Zum dritten Mal feiern wir den St. Patricks’ Day. Die Büste von Madison hat eine grellgrüne Wuschelperücke auf, einige Kinder und Lehrer/innen in der Schule laufen komplett in Grün rum. Auch in der preschool wird dieses Jahr gefeiert – Ole backt mit einer „irischen“ Mutter „Irish Soda Bread“ (ein rundes, ziemlich trockenes Weißbrot mit Rosinen, wird mit Butter bestrichen – super lecker) und Paul bekommt von derselben Mutter eine Stunde Unterricht in „Irish Stepdancing“. Da hätte ich ja gerne zugeguckt. Die Fotos, die in der preschool hängen, sind jedenfalls sehr lustig – Hände in die Seiten gestemmt und dann hoch die Beine …
Springtime-News!
Die Zeichen stehen auf Frühling: Draußen spielen die ersten Kids jetzt wieder im T-Shirt Basketball, die Sportangebote für die „Spring Season“ wie Soccer, Tee-Ball, Basketball, Baseball und Softball starten und mir läuft sogar schon das erste Streifenhörnchen über den Weg. Ein Fest jagt jetzt das nächste. Am 2. Februar ist wieder einmal Groundhog Day –glaubt man der Legende nach dem Murmeltier, gibt es weitere sechs Wochen Winter, wenn es an diesem Tag besonders kalt ist. Ansonsten kommt der Frühling. Und dann, am 5. Februar findet wieder DAS Sportereignis der USA statt: der Super Bowl XLVI! An diesem Tag werden angeblich 100 Millionen Hähnchenflügel auf den „Super Bowl Partys“ in den USA verspeist! Würde man sie alle aneinanderreihen, reichten sie mehr als zweimal um den Äquator – enjoy!
Valentine’s Day
Am 14. Februar ist natürlich Valentine’s Day. Bei Theo (9) gibt’s an diesem Tag süße „smencils“ (Duftstifte mit Kaugummi-, Zimt-, tropischer Brise-, Trauben-, Zuckerwatten-, Wassermelonen-, Orangen-, Very Berry- oder Root Beer-Geschmack) und „scented bookmarks“ (duftende Buchzeichen in sieben Duftrichtungen) und bei Tim (8) rote Früchte und „frozen yogurts“ (gefrorener Joghurt – der Hit hier überhaupt). Als einige Kinder in Tims Klasse doch schon die Lutscher auspacken, die eigentlich für zuhause waren, mahnt die Lehrerin sie, diese ganz schnell aufzuessen, bevor die nurse der Schule das entdecken würde – also schnell zerbeißen, kauen und schlucken … 🙂 . In den Geschäften verschwinden die Herz-Dekos nach dem Valentinstag sofort, um Platz für Osterhasen und die grünen Kleeblätter für den St. Patrick’s Day zu machen – außerdem taucht wieder überall das „k“ für koscheres Essen auf.
It’s Super Sunday again!!!
Vor zwei Jahren haben wir ihn glatt verpasst: den Super Bowl! Das ist ungefähr so, als ob man das Fußball-WM-Endspiel in Deutschland verpasst – wir waren also sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Vor einem Jahr habe ich von unserem Gast beim Endspiel einen Crashkurs in den Grundregeln vom American Football bekommen. Dieses Jahr wollen wir ihn alle zusammen feiern. Da uns niemand eingeladen hat (ist wohl eher eine Sache, die man mit alten Collegefreunden feiert), müssen wir uns allein was überlegen. Beim diesjährigen Finale des Super Bowl in der amerikanischen Footballsaison spielen die „New York Giants“ gegen die „New England Patriots“ (Boston). Schon gewusst? Picknick auf dem Parkplatz? Was ist denn „Tailgating“ zu Sport-Events? Zur Einstimmung schon mal selbst eine Runde laufen … Bevor aber das Spiel nachmittags losgeht, hat Marc seinen großen Auftritt – nach fünf Wochen Training mit Pamela läuft er mit mir gemeinsam den „Super Sunday 4 Miler“ mit. Ein kalter, glasklarer Tag, wie immer Volksfeststimmung, viele Hunde, einige Kinder, einmal rund um Morristown und den Golfplatz herum, sehr beschaulich. Einige Anwohner/innen stehen mit Tischen vor ihren Haustüren und reichen uns Wasser, viele feuern uns Läufer/innen an mit „Keep it up!“ Ein Auto fährt bis unters Dach beladen mit Giants-Luftballons an uns vorbei. Auch wer keine Ahnung von Football hat, kommt nicht um den Superstar das Tages herum: Eli MANNING, gesprochen „Ilai Männing“, der begnadete Quarterback der Giants. Wenn ihr euch einen Namen merken wollt, dann diesen! Alternativ ist es „Brady“ – der Quarterback der anderen Mannschaft. Die Namen der beiden Spieler zieren unzählige T-Shirts der Läufer. Marc kämpft sich durch, es geht zwischendurch ganz schön bergauf, und auf den letzten Kilometern liefern wir uns ein spannendes Rennen mit einem Dreikäsehoch-„Manning-Fan“, seiner rothaarigen Mutter, einer etwas untersetzten grünen Ninja-Turtle und drei ziemlich fitten Typen mit ominösen Rucksäcken (nein, keine Bomben, sondern „bricks“ – Wackersteine zum Kraft- und Muskelaufbau, wie sie uns später verraten). Wir schlagen zumindest die Ninja-Turtle und sind im Ziel. Herzlichen Glückwunsch, Marc!!! … dann vor den Fernseher hocken Während wir noch beim Lauf sind, fangen vielerorts schon die „Super Bowl Partys“ …
Tatü – Tata – der Weihnachtsmann ist da
Kurz vor Weihnachten kommt das Feuerwehrauto mit heulender Sirene und rot-blauem Geblinke durch die Wohngebiete gebraust – Santa Claus höchstpersönlich verteilt Candy Canes an alle Kinder, die aus ihren Häusern kommen und dem Weihnachtsmann winken. Klar, Ole und Paul wollen auch und laufen schnell zur Straße. Irgendwie scheinen die Feuerwachen hier bei „Santa-Specials“ sehr kreativ zu sein. Mt. Kemble’s Fire Trucks bieten für 15 Dollar pro Geschenk einen „Abhol-, Einpack- und Santa-Lieferservice“ an, bei der Fairchild Fire Company gibt es „Pancake Breakfast“ und „Photos with Santa“, und bei unserer Feuerwache um die Ecke gibt’s jede Menge Weihnachtsbäume zu kaufen.
Vorsicht Fettnäpfchen!
Die Festzeit im Moment ist eine gute Gelegenheit, den Nachbarsfamilien mal etwas diskret in den Vorgarten zu spinksen – dachte ich zumindest. Also, alle unsere Nachbarsfamilien, die mit rot-weißen Candy Canes ihren driveway beleuchten, die dicke grüne Kränze an der Tür und hell erleuchtete Tannenbäume im Wohnzimmer haben, die feiern Weihnachten. Und sind damit aller Wahrscheinlichkeit zumindest gemischt-gläubig. So weit, so gut. In unserer Nachbarschaft (30 Häuser) gibt es aber nur ein einziges Haus, das mit einer Menorah geschmückt ist – dabei haben wir mindestens zehn jüdische Familien hier! Tja, da ging meine Rechnung wohl nicht auf. Und trotzdem: Obwohl ich inzwischen eigentlich weiß, wer in unserer Straße jüdischen Glaubens ist (von denen, mit denen wir Kontakt haben), stellt mir mein Gehirn immer wieder Fallen. Wenn Nachbarinnen, die keine Weihnachtsbeleuchtung im Garten haben, mich fragen „What are you doing for Christmas?“, dann stelle ich fast reflexartig die Gegenfrage „What are you doing for Christmas?“ Und sobald es raus ist, haue ich mir auf den Mund und fühle mich mal wieder so richtig ertappt. Die Leute haben bisher immer abgewunken und gesagt „Oh, it’s o.k.“, aber ich fühle mich immer wie ein Volltrottel. Dabei hatte ich mir geschworen, dass mir das nach Rosh Hashana, wo ich auch ins Fettnäpfchen getreten war (da hatte ich nur blöd geguckt, als mir eine Nachbarin mitten im September erzählte, dass sie mit der Familie große Neujahrsfeier gehabt hätte), nicht mehr passieren würde, aber 40 Jahre „Monokultur“ kann man nicht einfach wegwischen … Politisch korrekt gibt es für jedes der Feste eine Sondermarke bei der Post zu kaufen. De facto muss man allerdings zugeben, dass die Weihnachtsdekorationen hier so allgegenwärtig und übermächtig sind – da können die Menorahs nicht mithalten. In einem Zeitungsartikel im Wallstreet Journal steht ganz klar, dass als Antwort auf den Weihnachtstaumel Tendenzen zu beobachten sind, dass auch Hanukkah immer größer gefeiert wird: Viele Familien schmücken ihr Haus mit blauen und weißen Lichtern, Kinder feiern „latkes on roller skates parties“, Jugendliche machen „Vodka und Latkes Parties“, es werden Dreidel-Wettbewerbe im Land abgehalten und in NYC gibt es sogar eine gut besuchte Striptease-Show …
Diskussionen um politisch korrekte Happy Holiday
Was ich mich frage: Wie erklären jüdische Eltern ihren Kindern, dass sie nicht an den Weihnachtsmann glauben, bzw. dass es ihn nicht gibt, wo er doch überall herumsteht? Und was sagen jüdische Kinder in der Schule zu ihren christlichen Klassenkamerad/innen, wenn die Sprache auf Santa kommt? Was antwortet man wohl als Lehrkraft, wenn ein verweintes Kind nach einer Diskussion mit einem anderen Kind fragt, ob es den Santa nun gibt oder eben nicht. Irgendwie ist die Sache doch etwas komplizierter, und auch getrennte Briefmarken können die Klippen im Alltag nicht umschiffen. Was machen Familien, in denen die Eltern verschiedene Religionen mitbringen? Keine Ahnung – ich weiß nur von unseren Freunden, dass sie einfach beides feiern. Die Verwandten des Vaters feiern Hanukkah-Partys, und dann kommt an Heiligabend noch Väterchen Frost aus Ungarn zu ihnen nach Hause. Wenn man damit aufwächst, ist es vielleicht doch nicht so kompliziert, wie es für mich scheint. Bei uns zu Hause haben wir jedenfalls lebhafte Diskussionen darüber. Ist „Happy Holiday“ nun eine politisch gewollte, völlig unhandliche und unnatürliche Formel (Marc) oder eine wirklich hilfreiche, gleichstellende Grußformel? Ich stoße mich jedenfalls nicht daran und benutze sie einfach, wenn ich mir nicht sicher bin, wen ich als Gegenüber habe. Welche Alternative gibt es denn auch?
Unser Weihnachtsbaum
Amerikaner/innen stellen ihre Bäume schon vor Weihnachten auf und so sieht man, wenn es dunkel ist, die festlich geschmückten und erleuchteten Tannenbäume in den Wohnzimmern stehen. Bei aller Liebe zur Anpassung ist hier bei mir Schluss – vor dem 24. Dezember wird bei uns kein Baum aufgestellt. Basta. Ich weiß, andere deutsche Familien sehen das lockerer als ich, aber soweit bin ich noch nicht. Damit wir nicht leer ausgehen (schließlich kauft hier alle Welt einige Wochen vor Weihnachten den Baum), machen wir uns Mitte Dezember auf zur freiwilligen Feuerwehr in Morristown, die auf ihrem Hof die Bäume verkauft. Wir haben Glück: Von den 9.000 Bäumen, die aus Québec geliefert worden sind, sind zwar schon über 6.000 verkauft, aber es bleibt noch genug Auswahl. Beim Weihnachtsbaumkauf in Deutschland hing bei uns schon öfter der Haussegen schief: zu klein, zu wenig Äste, zu schief gewachsen oder zu ungleichmäßig … Marc hat jedenfalls mittlerweile genug von der Meckerei und kauft keinen Baum mehr allein 😉 . Nichts dergleichen hier: Erstaunt stellen wir fest, dass amerikanische (bzw. kanadische) Tannenbäume nicht nur viel buschiger (das heißt, ohne „Etagen“) gewachsen sind, sondern alle gleich „gut“ aussehen, perfekt wie ein Dreieck – kein Ast steht über, keiner hängt runter, alles super dicht – wie praktisch. Der Feuerwehrmann erklärt uns, dass alle Bäume während des Wachsens schon in Kanada beschnitten worden sind. Es gibt auch einige wenige „natural trees“ in einer hinteren Ecke, aber die sind alle komplett „spirrelig“ und haben schon viele Nadeln verloren – keine wirkliche Option. Wir kaufen direkt zwei Tannen und die Feuerwehrmänner binden sie super flott mit einigen Schnüren auf unser Autodach. Beim Schmücken mache ich es wie es die Amerikaner/innen: Man kann so ziemlich alles reinhängen, was man will, und die Lichterketten können weiß oder farbig, beides und/oder blinkend sein. Das Wichtigste: den Baum komplett vollhängen und keine Stelle freilassen! Und so machen wir es auch: Mit blinkender Lichterkette (einfach drumrum wickeln, „Etagen“ zum Feststecken gibt es eh nicht), vielen Anhängern, die ich im Bryant Park als Souvenirs gekauft habe (Elfen, Baseballhandschuhe, Schulbusse, Flugzeuge, Weihnachtsmänner, Coffee-to-go …), roten und weißen Kugeln …
Kultur am zweiten Weihnachtstag
Am zweiten Weihnachtstag gibt es dann das Kontrastprogramm: Wir gehen mit den Kids ins Ballett, es wird der Nussknacker aufgeführt – „The Nutcracker“. Der hat hier Tradition und gehört so fest zu Weihnachten wie Santa Claus – dass das alles Importware aus Europa ist, wissen wahrscheinlich die wenigsten (Kinder). Das Theater ist voll mit Familien, Omas und Opas sind auch oft dabei, die Kids sind rausgeputzt, und wir genießen die wirklich tolle Inszenierung, die Tänze, die Farben und die Musik. Unsere Kinder kennen die Geschichte aus einem Kinderbuch und wissen daher, worum es geht. Wir sind überrascht, denn alle vier halten super bis zum Ende durch – den Kampf des Mäusekönigs mit dem Nussknacker finden sie natürlich am besten! Paul (4) wundert sich, dass die Tänzerinnen alle Schwimmflügel anhaben (die farbigen Tutus an den Armen), Ole (6) bewundert die Tänzer, weil die so stark sind, dass sie die Tänzerinnen tragen können, und Tim (7) vermutet Springspiralen unter den Füßen der Tänzer. Das amerikanische Publikum aber liebt besonders eine Rolle: den Kosaken, der in großen Sprüngen in Kreisen auf der Bühne herumspringt. „Bravo, Bravo!“ rufen sie jedes Mal, wenn der Hüne mit den langen blonden Haaren seinen Auftritt hat, und sie klatschen begeistert. Also, ich fand den Rest mindestens genauso gut. Bin aber keine Ballettexpertin 🙂 . Am Ende gibt es tosenden Applaus, aber das Ensemble muss sich mit der zweiten Verbeugung schon fast beeilen, weil die Leute – wie schon öfter erlebt – hier wenig Ausdauer beim Applaudieren haben. Das Klatschen erstirbt, noch während die Tänzer/innen auf der Bühne sind und alles stürmt raus. Schade.
Die restlichen Feiertage
Der Rest der Weihnachtstage verläuft ruhig und gemütlich. Es gibt noch einmal einen „homemade“ Truthahn von 20 Pfund, und Marc und ich dürfen einen zweitägigen Mini-Erholungsurlaub auf Long Island machen (Opa ist zu Besuch und passt auf die Kids auf). Silvester ist auch sehr „low key“ bei uns. Da Feuerwerk für Privatpersonen in New Jersey verboten ist, gehen wir auf dem Marktplatz gucken, wo die Stadt öffentliche „fireworks“ macht. Praktisch wie die Amis sind, gibt es zwei Feuerwerke: Eins um 21 Uhr für die Kinder, eins natürlich um Mitternacht. Wir ziehen um kurz vor neun mit den Kindern los und sind positiv überrascht, denn auf dem Green ist eine richtige Outdoor-Party mit Musik im Gange. Viele Kinder laufen herum, einige tanzen – und alles ohne Alkohol. Jedenfalls kann ich keine Bier-, Wein- oder Sektflaschen entdecken – aber ich nippe zugegebenermaßen auch nicht an allen Plastikbechern 🙂 . Nach dem wirklich sehenswerten Feuerwerk fahren wir nach Hause, essen und sind alle weit vor Mitternacht im Bett. Happy New Year!