und als mich eine ukrainische Mutter vor unserem Kindergarten in Deutschland vor kurzem fragte, wie es uns denn so gefallen würde, mal wieder in der Heimat zu sein, da habe ich ehrlich gesagt, dass es richtig gut tun würde. Da bekam sie leuchtende Augen und seufzte: „Ja, kenne ich, das ist doch was anderes, wenn man zuhause ist.“ Wenn wir auch unterschiedliche „Heimaten“ haben, so weiß ich jetzt ohne viele Worte, wovon sie redet. Was ihr wohl in Deutschland alles fehlt?

Fazit
Irgendwie sieht man alles aus einer neuen, dritten Perspektive, die wohl auf eine Kombination aus den alteingessenen Erfahrungen in der Heimat und den ganz frischen Erfahrungen im neuen Land zurückgeht.

Und am Ende des Tages gibt es für uns in Deutschland sogar noch eine Stunde Helligkeit gratis obendrauf. Denn Morristown liegt im Vergleich zu unserem Zuhause am Niederrhein viel weiter südlich (auf demselben Breitengrad wie Neapel) und deswegen ist es dort früher dunkel.

Und wenn es dann an der Zeit ist, ins Bett zu gehen, dann freue ich mich drauf! Denn in meinem deutschen Bett versinke ich nicht in der Matratze, weil die so weich ist (Amis lieben einfach alles, was dick und fluffy ist). Welch eine Wohltat ist die harte Matratze für meinen Rücken, einfach purer Luxus!

 

Tat so gut bei euch
 PS: Hier geht’s weiter zum nächsten Monatsbrief. Viel Spaß beim Lesen!